9.Kapitel

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Das nervige Piepen eines Weckers riss mich aus meinem viel zu kurzen Schlaf. Noch nicht völlig wach schob ich mechanisch die Decke weg und sprang auf, was wiederum keine sonderlich gute Idee war. Stöhnend ließ ich mich wieder auf mein weiches Bett sinken, inzwischen wusste ich nicht einmal mehr, was genau mir mehr weh tat. Seit zwei Wochen war ich nun hier und Damon verstand unter Einzeltraining offenbar mich von früh um 7 bis abends um 10, nur unterbrochen von einer kleinen Mittagspause, zu quälen. Während meine Freunde von 17:00 Uhr an frei hatten und oft noch bis Mitternacht wach waren, ließ ich mich sobald ich mein Bett erreicht hatte in dieses fallen und schlief wie ein Stein. Morgens war der Muskelkater dann noch schlimmer, aber laut Sarah und Anne, die zu meiner Freude meine Zimmergenossinen waren, müsste dieser mit der Zeit besser werden. Davon merkte ich bis jetzt noch nicht viel, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.
Seufzend schlüpfte ich in meine Klamotten und machte mich gähnend auf den Weg zum Frühstück.

"Und, Lola, wie geht's dir heute?" Wütend blitzte ich Lukas an, der mich grinsend musterte und gerade sein viertes Brötchen verdrückte. "Warum fragst du überhaupt noch? Mir tun Muskeln weh, von denen ich noch nicht einmal wusste, dass ich sie besitze." Aggressiv bearbeitete ich mein Buttercrosaint; ich hatte in den letzten paar Tagen oft geglaubt mich nicht mehr bewegen zu können und hätte am liebsten aufgegeben, doch mein Stolz verhinderte dies.
Meine Freunde hatten gut reden, sie konnten ihr Training relativ gemütlich mit einem Mann absolvieren, der offensichtlich auch nicht sonderlich viel Lust darauf hatte und deswegen seine Anforderungen auch nicht gerade hoch setzte.
"Ich finde es eigentlich ziemlich gut, dass er so viel von dir verlangt...." Irritiert starrten wir alle Paul an, irgendwie hatte ich plötzlich das Bedürfnis ihm mein Messer ins Bein zu rammen. "Und warum das bitte? Findest du es witzig, dass ich jeden Tag mehr blaue Flecken habe oder was?" Einzig Liz' beruhigende Hand auf meinem Arm hielt mich davon ab tatsächlich auf ihn loszugehen; anscheinend hatte das Kampftraining zumindest eine Wirkung auf mich: ich war schneller bereit meine Meinung auch ohne Worte durchzusetzen. Paul schien sich davon nicht beeindrucken lassen, denn er zuckte nur mit den Schultern und aß ungerührt weiter. "Naja, in dem Tempo wirst du uns schon in ein paar Wochen vom Ausbildungsstand her überholt haben. Wenn wir alle so ein Training hätten, wären wir innerhalb von 3 Monaten voll ausgebildete Soldaten."
"Mal ganz davon abgesehen, dass wir für sowas nicht annähernd genügend Ausbilder haben, würde niemand so ein Tempo über diesen Zeitraum durchhalten, der Großteil von euch würde spätestens nach zwei Monaten einen Schlaganfall bekommen." Zu unser aller Überraschung ließ sich mein persönlicher Folterknecht neben mich auf die Bank fallen; ich starrte ihn mit großen Augen an, was sollte das denn jetzt?
"Hab ich irgendetwas im Gesicht oder warum siehst du mich so an?" Erschrocken zuckte ich zusammen, er hatte die ganze Zeit so konzentriert auf sein Tablet geschaut, dass ich nicht damit gerechnet hatte, dass er das mitbekommen würde.
Ein fragender Blick erinnerte mich daran, dass ich immer noch nichts gesagt hatte. "Äh nein, ich war nur überrascht, dass du unser Gespräch mitbekommen hast...Was ist das?" Neugierig versuchte ich etwas auf dem Bildschirm zu erkennen und somit vom Thema abzulenken. Ohne mich auch nur anzusehen tippte Damon weiter darauf herum und schien kurz davor zu sein das Ding gegen die nächste Wand zu schmeißen. "Ein Code, der von den Wissenschaftlern entwickelt wurde; sie wollen ihn nun verbessern und haben einige Leute gebeten zu versuchen ihn zu knacken. Ich hänge da jetzt schon zwei Stunden dran..." Sein sonst so spöttischer Tonfall hatte sich inzwischen in ein leises Knurren verwandelt, was mich ziemlich beunruhigte. Vorsichtig streckte ich meine Hand nach dem Minicomputer aus. "Darf ich's mal probieren?" Ansonsten würde das Teil sicher nicht mehr lange leben und ich würde wetten, dass da einige wichtige Daten drauf gespeichert sind. Nicht, dass mich das sonderlich interessieren würde, aber ich hatte auch keine Lust seine schlechte Laune dann abzubekommen, was unweigerlich passieren würde; am Ende gab er mir noch die Schuld, dass das Teil kaputt war, also versuchte ich eben zu retten, was zu retten war. Damons Augenbrauen schossen überrascht nach oben, doch er schob mir das Tablet ohne Proteste hin. "Viel Glück." Interessiert sah ich auf den Bildschirm; fünf Kästchen waren aneinander gereiht, in denen die Zahlen von 1-9 durchliefen. Offenbar musste man zu einem bestimmten Zeitpunkt auf die einzelnen Kästchen drücken, um auf eine Kombination zu kommen. "Die Chance den Code durch Zufall zu knacken liegt bei über 100Millionen, ein Computer könnte das innerhalb einer Stunde lösen, wo liegt die Schwierigkeit?" Die plötzliche Stille am Tisch ließ mich aufsehen; alle hatten beim essen innegehalten und starrten mich an. "Woher zum Teufel weißt du das? Hast du einen Taschenrechner in deinem Kopf?" Anne sah skeptisch in meine Richtung während sie weiter an ihrem Muffin kaute. "Ich hatte im Heim viel Zeit, manchmal haben meine beste Freundin und ich eine Art Rätsel gespielt, wir haben gegenseitig versucht Zahlenreihen zu erraten. Irgendwann habe ich dann angefangen die verschiedenen Wahrscheinlichkeiten auszurechnen. Also?" Ich wartete noch immer auf eine Antwort von Damon.
"Die Zahlen wechseln alle paar Minuten, deswegen kann nur ein Mensch den Code knacken." Er zuckte gelangweilt mit den Schultern. "Du hast 5 Minuten, dann gehen wir."
"Mhm." Abwesend biss ich in mein Brötchen und starrte weiter auf die ablaufenden Zahlenreihen, es musste irgendein Muster geben. Langsam fingen sich meine Freunde wieder an zu unterhalten, doch ich spürte noch immer Damons Blick auf mir.
"Geschafft!" Stolz grinsend schob ich das nun grün leuchtende Tablet zu Damon. "Was?! Das waren gerade mal drei Minuten, wie zur Hölle hast du das gemacht?", ungläubig sah er mich an, damit hatte er offensichtlich nicht gerechnet. "Naja, ich habe nach einem Muster gesucht. Die Zahlen waren immer unterschiedlich schnell, an einer bestimmten Stelle hat die Reihe kaum merklich gestoppt, das war dann die richtige Kombination." Für mich klang das ziemlich logisch und einfach, da war ich aber anscheinend die einzige.
"An dir ist echt eine Wissenschaftlerin verloren gegangen." Kopfschüttelnd versuchte Damon meinen Lösungsweg nachzuvollziehen. "Tja, vielleicht sollte ich den Beruf wechseln, war ja schließlich nicht meine Entscheidung", gab ich bissig zurück; dass er mich mehr oder weniger gezwungen hatte eine Phoenix zu werden hatte ich noch immer nicht vergessen. "Vergiss es, dafür stecke ich zuviel Arbeit in deine Ausbildung." Und ich hatte schon geglaubt, dass er heute mal nett wäre. Ohne auf meine Proteste wegen meines noch nicht aufgegessen Brötchens zu achten, zerrte er mich von der Bank hoch in Richtung Trainingshalle. Offenbar waren meine 5 Minuten um.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt