81. Kapitel

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Das Erste, was ich wahrnahm, als ich aufwachte, waren meine höllischen Kopfschmerzen. Gleich darauf folgte die Erkenntnis, dass ich mich mit großer Wahrscheinlichkeit in einer äußerst beschissenen Situation befand.
In der Hoffnung, dass sich das alles vielleicht doch als schlechter Traum herausstellen würde und ich nicht niedergeschlagen worden war, schlug ich die Augen auf - und bereute es im gleichen Moment wieder. Das grelle Licht brannte sich regelrecht in meine Netzhaut ein und trug nicht gerade zur Minderung meiner Kopfschmerzen bei. Dennoch wagte ich einige Sekunden später vorsichtig einen neuen Versuch. Nach mehrmaligem Blinzeln gewöhnte ich mich an die Helligkeit und sah mich unsicher um.
Zu meinem Erschrecken ähnelte der Raum extrem der letzten Gefängniszelle, in der ich nach einer Betäubung aufgewacht war. Weiße Wände, weißer Boden, abgesehen von dem Bett beziehungsweise Brett, auf dem ich gelegen hatte, und einem Stuhl keine Möbel. Wie zum Teufel konnte das passieren? Die ganze Zeit war keine einzige andere Person gesehen worden und plötzlich tauchten genügend so überraschend auf, dass sie uns ohne Probleme überwältigen konnten. Wobei sich die nächste Frage stellte: wo waren Colin und die anderen? Waren sie überhaupt noch am Leben? Und was war mit den restlichen Rebellen? Hatten sie die ganze Aktion abgebrochen? Oder lief sie vielleicht sogar noch? Wie lange war ich überhaupt bewusstlos? Ich hatte keinerlei Zeitgefühl mehr. Möglicherweise waren gerade einmal 30 Minuten vergangen, vielleicht aber auch schon mehrere Wochen.
Das charakteristische Geräusch einer Tür, die aufgeschlossen wurde, riss mich aus meinen Überlegungen. Unwillkürlich stand ich auf, um wem auch immer zumindest einigermaßen auf Augenhöhe gegenüberzustehen. Es gab einen Grund, warum ich noch am Leben und hier war, doch ich befürchtete, dass der nicht gerade Gnade hieß.
Den ersten Mann, der den Raum betrat, würde ich auf Anhieb als jemanden einstufen, dem man nicht zwingend allein im Dunkeln begegnen wollte. Neben seinem mürrischen Gesichtsausdruck versetzte mich vor allem seine Größe sowie die eindrucksvollen Muskeln in Furcht. Er war mehr als doppelt so breit wie ich und das basierte definitiv nicht auf überschüssigem Fett. Im Gegenteil, wahrscheinlich müsste er nur leicht zudrücken, um mir sämtliche Knochen zu brechen.
Ihm folgte ein Mann, der zwar etwas kleiner war, aber abgesehen davon locker der Bruder von Nummer Eins sein könnte.
Das Schlusslicht bildete ein bekanntes Gesicht. Ich war mir ehrlich gesagt nicht sicher, ob ich nun erleichtert aufatmen oder doch lieber in Panik ausbrechen sollte.
"So sieht man sich also wieder, meine Liebe. Auch wenn die Umstände recht unglücklich sind."
"Ich bin nicht Ihre 'Liebe'", antwortete ich bissig und verschränkte meine Arme. "Warum bin ich hier? Was wollen Sie von mir? Und wo sind - "
"Deine Freunde sind tot, jedenfalls größtenteils. Ein paar haben wir noch am Leben gelassen. Es dürfte eine einprägsame Abschreckung für alle, die mit einer Rebellion liebäugeln, werden, sie öffentlich qualvoll bis zum Tod zu foltern", unterbrach er mich und setzte sich schmunzelnd auf den Stuhl. "Was ich von dir will, dürfte doch wohl klar sein. Du hast mehr als vier Dutzend meiner Soldaten auf einen Schlag getötet oder zumindest schwer verletzt, ohne auch nur annähernd in ihrer Nähe gewesen zu sein. Es interessiert mich, wie du das gemacht hast. Und bevor du jetzt auf die Idee kommst, das nochmal abzuziehen, muss ich dich leider darauf hinweisen, dass wir noch immer wissen, wie man übernatürliche Fähigkeiten blockieren kann. Sie funktionieren in diesem Raum nicht."
Tot. Dieses einzelne Wort in Verbindung mit alle schien mir den Boden unter den Füßen wegzureißen. Allein die Vorstellung war schier unbegreiflich. Sie konnten doch nicht wirklich alle nicht mehr am Leben sein. Das ... das war nicht möglich .... oder?
Andererseits war es dem mächtigsten Mann des Landes durchaus zuzutrauen, einfach jeden, der ihm nicht passte umbringen zu lassen.
"Und Sie glauben ernsthaft, dass ich Ihnen das sagen würde? Ausgerechnet Ihnen? Damit Sie noch mehr Macht bekommen und eine offizielle Diktatur einführen können? Vergessen Sie's", widersprach ich mit belegter Stimme, versuchte den Schmerz über die unzähligen Toten zu verdrängen.
Gleichzeitig schoss mir die Frage durch den Kopf, warum er nicht einfach jemanden beauftragte, in meine Gedanken einzudringen und sich die Informationen auf diese Weise zu beschaffen. Bei Damon hatte es doch hervorragend funktioniert, also warum fragte er mich erst noch?
Damon ... bei dem Gedanken daran, dass auch er tot war, stiegen mir Tränen in die Augen.
"Lass mich raten, worüber du gerade nachdenkst. Du überlegst, warum ich dich auf dem herkömmlichen Weg befrage und nicht einfach dein Gehirn anzapfe. Nun, ehrlich gesagt habe ich das bereits getan, du dürftest noch ziemliche Schmerzen davon haben. Außerdem haben meine Forscher dir auch DNA-Proben entnommen, mit deren Hilfe es theoretisch möglich sein wird, anderen Menschen die Fähigkeit Telekinese anzueignen. Jedenfalls habe ich in deinen Erinnerungen gesehen, dass du irgendwie plötzlich mehr Energie als möglich zur Verfügung hattest und damit die Druckwelle ausgelöst hast", fuhr Anthony Stewart fort und betrachtete seine perfekt manikürten Fingernägel. "Unglücklicherweise schienst du aber selbst nicht gewusst zu haben, wie du das gemacht hast, andererseits wäre es in deinen Erinnerungen ersichtlich gewesen."
Angesichts dieses, wenn auch passiven, Erfolgs, konnte ich ein Grinsen nicht unterdrücken. "Und was bringt Sie auf die Idee, ich wüsste es jetzt?" Vielleicht würde ich hier nicht mehr lebend rauskommen, meine Freunde garantiert nicht wieder sehen, aber zumindest konnte ich verhindern, dass dieser machtgierige Mann herausfand, wie man Energie aus der Umgebung anzapfte. Solange ich selbst keine Ahnung davon hatte, brachte ich ihm nichts.
"Nichts. Aber du könntest dich dazu bereit erklären, es so lange auszuprobieren, bist du weißt wie es funktioniert."
"Warum sollte ich das tun?", erwiderte ich mit einem bitteren Lächeln. "Jedes Versprechen, dass Sie mir geben könnten, würden Sie sowieso nicht erfüllen. Jede Drohung würde angesichts der Dinge, die schon geschehen sind, ihre Wirkung verlieren. Eigentlich könnten Sie mich gleich töten, ich werde Ihnen nicht helfen."
Das bis eben noch interessierte Lächeln Stewarts verwandelte sich nun in ein erwartungsvolles und zugleich grausames. "Mit dieser Antwort hatte ich schon fast gerechnet. Und ich muss zugeben, dass du wahrscheinlich Recht hast. Irgendjemand anderes wird das schon noch selbst hinbekommen und mir freiwillig davon berichten."
"Aber ... warum haben Sie mich dann überhaupt am Leben gelassen?", fragte ich verwirrt. Ich war sicher gewesen, dass er alles Erdenkliche tun würde, um mich dazu zu bewegen, das zu tun, was er verlangte. Sein schnelles Einlenken brachte mich vollständig aus dem Konzept.
"Weil ich noch einmal mit dir reden wollte, einfach aus Interesse. Und abgesehen davon gibt es irgendwo noch Menschen, die vielleicht nicht aktiv an der Rebellion beteiligt waren, aber dich dennoch kennen. Da die meisten anderen hervorragenden Kämpfer bereits gefallen sind, wäre es doch passend, dich als abschreckendes Beispiel zu nutzen", er hielt inne und betrachtete mich mit schief gelegtem Kopf. "Hast du irgendwelche Wünsche, wie du sterben willst? Es muss natürlich langsam und schmerzhaft erfolgen, sonst wäre es zu einfach. Ich hatte ja zuerst an Leikord gedacht, aber damit hast du leider schon einige Erfahrungen gemacht, sodass es nicht mehr den selben Effekt hätte, wie ich befürchte."
Im ersten Moment hatte ich gedacht, mich verhört zu haben, doch offensichtlich hatte ich mich getäuscht. Dieser Mann überlegte ernsthaft, welche Tötungsmethode am besten war. Und zu allem Überfluss schien ihm das auch noch zu gefallen. Das war ... krank. Definitiv krank und gestört. Was hatte ich getan, dass das Schicksal mich so hasste? Hätte ich nicht irgendwo im Kampf sterben können? Eine Kugel im Kopf und alles wäre vorbei gewesen, aber nein, ich musste diesem Psycho in die Hände fallen. Schon die Tatsache, dass er es offenbar langweilig finden würde, mich mit diesem elenden Gift, bei dessen Erwähnung ich noch immer erschauderte, zu quälen, versprach nichts Gutes.
"Das Schweigen deute ich dann mal als nein. Nun, dann würde ich sagen, fangen wir damit an, ihr die Knochen zu brechen. Den Rest überlege ich mir später und wir schneiden die Aufnahmen dann zusammen." Stewart nickte seinen beiden Gorillas auffordern zu, lehnte sich zurück und bedachte mich mit einem sadistischen Grinsen.
Nummer Eins kam mit einem ähnlichem Gesichtsausdruck auf mich zu und ließ währenddessen seine Fingerknöchel knacken. Ich für meinen Teil änderte meine Meinung, dass Stewart mich ruhig töten lassen konnte, in der selben Sekunde. Wenn ich schon sterben musste, dann bitte nicht so. Panisch wich ich zurück, spürte die Wand viel zu schnell in meinem Rücken, während sich meine Gedanken überschlugen. Es musste irgendeinen Weg geben, hier raus zu kommen, irgendeinen. Nummer Eins schien es im Gegensatz zu mir alles andere als eilig zu haben und folgte mir belustigt, bis ich in einer Ecke ankam. Ich verfluchte mich gleichzeitig dafür, bis dorthin gelaufen zu sein. Jetzt versperrte er mir jeglichen anderen Fluchtweg, ich saß wortwörtlich in der Falle.
Bevor ich die Gelegenheit hatte, eine Verteidigungshaltung einzunehmen, holte er aus und schlug mir mit voller Kraft ins Gesicht. Die Wucht ließ mich zurücktaumeln, gegen die Wand knallen und schließlich zu Boden fallen. Für mehrere Sekunden bildeten sich schwarze Punkte in meinem Blickfeld. Angewidert über den metallischen Geschmack spuckte ich Blut aus, wurde jedoch im selben Moment wieder hochgerissen. Wie aus weiter Ferne nahm ich wahr, wie Stewart anordnete, dass ich gefälligst bei Bewusstsein zu bleiben hätte. Die nächste Ohrfeige riss mich zu meinem Bedauern tatsächlich aus der nahenden Dunkelheit. Gerade noch rechtzeitig schaffte ich es, einem Schlag, der mir vermutlich einige Rippen gebrochen hätte, auszuweichen. So schnell es ging, lief rückwärts wieder in Richtung Wand. Ich wusste, dass ich keine Chance hatte, zu entkommen, doch mein Instinkt verbot es mir, stehen zu bleiben.
"Soll ich sie festhalten?", fragte Nummer Zwei mit einem erwartungsvollen Funkeln in den Augen. Panisch wanderte mein Blick zu Stewart, der nach kurzem Überlegen nickte.
"Nein!" Mit einem entsetzten Schrei stolperte ich in die entgegengesetzte Richtung, als Zwei nun ebenfalls auf mich zukam. Um Welten schneller, als ich es ihm zugetraut hätte, hatte er mich erreicht und mit einem schmerzhaften Griff zu sich gezogen. Zu Beginn wehrte ich mich verzweifelt, schlug und trat so gut wie möglich um mich. Doch dann brach er mir mit einer winzigen Bewegung brutal das rechte Handgelenk, ließ mich aufschreien und erstarren. Bei jeder noch so kleinen Regung drückte er erneut zu, zog mich schließlich zurück in die Mitte des Raumes.
Nummer Eins trat ebenfalls dazu. Er stand seitlich vor mir, um Stewart nicht die Sicht zu versperren. Sein erster Schlag brach mein Schlüsselbein, presste die Luft aus meinen Lungen. Stöhnend krümmte ich mich zusammen und bewegte dabei versehentlich mein verletztes Handgelenk. Der Schmerz breitete sich pulsierend über meinen ganzen Körper aus, doch ich bekam keine Gelegenheit, mich zu erholen.
Hasserfüllt starrte ich Stewart an, der genüsslich beobachtete, wie seine Handlanger mich zusammenschlugen, ohne das ich auch nur die geringste Möglichkeit zur Gegenwehr hatte. Mit jedem Stöhnen, das über meine Lippen kam, sah er ein Stück zufriedener aus. Wenigstens den Triumph, mich schreien zu hören, wollte ich ihm nicht gönnen und biss jedes Mal, wenn ein Schrei in meiner Kehle hochstieg, hartnäckig die Zähne zusammen.
"Stopp." Ungläubig sah ich nach oben, versuchte herauszufinden, was er jetzt noch vorhatte. Die Frage, wann wohl lebenswichtige Organe versagen würden, musste ich mir dann wohl nicht mehr stellen. "Steh auf."
Eigentlich wollte ich als Antwort lachen, doch stattdessen brachte ich nur ein trockenes Husten hervor. "Wie denn, wenn Ihre Schläger mir den Oberschenkel zertrümmert haben?"
Ich zischte schmerzerfüllt, als besagte Typen mich grob in die Senkrechte zerrten, und versuchte wenigstens das Bein nicht zu belasten. Ich konnte nicht sagen, welcher Teil meines Körpers mehr schmerzte, eigentlich wollte ich es auch gar nicht wissen.
"Eine Frage hätte ich ja noch", murmelte ich keuchend. "Wenn es Ihnen so viel Spaß macht, anderen zuzusehen, wie sie zu Tode gequält werden, warum machen Sie das nicht selbst, sondern lassen irgendwelche andere Leute das für Sie übernehmen? Es muss doch viel befriedigender sein, selbst das Brechen von Knochen unter der eigenen Faust zu spüren."
"Du überraschst mich wirklich immer wieder. Jeder andere würde mich anflehen, seinem Leben schnell ein Ende zu setzen und du stellst mir irgendwelche unwichtigen Fragen", er schüttelte mit einem belustigten Lächeln den Kopf. "Sagen wir, ich hebe mir das Beste immer bis zum Schluss auf."

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt