7.Kapitel

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"Was war das denn?!" Mein Gesichtsausdruck schien ziemlich seltsam zu sein, sonst würde Haley wohl kaum so reagieren.
"Die Frage ist eher wer war das." Nach einem letzten vorsichtigen Blick, ob die Luft rein war, atmete ich erleichtert aus und richtete mich auf; die ganze Zeit auf dem harten Dach zu liegen war nicht gerade bequem. "Mich hat jemand gesehen. So ein Typ Anfang 20 würde ich schätzen."
Entgeistert starrte Haley mich an. "Dich hat jemand....?! Und wie kann es dann bitte sein, dass wir noch immer auf freiem Fuß sind?"
"Das ist doch eben mein Problem." Langsam begann ich damit die abbröckelnde Wand hinunter zu klettern. "Er hat mich ganz genau gesehen und trotzdem nicht ver..autsch!" Super, jetzt hatte ich mir auch noch einen Nagel abgebrochen. "Er hat mich nicht an Newton verraten", setzte ich erneut an und sprang den letzten Meter bis zum Boden einfach runter.
"Und du bist dir sicher, dass er dich gesehen hat?" Kritisch sah meine Freundin zu mir, ehe auch sie sich an den Abstieg wagte. Stirnrunzelnd wartete ich bis sicher neben mir gelandet war, ehe ich antwortete. "Natürlich bin ich sicher, vor allem, weil er noch einen Moment länger geblieben ist und mir zugenickt hat." So richtig konnte ich sein Verhalten wirklich nicht nachvollziehen, warum hatte er mir geholfen, obwohl er doch für Newton arbeitete?
"Okaaaay, das ist merkwürdig. Wie sah er denn aus? Nur für den Fall, dass wir nochmal in der Situation sein sollten, wüsste ich ganz gerne, von wem ich Hilfe erwarten kann." Ich wich einer Frau und ihrem Hund aus und dachte nach. Es war gar nicht so einfach jemanden zu beschreiben, den man nur für ein paar Sekunden gesehen hatte.
"Ich weiß nicht....dunkelblonde Haare, blaue Augen, die schon fast ins Lila übergehen und vielleicht 1,83m groß, aber das ließ sich schwer schätzen." Achselzuckend vergrub ich die Hände in meinen Jackentaschen, eine bessere Beschreibung konnte ich nicht machen.
"Das ist alles?" Enttäuscht sah Haley mich an, offenbar hatte sie mehr erwartet. Genervt trat ich eine leere Dose aus dem Weg, natürlich war das alles. "Tut mir leid, dass ich kein Foto machen konnte, dafür hat mir unglücklicherweise die Zeit gefehlt."
Schweigend liefen wir ein paar Minuten nebeneinander her, bis Haley mich schließlich entschuldigend ansah. "Tut mir leid, ich bin es einfach nicht gewohnt vor irgendjemandem wegzurennen und um mein Leben fürchten zu müssen. Das ist einfach alles ein bisschen viel für mich...."
Seufzend umarmte ich sie spontan. "Glaubst du, für mich nicht? Ich bin so froh, dass du mir hilfst, ansonsten hätte ich vermutlich keine 3 Tage überlebt."

***

Ich hatte etwas beschlossen. Mittlerweile war ich seit 3 Wochen hier bei Haley und ich wollte ihr nicht mehr zur Last fallen. Auch, wenn das jetzt vermutlich ziemlich kitschig war und ich genauso wie einige Personen in Büchern, denen ich immer am liebsten gesagt hätte, wie blöd sie sich verhalten, handeln würde, stand meine Entscheidung fest: ich würde meine neue Freundin verlassen. Ich hatte bemerkt, dass sie mit dem ganzen Druck, dass wir jeden Moment auffliegen konnten, einfach nicht auf Dauer klar kam und außerdem wollte ich nicht, dass sie wegen mir ihr Leben hier aufgeben musste. Wie ich schon sagte, ziemlich kitschig und für viele Menschen vermutlich nicht nachvollziehbar, aber ich würde es trotzdem tun. Um das Ganze noch ein bisschen altmodischer zu machen, hatte ich sogar einen Abschiedsbrief geschrieben. Naja, Brief war vielleicht etwas übertrieben, Abschiedsnotiz würde besser passen, denn ich hatte nur in ein paar Zeilen meine Gründe geschildert und ihr für ihre Hilfe gedankt. Den Zettel legte ich auf mein Kopfkissen, in der Hoffnung, dass Haley ihn dort schnell finden würde.
Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick durch das Zimmer, welches in den letzten Wochen zu meinem Zuhause geworden war, schweifen. Ich würde es vermissen, soviel stand fest; das gemütliche Bett, den blauen Schrank, bei dessen Anblick ich immer lächeln musste, und den flauschigen Teppich. Aber jetzt hatte ich mich einmal entschieden und musste das auch durchziehen, also öffnete ich leise das einzige Fenster in diesem Raum und ließ vorsichtig meine Tasche, in der ich ein paar Klamotten, den gefälschten Ausweis, ein paar Lebensmittel und etwas Geld hatte, zu Boden schweben. Bis dort runter waren es ca.2 Meter, das würde ein harter Aufprall werden. Ich stellte mich auf das Fensterbrett, holte tief Luft und....tat gar nichts. Mal wieder war ich zu feige, dabei waren 2m eigentlich echt nicht hoch. Okay, bei drei springe ich....eins....zwei....dreiiiiiiiiiiii. Mit einem leisen Schrie fiel ich und landete auf dem harten Asphalt. Stöhnend versuchte ich aufzustehen; ich hatte zwar versucht mich abzurollen um den Aufprall abzufangen, aber die Betonung lag eben auf versucht. Das würde ich noch ein bisschen üben müssen, aber immerhin hatte ich mir, soweit ich das einschätzen konnte, nichts gebrochen und das war ja schonmal etwas. Mir tat zwar alles weh, aber ein gebrochener Knochen würde vermutlich noch mehr schmerzen, also konnte ich erstmal beruhigt sein. Warum ich eigentlich aus dem Fenster gesprungen war, anstatt die Tür zu nehmen? Schwere Frage, wahrscheinlich wollte ich einfach verhindern, dass Haley mich doch noch überreden könnte nicht zu gehen.
Traurig schnappte ich mir meine Tasche und machte mich, entschlossen nicht zurück zu sehen, auf den Weg in einen neuen Abschnitt meines Lebens. Eigentlich müsste ich mir überlegen, wo ich die nächsten Tage schlafen könnte, doch daran wollte ich im Moment nicht denken; vermutlich war in irgendeiner Seitengasse noch ein Plätzchen zwischen den anderen Obdachlosen, die mir hin und wieder über den Weg gelaufen waren, frei.
Mein Plan war es aus New York raus zukommen und den Wald zu erreichen. Ich hoffte jedenfalls, dass es irgendwo in der Nähe einen gab, andernfalls müsste ich mir wohl eine Alternative einfallen lassen. Das einzige Problem war, dass ich nicht kämpfen konnte. Sollte mich irgendjemand oder irgendetwas angreifen, könnte ich höchstens auf meine telekinetischen Kräfte zurückgreifen, die ich aber auch nicht sonderlich gut beherrschte. Natürlich würde ich noch mehr als genug Gelegenheiten haben um diese zu trainieren, aber wirklich scharf darauf zu testen, ob ich sie auch wenn mich ein Rudel Wölfe oder sowas angriff, einsetzen konnte, war ich nicht.
Allmählich schienen auch die anderen Menschen sich auf den Weg zur Arbeit, zum Einkaufen oder zu einer Freizeitbeschäftigung zu machen, jedenfalls füllten sich die, bis gerade eben leeren, Straßen. Jetzt war ich zumindest nicht mehr ganz allein unterwegs, es war schon ziemlich beunruhigend als einziger Mensch durch die Stadt zu laufen.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt