Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015

Prolog

"Wenn mir jemand vor einem Jahr erzählt hätte, was mir innerhalb weniger Monate alles passieren würde, hätte ich ihn wohl ausgelacht oder für völlig verrückt erklärt. Vielleicht auch beides, wer weiß. Eventuell hätte ich ihm auch noch zu einer solch blühenden Fantasie gratuliert - ich selbst wäre schließlich nie auf eine so abwegige Handlung gekommen.
Es klingt ja auch irgendwie fast wie ein schlechtes Märchen.
Das Märchen von einem Mädchen, das wie alle anderen beinahe sein gesamtes Leben in einem Kinderheim verbringt und darauf vorbereitet wird, sich immer so zu verhalten, wie es die kontrollsüchtige Regierung befiehlt.
Und dann - von einem Tag auf den nächsten - ändert sich Alles, nur weil das Mädchen eine Entscheidung trifft.
Eine einzige Entscheidung, die so viel verändert.
Irgendwie verrückt, findest du nicht?" Nachdenklich lehnte ich mich an die wackelige Balkonbrüstung und betrachtete die Stadt unter uns. Erst jetzt, bei Anbruch der Dämmerung, ließ sich das Ausmaß der Zerstörung richtig erkennen.
"Ich weiß nicht", sagte er bedächtig, ohne mich anzusehen. "Vielleicht erscheint es uns jetzt verrückt, was passiert ist. Vielleicht wäre Alles anders geworden, wenn du keine Telekinese beherrschen würdest. Und vielleicht warst du der Stein, der den Krieg endgültig ins Rollen gebracht hat, vielleicht aber auch nicht. Wir werden es nie erfahren.
Wir können unsere Taten nicht rückgängig machen, ebensowenig die der Anderen.
Schon allein deswegen ist diese Geschichte kein Märchen. Die Vergangenheit lässt sich nicht verändern, die Toten können nicht wieder zum Leben erweckt werden."
"Das habe ich nicht behauptet", murmelte ich leise. Insgeheim wartete ich auf die Tränen, doch es kamen keine. Wie so oft in den letzten Stunden. "Vielleicht sollte ich eher sagen: ich wünschte, dass es ein Märchen wäre. Märchen haben wenigstens ein Happy End."
Darauf erwiderte er nichts.
Was hätte er auch sagen sollen, wo wir doch beide eines ganz genau wussten; für ein Happy End war es schon lange zu spät.