Einige Stunden später klopfte Mama an meine Zimmertür.
,,Mija?"
In Windeseile drückte ich meine Zigarette aus und riss das Fenster auf.
,,Komm rein!" Rief ich, während ich wie wild mit den Händen wedelte um den Geruch zu vertreiben.
Die Tür ging auf. Meine Mutter stand vor mir, in ihrem engen roten Partykleid und mit hochgesteckten Haaren. An ihren Ohren funkelten goldene Creolen, die sie noch aus Kolumbien hatte. Sie hatte neues Makeup aufgetragen und ihre Lippen waren genauso rot wie ihr Kleid.
,,Mamá, du siehst fantastisch aus." Sagte ich und meinte es auch so. Sie sah zehn Jahre jünger aus. Mindestens.
Meine Mutter lächelte mich dankbar an und ging an mir vorbei, um das Fenster zuzumachen.
,,Gracias, mi corazón. Ich hab dir Essen gekocht, es steht auf dem Herd."
,,Und was ist mit dir?" Fragte ich und beäugte sie misstrauisch. ,,Gehst du noch aus?"
Sie sah mich nicht an. ,,Sí. Irina und ich gehen noch in eine Bar."
,,Aha." Machte ich.
,,Es ist ziemlich plötzlich, ich weiß. Sie hatte einen Streit mit ihrem Freund, wieder mal, und braucht ein Bisschen Ablenkung. Und das tut mir auch ganz gut! Nach dem ganzen Ärger in den letzten Wochen!"
Sie warf mir einen strengen Blick zu, damit ich auch ja nicht vergaß wessen Schuld das alles war.
Ich erwiderte nichts darauf. Mir war unwohl zumute. Ich hatte ihr Telefonat doch gehört, ich wusste das sie sich mit dem Anwalt verabredet hatte. Warum sagte sie mir nicht die Wahrheit? Warum sah sie so schick aus?
,,Wie gesagt, Essen steht auf dem Herd. Schau noch ein bisschen fern oder so. Ich hab dir das Abendprogramm rausgelegt. Und geh nicht zu spät ins Bett! Ich weiß nicht wann ich zurück sein werde, es kann also sein, dass wir uns erst Morgen früh wiedersehen."
,,Okay." Machte ich. ,,Danke."
Sie kam an und gab mir eine Umarmung. Es war das erste Mal in Wochen, dass wir uns berührten.
,,Gut. Sei judiciosa. Sei brav!"
,,Sí. Viel Spaß mit Irina."
,,Danke. Ich grüß sie von dir, Mmh?"
Einen Moment lang kraulten ihre Finger mir die Haare, wie damals als ich klein gewesen war. Dann drehte sie sich um und verließ mein Zimer. Kurz darauf fiel die Wohnungstür ins Schloss.
Die Hände in den Taschen schlenderte ich in die Küche. Auf dem Herd erwartete mich ein Topf mit Ajiaco de Bogotá ein Eintopf bestehend aus Hühnchen, Kartoffeln und Mais. Daneben stand ein Teller mit Reis, Brot und Kapern.
Mir fiel die Kinnlade herunter bei diesem Festmahl. In den letzten Wochen hatte meine Mutter nicht einmal ein Ei für mich gekocht und jetzt Ajiaco? Das Gericht war typisch für Bogotá, der kolumbianischen Hauptstadt aus der meine Mutter stammte, und eines meiner absoluten Lieblingsessen.
Jetzt war ich mir ganz sicher das etwas faul war. Warum würde sich denn jemand plötzlich die Mühe machen der Straftäter-Tochter Ajiaco zu kochen?
In Gedanken versunken tat ich mir auf und aß.
Natürlich hätte ich sie einfach fragen können warum sie sich mit dem Anwalt trift, dachte ich mir zwischen zwei Bissen. Ich hätte ihr sagen können, dass ich ihr Telefonat belauscht hatte. Doch der Grund warum ich es nicht getan hatte war ein ganz einfacher: Ich wollte nicht noch ein Paar Schuhe abkriegen.
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Schule der Alpträume
Teen FictionDie 16- jährige Ifa ist ein Problemkind. Laut, handgreiflich, unberechenbar. Als eine Situation eskaliert und Ifa vor Gericht muss, schickt ihre Mutter sie auf die St. Pauls Ganztagsschule für schwer erziehbare Jugendliche. Ifa hätte fast den Fehler...