32.Kapitel

6.9K 606 29
                                    

Über 2000 Reads :O ich glaubs nicht

"Könntest du mich etwas sanfter festhalten? Das tut langsam echt weh", sagte ich genervt. Es war wirklich kein Zuckerschlecken mit gefesselten Händen über den unebenen Waldboden gezerrt zu werden; dass wir bereits seit einer gefühlten Ewigkeit unterwegs waren, machte es auch nicht gerade besser.
Auf Damons verärgerten Blick schob ich schnell noch ein "Bitte!" hinterher und versuchte meinen Tonfall etwas weniger unhöflich klingen zu lassen. Im Gegensatz zu mir durften die anderen drei Gefangenen ohne persönlichen Leibwächter am Arm laufen, das hatte ich jetzt von meinen übereilten Fluchtversuchen. Immerhin lockerte Damon seinen Griff nun doch ein wenig, vollständig loslassen würde er aber wohl kaum. Wobei man sagen sollte, dass ich tatsächlich auf eine günstige Gelegenheit wartete, vorerst aber lieber nicht weiter auffallen wollte. Stattdessen dachte ich darüber nach, wie Anne und die anderen beiden gefangen werden konnten; als einzige Erklärung blieb übrig, dass sie, während sie an einer der Fallen lauerten, von einer Patrouillie überrascht sein mussten. Anders konnte ich es mir nicht vorstellen, vielleicht war unser toller Plan doch nicht so perfekt gewesen.
"Moritz. Wo sind die anderen?" Wir waren überraschend stehen geblieben und mein Freund musterte stirnrunzelnd Sarahs heimlichen Schwarm, der vor uns aufgetaucht war. Den Gedanken, mich jetzt loszureißen, verwarf ich lieber schnell, das würde sowieso nicht funktionieren.
"Keine Ahnung, ich dachte sie wären vielleicht hier...." Der schwarzhaarige Junge zuckte ratlos die Schultern. "Nachdem wir uns getrennt haben, sind sie irgendwie verschwunden. Ich habe jeden der Treffpunkte abgesucht, da war niemand." Interessant, auf die Idee, dass auch das gegnerische Team Treffpunkte hatte, war ich noch gar nicht gekommen. Aber zumindest schien unser Plan doch funktioniert zu haben, sonst wären die drei wohl kaum nicht wieder aufgetaucht.
"Ihr beiden wisst doch irgendetwas darüber, raus damit", wandte sich Damon nun an Anne und mich; wahrscheinlich hatte er unser verstohlenes Grinsen mitbekommen.
"Worüber sollten wir etwas wissen?" Annes unschuldiger Blick war schon fast zu komisch, mit Mühe schaffte ich es noch ernst zu bleiben. "Wir können doch auch nichts dafür, wenn die sich im Wald verirren. Vielleicht sind sie auch gegen einen Baum gerannt", sagte ich mit einem ähnlich harmlosen Gesichtsausdruck. Hinter mir hörte ich Annes unterdrücktes Prusten, die Vorstellung war aber auch zu witzig. Gegen meinen Willen fing ich nun doch an zu grinsen.
"Nein, natürlich wisst ihr nichts davon, warum auch." Kopfschüttelnd ließ Damon wieder von uns ab. "Hol dir jemanden zur Verstärkung und such die drei, sie können sich ja schlecht in Luft aufgelöst haben. Und, egal was passiert, trennt euch nicht voneinander, sonst haben wir bald noch mehr Vermisste." Augenblicklich erlosch mein Lächeln wieder; dass er uns so schnell auf die Schliche kommen würde, hatte ich nicht erwartet.

Entgegen meines anfänglichen Eindrucks schien doch noch ein Großteil der alten Stadt intakt zu sein, jedenfalls waren es die Häuser, an denen wir inzwischen vorbei liefen. Neugierig sah ich mich um, abgesehen davon, dass ich das ziemlich spannend fand, sollte ich mir den Weg einprägen. Nur zur Sicherheit, wäre ja blöd, wenn ich bei einer erfolgreichen Flucht in einer Sackgasse landen würde. Wir überquerten den früheren Marktplatz, liefen an der Kirche vorbei und erreichten schließlich so etwas wie einen Vorhof zwischen einigen Gebäuden. In der Nähe lungerten ein paar Männer herum, fanden jedoch bei Damons Anblick plötzlich wieder irgendeine sinnvolle Beschäftigung.
"Wartet hier." Damon warf mir noch einen warnenden Blick zu, ehe er zu Lukas, der einige Meter entfernt stand und wahrscheinlich irgendetwas bewachte, ging. Auch unsere anderen Begleiter waren verschwunden, sodass die beiden Lisas, Anne und ich nun alleine rumstanden und uns ratlos ansahen. Entgegen der allgemeinen Erwartungen startete ich keinen erneuten Fluchtversuch, sondern wartete lieber lammfromm auf meinen Freund. Sonderlich weit würde ich auch jetzt nicht kommen, ich versprach mir mehr davon vorerst zu kooperieren.
"Ich wette, da sperren sie uns ein." Anne nickte in Richtung einer grauen Tür, neben der sich Lukas und Damon noch immer unterhielten.
"Schon möglich, obwohl die nicht sonderlich stabil aussieht", antwortete ich und musterte skeptisch das dazugehörige Gebäude. Mit ein bisschen Glück gab es irgendwo ein Schlupfloch, aber vermutlich eher nicht; ansonsten wäre das wohl kaum unser Verlies geworden.
"Herzlichen Glückwunsch, ihr vier vervollständigt die Gefangenenanzahl auf 20", sagte Damon spöttisch, während er die Tür aufschloss. Mich persönlich schockierte diese Aussage einerseits, denn nun waren gerade mal die zum Gewinnen erforderlichen sieben Frauen übrig, wenn sie nicht in diesen Minuten bereits geschnappt wurden. Somit war unsere Chance endgültig auf 0,000001% gesunken. Andererseits hatte ich auch irgendwie damit gerechnet, dementsprechend war ich nicht sonderlich verwundert. Geschockt, ja, aber nicht verwundert. Zögerlich betrat ich den Raum; erst nach ein paar Sekunden gewöhnten sich meine Augen an die plötzliche Dunkelheit und machten mehrere auf dem Boden sitzende Gestalten aus.
"Ich schätze mal, jetzt wo ihr auch gefangen seid, können wir gleich aufgeben." Sarah war umständlich aufgestanden und auf uns zugekommen; dass die Tür hinter uns ins Schloss fiel, nahm ich nur nebenbei wahr, stattdessen versuchte ich bereits einen Plan zu entwickeln. Immerhin waren es noch mindestens 15 Stunden, da konnte ich nicht einfach tatenlos rumsitzen und nichts tun. Naja, eigentlich könnte ich das schon, aber um ehrlich zu sein, wollte ich unbedingt gewinnen. Das klang wahrscheinlich komisch, aber so war es nunmal; Damons Ego war schon groß genug, da musste er nicht auch noch dieses blöde Spiel gewinnen. Mal ganz davon abgesehen, dass es hier irgendwie um die Ehre der Frauen ging.
"Nein Sarah, wir geben nicht auf", antwortete ich schließlich und betrachtete die Tür genauer.
"Gibs auf, wir haben schon alles abgesucht." Kim war nun ebenfalls aufgestanden und zu uns gekommen. "Man kommt hier nicht einfach raus und die Fesseln kriegen wir auch nicht ohne Waffen ab." Zu schade aber auch, dass Damon mir nach gründlichem Abtasten meine beiden Messer schmunzelnd abgenommen hatte; ursprünglich sollten wir ihm die ja freiwillig aushändigen oder zumindest sagen, ob und wo wir welche versteckt hatten. Ich wusste zwar, dass es nichts brachte sich zu weigern, aber einen Versuch war es wert gewesen. Immerhin hätte es ja sein können, dass ich sie gut genug versteckt gehabt hätte.
Jedenfalls schied eine traditionelle Flucht somit vorerst aus, dann musste ich eben auf andere Methoden zurück greifen. Ich versuchte ungefähr die Stabilität der Tür einzuschätzen und trat fest dagegen.
"Lola, ich sagte doch das bringt nichts...."
Und nochmal. Und nochmal. Drei sollten eigentlich reichen, sicherheitshalber wich ich ein paar Zentimeter zurück.
"Was?!" Wie erwartet riss Damon verärgert die Tür auf.
"Mir ist langweilig", antwortete ich lächelnd.
"Und das ist mein Problem, weil ...?"
"Weil ich dich dann nerve." Was, nebenbei gesagt, auch mein Ziel war. "Darf ich raus kommen?"
"Nein. Zähl bis zehntausend, dann ist dir nicht mehr langweilig." Er verdrehte genervt die Augen und machte Anstalten die Tür wieder zuzuknallen. Schnell trat ich einen Schritt vor und startete den nächsten Versuch. "Warum nicht? Ich kann doch sowieso nicht abhauen, solange du mich beobachtest..."
"Genau das ist der Punkt, Prinzessin: ich habe keine Lust dich die ganze Zeit nicht aus den Augen zu lassen." Mit einem lauten Knall fiel die alte Tür ins Schloss und wir standen wieder im Dunkeln. Eigentlich hatte ich mir das ein bisschen einfacher vorgestellt, aber noch würde ich nicht aufgeben.
"Es war doch klar, dass das nicht funktionieren würde. Mal ganz davon abgesehen, dass du wirklich nicht abhauen könntest." Antonia starrte mich verächtlich an, was ich geflissentlich ignorierte. Stattdessen zählte ich gedanklich bis dreißig und trat wieder gegen die Tür. "Damon?" Nach ein paar Sekunden öffnete sie sich tatsächlich erneut und unser, inzwischen noch wütenderer, Ausbilder tauchte auf. "Was ist denn jetzt schon wieder?" Im Gegensatz zu vorhin war seine Stimme jetzt leiser und gleichzeitig bedrohlicher, ein deutliches Zeichen für seinen Ärger.
"Kannst du bitte wenigstens die Fesseln abmachen? Die sind viel zu eng." Ich versuchte eher freundlich zu klingen, betteln an sich würde ihn noch mehr nerven.
"Für wie blöd hälst du mich?" Kopfschüttelnd drehte er sich wieder um, machte die Tür jedoch noch nicht vollständig zu. "Sei einfach still. Und hör um Himmels willen auf gegen die Tür zu treten." Gut, jetzt war sie zu. Also wirklich, ich konnte nicht mal antworten.
"Das willst du doch nicht wirklich machen...." Zweifelnd beobachtete Anne, wie ich erneut Aufstellung nahm.
"Doch, will ich." Um genau zu sein, wollte ich Damon dazu bringen mich hier raus zu holen. Wenn ich ihn dann noch ablenken...
"Scheiße!" Mein nächster Tritt war ins Leere gegangen, weswegen ich aufgrund meines eigenen Schwungs das Gleichgewicht verlor und nach vorne kippte. Jedenfalls hätte das passieren sollen, aber irgendwie wurde ich nur unsanft gegen eine Wand gedrückt. Eine Wand außerhalb des Gefängnisses, wohl gemerkt.
"Hat dir eigentlich niemand Gehorsam beigebracht?" Das bedrohliche Knurren ließ mich nun doch eingeschüchtert den Kopf einziehen. "Bis jetzt ist jeder dran gescheitert, wie's aussieht."
"Ja, das ist mir auch aufgefallen. Vielleicht sollte ich das mal versuchen, bis jetzt hatte ich bei sowas immer Erfolg." Inzwischen hatte ich mich wieder einigermaßen gefangen und an meinen Plan erinnert. Ablenken, irgendwie musste ich ihn ablenken....
"Könnte schon sein", murmelte ich leise. Eigentlich war ich ja nicht sonderlich scharf darauf auszuprobieren, wie Damon mir Gehorsam beibringen wollte, aber zumindest würde das ihn ablenken.
"Mhm." Zu meiner Überraschung beugte er sich jedoch nur ein Stück weiter vor und küsste mich fordernd. Damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet, aber insgeheim gehofft.
"Zu schade aber auch, dass ich erstmal noch etwas anderes zu tun habe", flüsterte er mir schließlich ins Ohr, ehe er einen Schritt zurück trat. Ich war immer noch außer Atem, konnte mir eine patzige Antwort aber trotzdem nicht verkneifen. "Du hast meine Hilflosigkeit gerade total ausgenutzt, ich hätte mich ja nicht mal wehren können."
"Genau, wenn du nur die Hände frei gehabt hättest, hättest du mich ohne zu zögern sofort weggestoßen." Schmunzelnd zog er mich wieder zurück zur Tür und kramte einen Schlüssel heraus.
"Ja hätte ich. Was hast du überhaupt so wichtiges zu tun?" Mürrisch wartete ich darauf erneut eingesperrt zu werden.
"Es sind noch sieben deiner Teammitglieder übrig, es wäre doch unhöflich so lange zu warten, bis sie zu euch stoßen dürfen." Grinsend schob er mich wieder in den düsteren Raum. Ich versuchte mich möglichst unauffällig zur Seite zu drehen und zuckte mit den Schultern. "Du wirst sie nicht finden." Gespielt zuversichtlich schlenderte ich auf die linke Wand zu, als Damon mich erneut zurückhielt. Mit einem gezielten Griff zog er ein kleines Messer aus meiner Hosentasche und hielt es mir mit hochgezogenen Augenbrauen unter die Nase.
"Ähm...."
"Du versuchst es immer wieder, stimmts?" Kopfschüttelnd steckte er das Messer, das übrigens vorher mir gehört hatte, wieder zurück an seinen Gürtel. "Ich schätze mal, dass ich in einer Stunde zurück bin, du kannst bis dahin schonmal über die Konsequenzen, die dich erwarten, nachdenken." Ohne auf eine Antwort von mir zu warten, ließ er uns wieder allein.
"Das war leichter als gedacht..." Grinsend steuerte ich erneut die Wand an und lehnte mich dagegen.
"Falls es dir nicht aufgefallen sein sollte, dein Lover hat es mitbekommen, dass du ihn beklaut hast. Ich weiß nicht, was daran jetzt so toll gewesen sein soll", sagte Blondie, Verzeihung, Antonia, abfällig. Augenverdrehend stieß ich mich wieder von der Wand ab und rieb mir die Handgelenke. "Falls es dir noch nicht aufgefallen sein sollte, war das beabsichtigt. Damit habe ich verhindert, dass er das..", ich schwenkte ein weiteres Messer, "...bemerkt. Ist echt ein schönes Gefühl wieder die Hände frei zu haben."
"Wie zum Teufel hast du das gemacht?" Ungläubig starrte Sarah mich an, die anderen machten nicht weniger große Augen.
"Ablenkung. Wie gesagt, war einfacher als gedacht." Schulterzuckend bedeutete ich Anne sich umzudrehen und zerschnitt auch ihre Fesseln. Tatsächlich hätte ich selbst nicht gedacht, dass Damon das nicht mitbekommen würde. Jetzt mussten wir nur noch irgendwie hier rauskommen, ohne entdeckt zu werden.
"Kann irgendjemand Schlösser knacken?" Nachdem sich inzwischen alle wieder uneingeschränkt bewegen konnten, sah ich fragend in die Runde. Ich persönlich war zu blöd mit einer Haarspange die Tür aufzuschließen, aber vielleicht beherrschte ja eine der anderen diese Fähigkeit.
"Also....ich könnte es versuchen....", sagte Sophie schließlich. Nach einigen Versuchen sprang die Tür tatsächlich auf.
"Und jetzt?"
Die Antwort sparte ich mir, stattdessen schlüpfte ich durch den kleinen Spalt und schlug so leise wie möglich unsere Wache nieder. Sonst war das Lager verblüffend leer, vermutlich suchten alle den Wald ab. Nun gut, das sollte mir nur Recht sein; vorerst waren wir wieder im Rennen, vielleicht konnten wir das Spiel doch noch gewinnen.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt