Kapitel 53

60 5 2
                                    


Ein wenig später sitzen wir immernoch im Krankenhaus. Ich, auf einem Bett und Jisung daneben, während wir uns mit einer Ärtzin unterhalten.
„Was war Ihrer Meinung nach, die Ursache?", Jisung trägt jetzt wieder einen Mundschutz und er hat sich das Gesicht gewaschen, wodurch er nur noch halb so verheult aussieht. Trotzdem höre ich an seiner Stimme, wie scheiße es ihm gerade geht.

Ich sitze im Schneidersitz am Rand des Bettes und so fast unmittelbar neben ihm. Seine Hand ruht auf meinem Oberschenkel, eine unterstützende Geste, die ich sehr zu schätzen weiß.
„Es kann verschiedene Ursachen geben. Zum Beispiel Stress", die Ärtzin mustert uns mitleidig, „Manchmal kann der genaue Grund aber auch nicht ermittelt werden. Leider gehört das auch dazu".
Ich atme tief ein und wieder aus um meine wiederaufkommende Tränen zurückzuhalten. Jisungs Hand streicht vorsichtig über meinen Oberschenkel. „Und was... passiert jetzt?", meine Stimme klingt weinerlich, auch wenn ich alles daran setze, das zu verhindern.
„Nun ja, vermutlich wird gleich nochmal ein Ultraschall gemacht, bei dem wir uns alles noch einmal anschauen, um uns einen Überblick über den Zustand des Embryos zu verschaffen. Dementsprechend werden wir gemeinsam entscheiden, ob Sie die Fehlgeburt natürlich eintreten lassen wollen oder einen medizinischen Eingriff beantragen wollen". Ich schlucke. „Nun werde ich Sie noch ein wenig allein lassen, ehe Sie dann von einer Schwester zum Ultraschall gebracht werden", mit diesen Worten verlässt die Ärtzin den Raum.

Meine Lippe beginnt erneut zu beben und Jisung nimmt mich wortlos in den Arm. Wir verharren eine Weile so, bis plötzlich Jisungs Hand zu klingeln beginnt.
Er fischt es aus seiner Hosentasche und macht eine Bewegung, als ob er den Anruf wegdrücken will, macht es dann aber doch nicht. „Es ist Chan. Da muss ich rangehen". Ich nicke stumm, während er den Anruf annimmt und warum auch immer, den Lautsprecher einschaltet.
„Han?", ertönt es aus seinem Handy. Jisung gibt einen zustimmenden Laut von sich. „Wo bist du? Du bist einfach abgehauen!". Jisung zieht scharf die Luft ein und schluckt.
„Ich bin im Krankenhaus", sagt er und schafft es ziemlich gut, seine Stimme zu kontrollieren. „Du bist...was?!". „Es ist... 'was mit Boom. B-bitte Chan, kannst du die Probe nicht noch irgendwie hinauszögern?", Jisungs Stimme klingt fast schon panisch. Ich streiche ihm vorsichtig über den Rücken.
„Ich... ich versuch's. Ich weiß allerdings nicht, wieviel ich erreichen kann. Aber sag' mal, geht's Boom gut?". „Ja ungefähr".
„Jisung, was ist los? Doch nicht das Baby, oder?". Ich atme tief ein, um meine aufkommenden Tränen zu unterdrücken. „Ich-", Jisungs Stimme bricht. Und dann drückt er auf den erlösend leuchtenden ,Anruf beenden' Button.

Wir schweigen beide. „U-und w-was machen wir jetzt?", ich versuche meine Tränen zurückzuhalten, doch es ist zweckslos. Ich fühle mich gerade auch einfach nutzlos.
Ich bin zu nichts mehr in der Lage, außer zu weinen, ich werde warscheinlich bald sowieso keine Tränen mehr haben. Es erscheint alles so sinnlos, wenn man nicht mit dem Schmerz umzugehen weiß.
Kurz darauf betritt die Ärtzin das Zimmer, welches wir kurz darauf gemeinsam verlassen.

Stunden später sitze ich in der Wohnung.
Das sowieso schon karg eingerichtete Wohnzimmer erscheint noch grauer als sonst.
Das harte Sofa drückt erbarmungslos gegen meinen Körper. Egal.
Vor mir, auf einem kleinen Tischen, steht eine kleine Schüssel. Irgendeine Suppe.
Sie ist vermutlich schon kalt. Ich habe sie nicht angerührt.
Das, was ich hier mache, kann man nicht einmal wirklich trauern nennen. Ich sitze einfach rum und starre ins Nichts. Verantwortungslos. Unreif.
Ich schlucke.
Jisung saß die ganze Zeit neben mir, als ich dort, auf diesem Liege, in diesem freudlosen Krankenhaus, lag und verängstigt auf den Bildschirm starrte. Er hat meine Hand gehalten. Er war für mich stark geblieben. Er hat sich nicht komplett zerfallen lassen, um für mich dazusein.

Mein leerer Blick bewegt sich langsam zu meinen Händen. Sie zittern so sehr, dass sich kaum noch Kontrolle über sie habe. Ich rappele mich auf. Durch die plötzliche Bewegung, wird mir etwas schwindelig.
Ich greife mir an den Kopf, um den Schwindel zu mildern.

Boom  ʰᵃⁿ ʲⁱˢᵘⁿᵍWo Geschichten leben. Entdecke jetzt