Capítulo 2

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RANIA

Ich konnte zwar seine Gesichtszüge nicht sehen, aber ich spüre seine dunkle Aura und seinen intensiven Blick. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem Körper, und ich verstehe nicht, warum mein Körper auf seinen Blick so reagiert. »Seit wann bringt man Menschen auf einer Hauptstraße um?«, rufe ich gelassen.

Ich versuche, meine Nervosität so gut wie möglich zu verbergen. Ohne auf ihre Antwort zu warten, renne ich die Straße entlang, so schnell ich kann.

Niemand ist draußen. Anscheinend sind die Menschen vernünftig genug, um nicht um diese Uhrzeit herauszugehen. Apropos Uhrzeit, ich habe die Zeit vollkommen vergessen. Ich muss nur hoffen, dass alle schlafen, sonst werden meine Eltern mich umbringen. Ich höre ihre Schritte und ihr Gebrüll, dass ich anhalten soll, doch ich werde niemals anhalten. Egal was passiert. Ich bin Rania Mansour.

Die Männer sind dicht hinter mir, nicht nur einer, sondern mehrere. Ich kann meinen Herzschlag hören, er schlägt sehr schnell. Erstens, weil ich normalerweise nie Sport mache, weder in der Schule noch in meiner Freizeit. Zweitens habe ich unglaubliche Angst, dass sie mich kriegen.

Ich drehe mich um, um den Abstand zwischen mir und den anderen Männern zu überprüfen. Verdammte Scheiße, sie sind nah dran. In was für eine Scheiße bin ich da hineingeraten? »Bleib stehen, wir werden dich sowieso bekommen. Also mach es uns und dir einfacher, indem du einfach stehen bleibst. Bleib verdammt nochmal stehen«, brüllt einer.

Ich erkenne die Stimme. Es ist der Mann in der Hocke. ,»Niemals«, feuere ich zurück. Niemals werde ich einfach kampflos aufgeben. Wer weiß, vielleicht schaffe ich es, ihnen zu entkommen. Man weiß nie, auf welcher Seite das Schicksal steht.

Während ich weiter renne, wird es merkwürdig ruhig. Mir ist lieber, wenn sie mich anbrüllen, als diese unheimliche Stille. Ich hoffe, dass sie mich aufgegeben haben, aber das bezweifle ich sehr stark. Ich biege in eine Gasse ab und hoffe, dass es kein Sackgasse ist.

Ich renne durch einen verzweigten Hinterhof. Ich höre meinen eigenen Atem und das leise Summen eines defekten Neonlichts. Der Geruch von Abfall hängt in der Luft. Mein Blick sucht verzweifelt nach einem Versteck. Zwischen alten Kisten und verlassenen Paletten finde ich eine dunkle Nische.

Ohne zu zögern dränge ich mich hinein, hoffend, dass die Dunkelheit mich vor ihren Blicken schützt. Der Lärm der Männer, die die Gasse erreichen, wird lauter. Ich verharre regungslos, während mein Herzschlag mir in den Ohren hämmert. Ihr Gespräch, ein Gemisch aus Drohungen und Flüchen, dringt zu mir. Plötzlich höre ich Schritte näher kommen. Mein Atem stockt. Sie nähern sich meinem Versteck. In der Dunkelheit wage ich kaum zu atmen. Meine Hand liegt instinktiv auf meiner linken Brust, ich spüre meinen schnellen Herzschlag.

Die Männer sind nicht weit entfernt. Mit angehaltenem Atem beobachte ich, wie sie weiter rennen. Die Schritte entfernen sich. Ich warte ungefähr fünf Minuten, bis ich sicher bin, dass sie weit genug von mir entfernt sind. Vorsichtig schleiche ich aus meinem Versteck und setze meinen Weg fort.

Vor mir erkenne ich durch die Straßenlichter, dass ich wieder auf der Hauptstraße bin. Rania, jetzt oder nie, renn um dein Leben nach Hause, ermutige ich mich. Quietschende Autos kommen plötzlich vor mir und hinter mir zum Stehen. Sie haben mich genau da, wo sie mich haben wollen. Trotzdem werde ich nicht aufgeben. Es ist zwar unfair, dass sie ein Auto haben und ich nicht, aber meine größte Sorge ist es jetzt, nicht gefangen zu werden.

Vor mir gehen die Autotüren auf. Ich mache kleine Schritte nach hinten, in der Hoffnung, zu entkommen. Das Letzte, was ich brauche, sind Mörder, die mich auch töten werden. Ich mache größere Schritte. Die beiden Männer vor mir haben ein amüsiertes Lächeln auf den Lippen. Das macht mir irgendwie Angst. Mein Magen dreht sich um, wenn ich nur daran denke, dass mein Leben gleich vorbei sein könnte. Ohne die beiden Männer anzusehen, drehe ich mich um und renne los. Bis ich gegen eine harte Wand knalle.

Woher kommt diese Wand auf einmal? Ich taumle ein paar Schritte zurück. Vor mir steht keine Wand, sondern ein breit gebauter Mann. Nun bin ich von drei Mördern umzingelt. ,»Wo willst du hin, mein Liebes?«, ich erstarre, nicht fähig, mich zu bewegen. Doch ich sammle meinen ganzen Mut ,»Ganz weit weg von euch. Das ist doch offensichtlich, oder seid ihr blind? Lasst mich durch, ich will nach Hause.«

»Du hast ja ein freches Mundwerk, Liebes. Jetzt halt die Klappe«, spricht er bedrohlich, aber ruhig, was mir langsam Angst macht. Aber ich werde niemals meine Angst zeigen. ,»Aber niemals werdet ihr mich kampflos aufgeben.« »Sicher?«, provoziere ich ihn. Ich glaube, ich bin lebensmüde. Ich habe gerade mein eigenes Todesurteil geschrieben.

Ich warte nicht auf eine Antwort und fange an zu rennen. Ich renne so schnell, wie meine Beine mich tragen können, und drehe mich nicht einmal um. Doch nach drei Straßen werde ich unsanft am Arm gepackt. »Oh nein, du kommst jetzt mit uns, Liebes.« Warum nennt er mich überhaupt Liebes?

»Was soll ich machen, wenn du ein Riese bist?« Ich muss meinen Kopf in den Nacken legen, um ihn anzusehen. Er zieht eine Augenbraue hoch und schaut mich mit einem 'Ja-das-bist-du'-Blick an.

Mit seinen ungefähr 1,96 Metern sehe ich natürlich mit meinen 1,60 Metern aus wie ein Zwerg. Ich versuche, meinen Arm aus seinem Griff zu ziehen, doch er ist zu fest. »Lassen Sie mich sofort los, Mistkerl«, schreie ich diesen unbekannten Mann an, doch er lässt nicht locker. »Sie tun mir weh, Arschloch. Lockern Sie Ihren Griff.« »Du bist ja mutig, mir Befehle zu erteilen.«

»Handy her.« Oh, jetzt verlangt der Arsch von mir, mein Handy abzugeben, als wäre er mein Vater, der es von mir fordert. Ich antworte ihm nicht, stattdessen versuche ich mich aus seinem Griff zu befreien. »Gib sofort dein Handy«, fordert er ungeduldig. »Oder was?« Ich glaube, ich möchte lieber nicht wissen, was passieren wird.

Er kommt mir so nah, dass unsere Nasenspitzen fast zusammenstoßen. »Versuch es, dann werden wir sehen, was passieren wird«, sagt er und starrt mir tief in die Augen. Seine giftgrünen Augen strahlen pure Kälte aus. Doch ich kann den Augenkontakt nicht lange halten. Ich habe seit langem niemanden jemandem in die Augen geschaut.

Da ich nicht will, dass er mich berührt, entnehme ich widerwillig mein Handy aus der Hosentasche und reiche es ihm. Ich bin so verzweifelt, dass ich so tun muss, als würde ich gleich zusammenbrechen. Ich versuche zu weinen, aber wie soll ich weinen? Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wann ich das letzte Mal geweint habe.

Plötzlich spüre ich etwas Nasses auf meiner Wange. Jetzt beende ich meine Schauspielkunst, obwohl ich nicht wusste, dass ich welche habe.

»Ich verspreche euch, ich werde niemandem davon erzählen«, sage ich und verdecke mein Gesicht mit den Händen. Ich lasse ein geschauspielertes Schluchzen los. Alle schauen mich verwirrt an. Mein Plan ist, sie abzulenken, um fliehen zu können.

»Hast du etwa den Mut verloren, Liebes?«, provoziert er mich. Als ich merke, dass sie immer noch nichts verstanden haben, gehe ich leicht in die Hocke und versuche, mein Knie schnell in seine Weichteile zu rammen. Doch er ist aufmerksam genug, um mein Knie schnell zu greifen, bevor ich ihn treten kann.

Lost in my pastWo Geschichten leben. Entdecke jetzt