20.Kapitel

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Ich war wahnsinnig, absolut wahnsinnig. Damons warnende Worte geisterten durch meinen Kopf, doch ich ahnte, dass nicht mal die Gnade Gottes mich vor seinem Zorn bewahren könnte. Trotzdem lief ich so schnell ich konnte die Treppe nach oben und riss eine schwere Metalltür auf. Im ersten Moment war ich so von der Sonne geblendet, dass ich die Augen zusammenkneifen musste und quasi blind weiterlief. Tageslicht war ich nicht mehr gewöhnt, umso erstaunter war ich, dass ich es bis jetzt nicht vermisst hatte. Aber das war jetzt auch egal, ich musste diesen Zug finden, komme was da wolle. Und hoffen, dass Damon irgendwie anders zu Newton kam, wenn er mich jetzt schon erwischte hatte ich gar keine Chance mehr, Kim zu erreichen.
Ein lautes Rauschen hinter mir ließ mich herumfahren; offenbar war ich direkt neben den Gleisen rausgekommen, der heranbrausende Zug näherte sich meiner Position mit einer beängstigenden Geschwindigkeit. Irgendwie war mir klar, dass hier in der Nähe keine Haltestelle war, ich musste einen anderen Weg da rein finden. Sonderlich viele Möglichkeiten hatte ich nicht und fing unwillkürlich an loszurennen. Erneut durchzuckte mich der Gedanke, wie verrückt das alles eigentlich war, doch ich schob ihn unwillig zur Seite. Schon raste das erste Stück des Zuges an mir vorbei. Bei dieser Geschwindigkeit war es schon unglaublich raus zu springen, doch ich war endgültig lebensmüde geworden. Im selben Moment, als eine Tür an mir vorbei schoss, sprang ich hoch und klammerte mich am Griff fest. Sofort wurde ich vom Fahrtwind nach hinten geschleudert und streckte auch die zweite Hand nach der rettenden Tür aus. Der Wind brannte in meinen Augen, ich hatte Mühe mich festzuhalten, doch nach ein paar Sekunden, die sich wie Minuten anfühlten, fand ich einen einigermaßen sicheren Stand. Ich gönnte mir keinen Moment um mich auszuruhen, sondern versuchte die Tür aufzubekommen.
"Verdammter Mist, das ist doch wohl ein Scherz....", fluchend rüttelte ich an dem harten Metall. Es bewegte sich keinen Zentimeter. Einen Knopf oder Ähnliches zum Öffnen gab es ebenfalls nicht. Panisch presste ich mich gegen die Wand; musste ich jetzt wirklich die ganze Strecke lang hier stehen? Das würde ich nicht durchhalten, meine Finger waren durch den eisigen Fahrtwind schon jetzt taub, lange konnte ich mich nicht mehr festhalten. Für einen Moment dachte ich darüber nach, ob es das Risiko wert war bis zur nächsten Tür zu klettern, aber vermutlich ließ sich diese genauso wenig öffnen. Dann vielleicht ein Fenster.....
Hoffnungsvoll wanderte mein Blick weiter, doch die winzigen Glaslöcher waren als Eingang völlig ungeeignet. Auf was für einem komischen Zug war ich denn nur gelandet? Ein unangenehmer Verdacht beschlich mich; was, wenn ich auf den Privatzug eines Regierungsmitgliedes gestoßen war? Das würde zumindest erklären, warum die Tür nicht von außen aufging, aber ein normaler Passagierzug wäre mir deutlich lieber gewesen. Am Ende war Newton höchstpersönlich da drin und ließ es sich gut gehen, während ich hier draußen erfror. Bei dem Gedanken wollte ich schon fast einen neuen Versuch starten hineinzukommen, doch ich tat es lieber nicht. Meine einzige Waffe war das Messer, das ich irgendwann einmal vom Training hatte mitgehen lassen und seitdem in meinem rechten Stiefel aufbewahrte. Damit hatte ich unmöglich eine Chance gegen, bis an die Zähne bewaffnete, Sicherheitskräfte. Wiedereinmal musste ich an Damon denken; er würde vermutlich als einer von Newtons Bodyguards auftauchen, doch würde er mich auch aufhalten, wenn es nötig war, um seine Deckung nicht zu verlieren?

Erleichtert, dass der langsamer werdende Zug mich von meinen Gedanken ablenkte, sprang ich kurzerhand ab. Diesmal machte ich eine perfekte Rolle und stand innerhalb von Sekunden wieder, als wäre ich ganz normal um die Ecke gebogen. Einige Passanten starrten mich verwirrt und misstrauisch an; schnell griff ich an das imaginäre Funkgerät in meinem Ohr und murmelte etwas. In meinen schwarzen Klamotten könnte ich durchaus als Mitglied einer Eliteeinheit durchgehen, abgesehen davon, dass ich keine richtige Waffe hatte. Aber das wussten die anderen Menschen ja nicht und als ich einen möglichst finsteren Blick über sie schweifen ließ, wandten die meisten schnell ihre Augen ab und gingen weiter. Soweit so gut, deswegen trugen die Phoenix also nur schwarz: es war unauffällig und bewirkte, dass man eine gewisse Kraft ausstrahlte, die normalen Menschen mindestens Respekt, wenn nicht gar Angst einflößte.
Unsicher, was ich als nächstes tun sollte, versteckte ich mich hinter einem Pfeiler und beobachtete das Geschehen. Nach ein paar Sekunden stiegen weiter vorne im Zug mehrere Sicherheitsleute aus und prüften, ob auch niemand vorhatte eine Bombe oder Ähnliches zu werfen. Kurz darauf folgte der Mann, den ich so sehr hasste: mit einem überheblichen Gesichtsausdruck stolzierte der Innenminister auf den Bahnsteig. Zu meinem Erschrecken folgten ihm zwei Männer, die Kim in ihrer Mitte führten. Am liebsten wäre ich jetzt gleich losgestürmt, um sie zu befreien, doch spätestens die blonden verwuschelten Haare, die mir als nächstes in die Augen fielen, hielten mich davon ab. Obwohl mein Ausbilder mich auf die Entfernung unmöglich sehen konnte, vor allem, weil er nicht mit mir rechnete, drückte ich mich tiefer in den Schatten. Er war die ganze Zeit in dem Zug gewesen, verwirrt überlegte ich, wie er es da so schnell reingeschafft hatte.
Achja, vermutlich war er mit übernatürlicher Geschwindigkeit zum erstbesten Bahnhof gerannt und pünktlich zur Abfahrt erschienen. Ich hatte vielleicht doch ganz schönes Glück gehabt, dass die hässliche Tür nicht aufging.
Inzwischen war die seltsame Prozession vorbeigelaufen und der Zug setzte sich wieder in Bewegung. Nachdenklich folgte ich den schwarz gekleideten Leuten, hielt dabei jedoch immer einen ausreichenden Sicherheitsabstand ein. Auch, wenn Damon nicht ahnte, dass ich hier war, würde er mich sofort erkennen. Newton wahrscheinlich ebenfalls. Spätestens Kim könnte meine Deckung durch einen unbedachten Ruf zerstören. Ich hatte meine Haare, die mit ihrer rotbraunen Farbe vermutlich das auffälligste an mir waren, schon zu einem seitlichen Zopf weggeflochten, doch viel helfen tat das nicht. Ein leises Donnergrollen und einsetzender Regen lösten schließlich mein Dilemma. Eilig setzte ich die Kapuze meines Pullovers auf; so toll diese Lederjacke auch aussah, sie hatte den Nachteil, dass man damit keine Chance hatte den Kopf vor Regen zu schützen. Jetzt war ich immerhin halbwegs getarnt und fühlte mich gleich ein Stück wohler.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt