22.Kapitel

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Mir war langweilig. Sowas von langweilig. Lustlos saß ich im Wartezimmer der Krankenstation und wartete, dass Liz mich holte, um sich mein Bein nochmal anzusehen. Eigentlich sollte ich um acht hier sein, inzwischen war es bereits nach neun. Dafür, dass ich schon so lange wartete, waren hier ziemlich wenige andere Leute; schade eigentlich, sonst hätte ich mich damit beschäftigen können sie zu beobachten. Lediglich eine ältere Frau saß mir gegenüber und schlief, der Mann neben ihr war schon vor 10 Minuten verschwunden.
Ungeduldig lehnte ich mich zurück und fing an mein Messer in der Luft drehen zu lassen. Seit ich Kim gerettet und dafür von Damon angeschossen wurde, waren zwei Wochen vergangen. Liz wollte mich bis jetzt nicht für's Training freigegeben, obwohl ich überhaupt keine Schmerzen mehr hatte und die Wunde dank der modernen Medizin vollständig verheilt war.
"Lola?" Na endlich, Liz steckte den Kopf aus einer Tür und ich sprang auf, während ich mein Messer zurück an seinen Platz schob. "Warum hat das denn so lange gedauert?" Verärgert folgte ich ihr in das Behandlungszimmer und setzte mich auf das Bett, um meine Hose hochzukrempeln.
"Ich hatte noch was zu tun, entschuldige." Kritisch musterte sie die kleine Narbe, die zurückgeblieben war. "Hast du noch Schmerzen?"
"Nö." Wie zur Bekräftigung bewegte ich mein Bein auf und ab. Wenn es nach mir ginge, wäre ich schon vor wenigstens vier Tagen als geheilt erklärt worden, aber es ging ja nicht nach mir.
"Komm schon, Liz, mir geht's gut; es ist alles geheilt, ich habe keine Schmerzen, was willst du mehr?" Es war sowieso mehr ein Streifschuss gewesen, ich verstand gar nicht, warum sie so einen Aufstand machte. Meine Freundin schüttelte mal wieder den Kopf über die Leichtigkeit, mit der ich die Verletzung hinnahm. "Noch geht's dir gut, aber sobald du es wieder mehr belastest, hast du schneller wieder Schmerzen, als du 'Schokokuchen' sagen kannst."
"Das wird aber so oder so passieren, also warum sollte ich noch länger faul rumliegen und mich langweilen?" Schulterzuckend stand ich auf, so langsam wurde ich das Gefühl nicht los, dass sie mich extra lange nicht trainieren lassen wollte, um mich zu schonen. "Ich bin auch vorsichtig, okay? Sobald stärkere Schmerzen auftreten, hör ich auf. Deal?" Ich hielt ihr die Hand hin und mit einem Seufzen schlug sie ein. "Deal."
Grinsend verabschiedet ich mich und hüpfte hinaus; seit ich hierher gekommen war, hatte ich mich eigentlich ständig bewegt, weswegen ich die letzten Tage viel zu viel Energie übrig hatte, denn ich war es nicht gewöhnt nur rumzuliegen. Mittlerweile war mein Einzeltraining zwar beendet, aber trotzdem steuerte ich die große Halle an; Lukas hatte sich die letzten Tage immer beschwert, dass er sich jetzt, wo Damon sich nicht mehr nur mit mir beschäftigte, viel mehr anstrengen musste, das konnte ich mir nicht entgehen lassen.
Beinahe lautlos öffnete ich die Tür einen Spalt und schlüpfte hindurch. Ohne es beabsichtigt zu haben, flog mein Blick sofort zu der Wand links von mir und ich zuckte leicht zusammen. Tatsächlich konnte man den Umriss meines Oberkörpers und Kopfes ohne Probleme erkennen. Auf dem Boden darunter konnte ich einen dunklen Fleck sehen, offenbar hatte sich niemand dazu berufen gefühlt, mein Blut wegzuwischen.
"Ich schätze, das dürfte die Neuen erstmal ganz schön erschrecken." Unbemerkt war Damon hinter mir aufgetaucht; inzwischen erschreckte ich mich zumindest nicht mehr, wenn er das tat. Ich blinzelte zu ihm hoch. "Da fehlt noch ein Loch, sieht irgendwie unsymmetrisch aus."
"Du kannst dich gerne nochmal dahin stellen." Schmunzelnd sah er mich an. "Das würde ich nicht mal machen, wenn du es mir befiehlst, solange wie ich nichts angestellt habe", wehrte ich kopfschüttelnd ab. Mein Ausbilder grinste mich nur hinterhältig an, stirnrunzelnd überlegte ich, was ich jetzt schon wieder Falsches gesagt hatte.
"Wenn du meinen Befehl, dich dahin zustellen, verweigern würdest, hättest du aber etwas angestellt", konterte er gelassen.
"Ich....aber...Das ist unfair....." Verwirrt suchte ich nach einem Trick, doch Damon hatte recht. Wenn es nach meinen vorherigen Worten ginge, würde ich unweigerlich selbst dafür sorgen, dass ich erneut an dieser Wand stehen würde, falls Damon es wollte. Ich konnte wohl nur hoffen, dass er das nicht nochmal vorhatte.
"Wen meinst du eigentlich mit 'die Neuen'?", versuchte ich ungeschickt vom Thema abzulenken. Anne hatte mir erzählt, dass es eigentlich noch eine ganze Weile dauern müsste, bis die neuen Rekruten auftauchten, sonst hätte ich ja kein Einzeltraining bekommen.
"Morgen kommen soweit ich weiß zwischen 10 und 20 Frauen und Männer, die sich den Rebellen anschließen wollen. Sie reisen aus verschiedenen Zwischenlagern an, um hier eine Ausbildung zu bekommen; der Großteil wird vermutlich hier landen, Ärzte, Wissenschaftler und so weiter tauchen meistens ein paar Monate später auf." Er zuckte mit den Schultern. "Ich hoffe einfach mal, dass diesmal niemand her kommt, weil er oder sie denkt, dass man hier ein bisschen Spaß haben kann."
Stirnrunzelnd sah ich auf. "Warum hatte ich dann Einzeltraining mit dir? Da hätte ich doch auch auf die anderen warten können, wenn die jetzt schon kommen...." Ich drehte mich nun vollends zu meinem Ausbilder um und hob fragend eine Augenbraue.
"Um ehrlich zu sein, war das nicht geplant. Eigentlich sollten sie erst in ein paar Monaten kommen, aber, dass Newton von uns weiß, ändert die Lage erheblich. Wir können es uns nicht leisten, ewig auf die nächsten Rekruten zu warten." Sein Blick war ernst geworden und mich beschlich ein unangenehmes Gefühl. Sollten wir tatsächlich jetzt schon auf einen Krieg zusteuern? Daran wollte ich lieber gar nicht denken, das Kämpfen lernen war vielleicht hart, aber ich ahnte, dass das im Gegensatz zu der Realität nichts war.
"Und...bekommen dann wir oder die Neuen einen anderen Ausbilder?" Beinahe schon ängstlich wartete ich auf eine Antwort.
Zum ersten Mal seit langem erhellte wieder ein ehrliches Lächeln sein Gesicht. "Was wäre dir denn lieber?" Da war ich mir selbst nicht so sicher, also zuckte ich nur gespielt gleichgültig mit den Schultern.
"Keins von beiden."
"Was?" Verwirrt sah ich meinen Ausbilder an. Sollte das etwa heißen,....
"Sie werden den großen Vorteil haben, sich an euren Leistungen orientieren zu können. Mal sehen, ob das funktioniert." Damons Stimme hatte wieder einen spöttischen Ton bekommen. Also würden die Neuen wirklich gemeinsam mit uns trainieren müssen; irgendwie taten sie mir jetzt schon leid, sie würden noch höheren Anforderungen bestehen müssen als ich.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt