37.Kapitel

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"Ich fasse es mal als Kompliment auf, dass Sie so viele Männer mitbringen um mich gefangen zu nehmen." Zugegeben, das war wahrscheinlich nicht die schlechteste Idee gewesen. Immerhin hatte ich es geschafft sieben anzuschießen und dank der Betäubungsmunition außer Gefecht zu setzen. Wenn die anderen nicht so schnell bei mir gewesen wären, hätte ich garantiert noch mehr getroffen, stattdessen konnte ich lediglich jemanden mit meinem Messer verletzen, meine Gefangennahme jedoch nicht verhindern. Unglücklicherweise war der Typ vor mir auch nicht sonderlich gesprächig, sondern reagierte auf meine beiläufigen Kommentare nur mit einem abschätzigen Seitenblick. Gut, dann versuchte ich mein Glück eben bei jemand anderem. Neben mir lief ein unscheinbarer Junge, vermutlich zwei bis drei Jahre älter als ich. Er starrte mich immer, wenn er dachte, dass ich es nicht bemerkte, an. Wahrscheinlich überlegte er, warum ein solcher Aufwand nur wegen einem zierlichen Mädchen, das auf den ersten Blick nicht mal gegen einen dieser Typen ankommen würde, betrieben wurde. Er traute mir nicht zu, zu kämpfen, besser ging's ja gar nicht. Als er erneut zu mir sah, lächelte ich ihn vorsichtig an. "Darf ich dich was fragen?" Das Siezen ließ ich gleich weg, es passte einfach nicht. Offenbar erstaunt, dass ich ihn meinte, wurden seine Augen noch größer. Das werte ich dann mal als ja. "Also...was macht ihr jetzt mit mir? Bringt ihr mich wieder zurück zu Newton?" Natürlich würden sie das, warum fragte ich überhaupt? Und da der Junge noch immer keinen Ton herausbrachte, hätte ich mir das wohl auch sparen können. Seufzend wandte ich mich ab, vermutlich wurde ihnen verboten mit mir zu sprechen.
"Ähm" Überrascht drehte ich den Kopf wieder nach links; der Typ konnte wohl doch reden. "vorest wirst du noch hier bleiben, bis der Innenminister dich abholt." Großartig, dann war zumindest noch nicht alles verloren. Nach kurzem Überlegen stolperte ich absichtlich gegen ihn und murmelte ein leises "Danke" als er mich festhielt, bis ich das Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Mit gefesselten Händen hatte ich zwar eh keine Chance mir meine Flucht zu erkämpfen, aber das war auch nicht mein Ziel. Ich wollte testen, wie die anderen Bewaffneten reagieren würden. Anscheinend hatten sie mir tatsächlich abgekauft, dass ich versehentlich gestolpert war, denn sie würdigten die ganze Aktion höchstens mit einem kurzen Blick. Das würde ich mir irgendwann noch zu nutze machen und einem von ihnen seine Waffe oder ein Messer klauen, doch vorerst verfolgte ich eine andere Taktik. Wenn ich den Jungen neben mir dazu bringen konnte mich als ungefährlich einzustufen, könnte das eine Flucht deutlich erleichtern. "Wie heißt du eigentlich?", fragte ich neugierig. "Eric." "Also, Eric, ich hoffe mal das ist jetzt nicht irgendwie unhöflich oder so, aber könntest du vielleicht solange wir hier sind bei mir bleiben? Die anderen Männer machen mir irgendwie Angst", murmelte ich und starrte scheinbar unsicher auf meine Füße. "Ähm ja, äh denke schon." Er war rot geworden und fummelte nervös an seinem Gewehr rum. Der Junge brauchte definitiv eine Freundin, wenn das so weiterging, fing er noch an zu sabbern sobald ich ihn ansah. Dabei war ich doch die Verlobte seines Chefs, das ging ja mal überhaupt nicht. Trotzdem würde sein Verhalten mir nützlich sein, also strahlte ich ihn dankbar an. "Das ist echt total lieb von dir, ich..." Der Anführer meiner Eskorte unterbrach mich indem er ein paar Mal gegen die Tür des Überwachungsraums klopfte. Stirnrunzelnd beobachtete ich, wie sie sich öffnete und ein Mann mit auffälligen Tatoos am rechten Arm heraustrat. Die beiden besprachen irgendetwas, während ich die ineinander verschlungen Muster betrachtete. Abgesehen von einem Vogel mit ausgebreiteten Schwingen konnte ich nichts genaues erkennen. Ob es wohl etwas Besonderes zu bedeuten hatte? Während meinen Überlegungen war das Objekt meiner Neugierde näher gekommen und baute sich mit verschränkten Armen vor mir auf. Ich löste meinen Blick von dem Tatoo und zog fragend eine Augenbraue nach oben. Hatte ich irgendetwas im Gesicht oder warum starrte der mich so an?
"Du bist also das Mädchen, das Newton die ganze Zeit an der Nase herumführt. Ich weiß nicht, irgendwie hatte ich etwas anderes erwartet." Er grinste mich hämisch an. Ich wüsste ja nur zu gerne, was er erwartet hatte, zumal er doch garantiert ein Bild von mir gesehen haben musste. Andernfalls hätten er und seine Männer ja schlecht wissen können wer ich war. "Zugegeben, hübsch bist du ja. Trotzdem verstehe ich nicht, warum er so versessen auf dich ist." Seine nachdenkliche Musterung ließ mich unwillkürlich einen Schritt zurückweichen, irgendetwas in der Art wie er mich ansah bereitete mir Unbehagen. "Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit", versuchte ich meine Angst zu überspielen. Ziemlich erfolglos wahrscheinlich, doch einfach nur dastehen und nichts tun wollte ich auch nicht.
"Kleine Planänderung; wir warten nur noch eine halbe Stunde, ich will nicht riskieren, dass hier plötzlich doch noch jemand mit neu erwachten Heldenmut auftaucht",sagte er zu jemanden hinter sich. Jetzt wusste ich, was mich an seinem Blick so störte. Er starrte mich an, als wäre ich ein Kaninchen und er ein Wolf; und das dumme Kaninchen konnte nicht mal wegrennen. Fröstelnd drehte ich mich wieder zu Eric, während der gruselige Typ irgendwelche Befehle gab. "Könntest du vielleicht meine Fesseln abmachen?" Stirnrunzelnd sah er zwischen mir und seinem Vorgesetzten hin und her. "Ich weiß nicht..." "Bitte! Ich kann doch jetzt sowieso nicht mehr abhauen, aber es tut so weh", flehte ich ihn an. In Wirklichkeit wollte ich nur die Hände frei haben um mich gegen mögliche Angriffe zu wehren, aber das musste er ja nicht wissen. Nach kurzem Zögern und mehreren bettelnden Blicken meinerseits zog er tatsächlich sein Messer und schnitt das Seil durch. Erleichtert schüttelte ich unauffällig meine Hände aus, an dieses Gefühl würde ich mich wohl nie gewöhnen. Ich wollte mich gerade bei Eric bedanken, als ich wieder diesen widerlichen Blick spürte. Schnell drehte ich mich herum und prallte fast gegen den Verursacher meines Unbehagens. Ein grausames Lächeln lag auf seinen Lippen, während er mich wieder von Kopf bis Fuß musterte als würde er mir gedanklich die Kleider vom Leib reißen. "Ich denke bevor wir hier verschwinden, können wir uns auch noch ein bisschen vergnügen, nicht wahr Männer?" Ein zustimmendes Grölen war die Antwort und ich erbleichte. Die wollten doch nicht wirklich... Hilfesuchend sah ich Eric an, der jedoch nur beschämt meinem Blick auswich. Von ihm würde also keine Rettung kommen, hätte ich mir ja denken können. Inzwischen hatte sich ein Kreis aus ungefähr 40 Männern um mich gebildet, die mich alle mehr oder weniger lüstern anstarrten. Komm schon, Damon, allmählich bräuchte ich echt Hilfe. Erschrocken sprang ich zurück um einem beherzten Griff auszuweichen, landete stattdessen jedoch nur in der Reichweite der Männer hinter mir. Panisch schlug und trat ich um mich; vergebens, gegen so eine Überzahl hatte ich keine Chance. Ein paar der Angreifer konnte ich mir zwar mittels Telekinese vom Leib halten, doch das würde ich nicht ewig durchhalten. "DAMON!!", schrie ich schließlich verzweifelt. Er konnte das doch unmöglich noch nicht mitbekommen haben, oder? Unzählige Hände rissen an mir, inzwischen schrie ich ununterbrochen, doch das schien sie nicht zu stören.
"Genug." Eine ruhige Stimme ließ plötzlich alle erstarren; selbst ich hörte überrascht auf mich zu wehren und zu schreien. Der Mann mit dem Tatoo stand noch immer in der Mitte des, inzwischen ziemlich unförmigen, Kreises. Auf ein Zeichen von ihm schubste mich schließlich irgendjemand wieder zu ihm. Erleichtert zumindest vorerst wieder etwas Platz zu haben blinzelte ich die aufkommenden Tränen weg. Nur nicht vor ihm heulen, bloß das nicht. Grinsend überbrückte er den letzten Rest Entfernung zwischen uns, während mich einer seiner Männer festhielt um zu verhindern, dass ich mich wehren konnte. Angespannt versuchte ich das aufkommende Zittern zu unterdrücken, als er eine Hand nach mir ausstreckte. Ich wimmerte leise und schloß meine Augen. Das musste ein Albtraum sein, es musste einfach. Und wenn ich die Augen wieder öffnete, war alles ganz normal.
"Hey, Toni" Mein zukünftiger Vergewaltiger erstarrte und ich schlug hoffnungsvoll die Augen auf. "Pfoten weg von meiner Freundin." Damon stand urplötzlich neben uns und riss diesen Toni von mir weg.
"Noch später ging's wohl nicht?", murmelte ich vorwurfsvoll. "Nein. Ich wurde aufgehalten, entschuldige." Jetzt konnte ich die Tränen doch nicht mehr zurück halten, heute war wirklich ein Scheißtag. Um uns herum herrschte bereits ein unüberschaubares Chaos, ich konnte nicht erkennen, ob unsere Leute oder die anderen den Kampf gewinnen würden. Damon war auch schon wieder ins Getümmel verschwunden, er hätte mich wenigstens schnell hier weg bringen können. Ein Stöhnen hinter mir ließ mich herumfahren; dieser widerliche Toni richtete sich langsam auf und starrte mich an. Er hatte eine große Platzwunde über dem linken Ohr, stürzte sich aber mit einer überraschenden Geschicklichkeit auf mich. In diesem Moment löste ein anderes Gefühl meine Verzweiflung und Angst ab: pure Wut. Und diese verlieh mir neue Kräfte, ohne zu zögern wehrte ich Toni ab und startete einen Gegenangriff.

"Was machen wir jetzt? Ich meine, wenn Newton weiß, wo sich unser Versteck befindet, können wir doch nicht hier bleiben, oder?", fragend sah ich die anderen an. Nachdem alle Eindringlinge gefasst worden waren, hatte Christina eine Art Krisensitzung einberufen. Abgesehen von Damon waren noch Liz, als Vertreterin der Ärzte, Clara, für die Wissenschaftler, Colin und vier mir unbekannte Männer und Frauen anwesend. Umso überraschter war ich, dass ich ebenfalls dabei sein sollte. Immerhin war ich gerade mal seit drei Monaten ein Mitglied der Rebellen und hatte noch nicht mal meine Ausbildung abgeschlossen.
"Es gibt mehrere Ersatzlager, da könnten wir hingehen", sagte eine der anderen Frauen. Ihre Augen waren das faszinierendste an ihr, sie hatten eine seltsame Farbe, fast schon pink. Ich fragte mich, ob das Kontaktlinsen waren. "Ich würde sagen, dass wir vorerst noch abwarten. Möglicherweise informiert Newton die Regierung doch nicht und mit seinen Leuten werden wir fertig." Colins Blick huschte zu Christina, doch sie zeigte keinerlei Reaktion auf seinen Vorschlag. "Sehe ich ganz genauso. Abgesehen davon sollten wir sie ihm überlassen, dann verschwendet er keinen Gedanken mehr an uns", mischte sich ein blondiertes Mädchen ein. Das war definitiv nicht ihre Naturhaarfarbe. Aber was oder besser wen meinte sie überhaupt mit...oh. Mich, wen auch sonst.
"Antrag abgelehnt." Damon starrte sie wütend an. "Wir liefern niemanden aus. Schon gar nicht Lola."
"Und warum ausgerechnet sie nicht?" Das fragte ich mich auch gerade. "Weil wir jede hervorragende Kämpferin brauchen und du gehörst leider nicht dazu, Laura." Eine Soldatin, die in Tränen ausbrach, weil sie jemanden erschossen hatte. Ja, Damon, ich würde garantiert noch sehr nützlich sein. "Das ist nicht deine Entscheidung", sagte der Mann gegenüber von mir. Unsicher schielte ich zu Christina, die die Diskussion interessiert beobachtete. Würde sie eingreifen, wenn nötig? Immerhin hatte sie mir erst vor ein paar Stunden gesagt, dass sie mich nicht Newton überlassen würden.
"Doch, ist es. Ich habe sie hierher gebracht und bin für sie verantwortlich. Wenn du sie ausliefern willst, musst du erst an mir vorbei." Angriffslustig funkelte Damon den anderen Mann an. "Wie wäre es, wenn wir einfach abstimmen." Clara hatte mal wieder den vernünftigsten Vorschlag gemacht; jedenfalls dann, wenn die Abstimmung nicht gerade ergab, dass ich doch zu Newton musste. In dem Fall wäre es eine ziemlich blöde Idee. "Darf ich auch abstimmen?", fragte ich zögerlich. Immerhin ging es hier um meine Zukunft, da wollte ich zumindest ein kleines Mitspracherecht. "Klar darfst du." "Darf sie nicht." "Uns fehlt sowieso ein Ratsmitglied, also darf sie." Damit war die Sache für Damon erledigt. "Wer ist dafür, dass wir Lola nicht an Newton abgeben?", sagte er und hob seine Hand. Obwohl ich mir dabei ziemlich blöd vorkam, tat ich das selbe und wartete auf die anderen. "Ich natürlich." Liz. "Ich auch." Clara und Colin antworteten beinahe gleichzeitig. Damit waren wir bei fünf von zehn, die Hälfte. Unsicher starrte ich die anderen an; mindestens eine Stimme brauchten wir noch, sonst hätte ich ein Problem. Schließlich retteten Christina und die Frau mit den pinken Augen mich.
"Sieben von zehn sind dafür, damit ist das Thema beendet. Lola bleibt hier. Wenn wir uns dann vielleicht wieder dem größeren Problem zuwenden könnten?" Auffordernd sah Damon jeden einzelnen an. "Entweder wir evakuieren sofort das ganze Lager oder wir warten noch." Musste ich den Sinn verstehen? Ich konnte keinen Unterschied zwischen den beiden Möglichkeiten erkennen. Entweder wir wurden früher oder später geschnappt, ich persönlich war ja für später. "Was würde es uns bringen zu warten?", traute ich mich schließlich zu fragen. Die meisten sahen mich an, als wäre die Antwort völlig klar, doch ich vermutete, dass mir kaum jemand eine vernünftige Erklärung liefern könnte. Außer Christina vielleicht, die mir als einzige antwortete. "Wir leben seit mehreren Jahren hier, keines der anderen Lager ist auch nur halbwegs so gut ausgerüstet. Dort haben wir in der Regel nur unzureichende Sicherheitsanlagen, die ganzen Wissenschaftslabore und ordentliche Mittel zur Krankenversorgung fehlen ebenfalls. Es wäre ein Fehler das alles einfach so aufzugeben, solange wir noch nicht wissen, was Newton plant. Abgesehen davon erfordert eine so große Umsiedlung mindestens mehrere Wochen Planung, wenn alles reibungslos funktionieren soll."
"Also warten wir; leben hier weiter als ob nichts gewesen wäre und hoffen, dass uns niemand angreift." Der Mann, der mich unbedingt ausliefern wollte, schien von dieser Idee nicht sonderlich begeistert zu sein, wagte aber keinen direkten Einspruch. "Nicht ganz. Wir müssen die Zugänge stärker bewachen und generell das gesamte Sicherheitsnetz verstärken. Regelmäßig sollten einzelne Auskundschafter versuchen mehr über Newtons Pläne zu erfahren, wir müssen mehr Waffen und medizinische Mittel besorgen. Kurz: wir bereiten uns auf einen bevorstehenden Krieg vor."

So Leutchens, damit sind wir auch schon am Ende - meiner vorgeschriebenen Kapitel. Ab jetzt kommt nicht mehr täglich ein Update. Ich versuche es wöchentlich, aber mit dreimal bis halb 4 und zweimal bis um 2 ist mein Stundenplan nicht gerade leer. Und dann gibts jetzt in der 11. ja auch noch so schöne Dinge wie Klausuren, Vorträge, Projekte, die Seminarfacharbeit und den ganzen anderen Mist, also wird's wohl eher alle zwei bis drei Wochen ein neues Kapitel geben. Bleibt flauschig ;D.

Caeth-Die Rebellen || #Wattys2015Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt