Kapitel 52

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„Boom! Geht's dir gut???", Jisung stürmt auf mich zu und schließt mich in seine Arme. Beziehungsweise, er erdrückt mich fast, aber das nehme ich kaum wahr. Wie auch? Alles scheint in einer trüben Leere zu schweben. „Boom?! Hörst du mich?!", Jisung beginnt mich zu schütteln. Es hilft alles nichts.
Hilflos, fast schon flehend, sehe ich ihm in die Augen. Ich kann mich nicht losreißen.
Die Trübheit wird immer massiver und langsam beginnt seine Silhouette zu erbleichen. Aus seiner Figur, seiner schlanken Hüfte, den breiten Schultern, dem dunkelbraunen Haarschopf, wird erst ein unscharfes Bild, bis schließlich alles farbige Flecken zusammenfließt.  „BOOM!", die ganze Masse beginnt zu ruckeln. „Boom", Jisungs Stimme ist nur noch ein Flüstern. Zumindest kommt es mir so vor.
Meine Sicht wird noch trüber. Die erstickende Masse wird noch dichter. Verzweifelt ringe ich nach Luft. Meine Gedanken, die um die Wette rasen, werden immer undeutlicher.
Hektisch schnappe ich nach Luft. Die Masse schnürt mir die Kehle zu. ‚Jemand hol einen Arzt...", ertönt ein gedämpfter Schrei. Erneut ruckelt das Bild aus Farbflecken. „Boom! Hörst du mich?". Ich klammere mich wie verrückt an dieses Ruckeln. Es ist wie ein Anker in der Realität. Ein Seil, welches ich wie wild umklammere, um nicht in die Tiefe zu stürzen. Ein verzweifelter Versuch, in der Realität anzukommen. „Boom?". Ich klammere mich mit all meiner Kraft an das Ruckeln.

Und dann hört es plötzlich auf. Das Seil reißt einfach und ich stürze in die Tiefe. Das Licht erlöscht.

Gedämpfte Stimmen sind zu hören. Ihre Worte sind undeutlich. Selbst, wenn ich sie verstehen könnte, würde ich mir nicht die Mühe machen, ihre Worte bis zu meinem Gehirn durchdringen zu lassen. Es wäre einfach viel zu anstrengend.
Die Stimmen beginnen klarer zu werden. Sie hören sich immer verständlicher und menschlicher an.
Ihre Worte kann ich weiterhin nicht verstehen, was vermutlich besser so ist.
Ich sollte meine Augen öffnen. Ein einziger klarer Gedanke, ist schon viel zu anstrengend.
Trotzdem muss ich diese Leere, in der ich zu schweben scheine, überwinden.
Daher versuche ich mich irgendwie mit meinem Körper in Verbindung zu setzen. Ich konzentriere mich, wie verrückt, auf meine Hand. Vermutlich ist es besser, es erst mit ihr zu versuchen, statt meinen Augen. Das grelle Licht, würde meinen Fortschritt wohlmöglich zunichte machen.
Ich klammere mich an die Vorstellung, meine Hand zu bewegen.
Normalerweise macht man das einfach, ohne groß darüber nachzudenken. Man lernt schon als Kleinkind, sich gezielt zu bewegen. Jedoch wie man seinen Körper, in einer solchen Situation, dazu bringt, sich zu rühren, lernt man nie.

Und dann spüre ich plötzlich etwas. Ein bekanntes Gefühl, dass mich in dieser Situation, zutiefst erleichtert. Meine Hand zuckt, ehe meine Finger meinen Befehlen gehorchen und beginnen, sich zu bewegen.

Dieser Schritt, hat mich viel Energie gekostet, aber wie durch ihn eingeleitet, beginne ich meinen Körper immer mehr zu spüren. „SIE IST WACH!", ein Ruf dringt zu mir durch. Selbst, wenn ich die Stimme nur langsam analysieren kann, deute ich die sie, auch wenn mit ein bisschen Verspätung. Jisung.
Diese Erkenntniss, löst etwas in mir aus. Wie eine Art Verbindung zu einer Energiebahn, die plötzlich freigegeben wird. Ich reiße meine Augen auf.

Erst blendet mich das helle Licht, doch das ist schnell überwunden. Über mich beugt sich der ziemlich besorgte Jisung. „Boom!", sofort nimmt er mein Gesicht in seine Hände, auch wenn die Krankenschwestern, die neben ihm stehen, ihn versuchen wegzudrücken. „Seien Sie vorsichtig!".
Jisung interessiert sich kein bisschen für sie. „Boom", haucht er. Sein Daumen streicht über meine Wange. Er öffnet den Mund, doch kein Ton verlässt seine Lippen.
Ich betrachte seine schönen Züge, die eine Mischung aus Angst, Sorge und Trauer ausstrahlen.
Seine Augen sind rot und geschwollen, was darauf hindeutet, dass er geweint hat. Im Allgemeinen sieht er sehr übermüdet aus.

Und dann beginne ich mich zu erinnern. Wie mich diese Typen verfolgt haben, wie ich gerettet wurde, wie ich Nachhause begleitet wurde und, dass ich das Kind verloren habe.
Alles prasselt auf mich hinab.
Und diese Erkenntnisse schmerzen. So sehr, dass es mir Tränen in die Augen treibt.

Boom  ʰᵃⁿ ʲⁱˢᵘⁿᵍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt