Die Last der Vergangenheit

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Sicht von Nuri:

Gerade als ich mich von dem gewaltigen Angriff wieder fangen wollte, sah ich Yoru, wie sie durch die enorme Anstrengung reglos am Boden lag. Panik überkam mich, als ich sah, wie ihre Atemzüge flach und unregelmäßig waren. Mit einem entschlossenen Schritt eilte ich zu ihr und kniete mich neben sie. Ihre Haut war bleich, und ihre Energie schien fast vollständig erschöpft zu sein.

Ich schloss kurz die Augen und konzentrierte mich. „Feuer der Heilung“, und ich konzentrierte mich auf die heilende Aura, die sich um Yoru legte. Die Wärme meines Feuers drang durch ihre Wunden. Langsam begann sich die bleiche Farbe aus ihrem Gesicht zu verziehen, als ihre Atemzüge stabiler wurden. Noah kämpfte sich unter dem Baum hervor und mit letzter Kraft zu uns. Er sackte ebenfalls zusammen und wurde ohnmächtig. Mit einem kurzen, entschlossenen Blick auf Yoru, die sich nun ein wenig erholt hatte, erhob ich mich und ging zu Noah. Die Kälte in seinem Körper war immer noch spürbar, aber ich wusste, dass ich ihn nicht ignorieren konnte. Mit der letzten Kraft, die ich aufbringen konnte, legte ich meine Hände auf seinen Körper und begann ebenfalls, ihn zu heilen. Das Feuer, das ich einsetzte, war schwächer als zuvor, aber ich hoffte, dass es ausreichen würde.

Als meine Arbeit getan war, legte ich Noah und Nuri unter einen großen Baum und ich saß etwas weiter entfernt von den Bäumen. Meine Gedanken wanderten zurück zu dem Kampf und deren Folgen. Der Kampf zwischen Noah und mir hatte nicht nur körperliche, sondern auch emotionale und psychologische Spuren hinterlassen. Der Kampf hatte Yoru an den Rand ihrer Kräfte gebracht und Noahs Zorn entfesselt. Ein Gefühl der Erschöpfung und des Versagens lag schwer auf mir.

Hallo“ hörte ich eine leise Stimme hinter mir und drehte mich um. Es war Fiametta, die Freundin von Yoru. Fiametta trat aus dem Schatten der Bäume und sah mich mit einer Mischung aus Besorgnis und Entschlossenheit an. „Was ist passiert?“, fragte sie mich besorgt, während sie sich neben mich setzte. Ich seufzte und sah auf die beiden reglosen Körper vor mir – Yoru, die sich langsam von der Erschöpfung erholte, und Noah, dessen Körper noch immer von der Kälte und Erschöpfung gezeichnet war. „Es ist eine lange Geschichte, Fiametta. Noah misstraute mir und dadurch kam es zu einem Kampf, den wir nicht hätten führen sollen.“ Fiametta nickte und blickte dann schließlich zu den beiden herüber und dann wieder zu mir. „Sind sie dennoch so weit in Ordnung?“

„Ja, sie sind beide nur erschöpft und wurden verletzt. Aber sie werden sich wieder erholen“, antwortete ich und versuchte, meine eigene Erschöpfung zu verbergen. Fiametta nickte verstehend, obwohl Tränen in ihren Augen schimmerten. „Wenn ich nur hier gewesen wäre“, sagte sie, ihre Stimme zitterte. „Vielleicht hätte ich etwas tun können, um das zu verhindern.“ Ich lehnte mich an den Baum und schaute zu den Sternen. „Es gibt viele Dinge, die wir uns vorwerfen können. Was passiert, ist passiert. Und wer weiß, vielleicht hätte dies niemand verhindern können … Ja, so wird es sein …“

~Flashback vor 7 Jahren~
Angekettet lag ich auf dem Rücken, meine Gelenke schmerzten von den kalten Metallfesseln, die mich fixierten und tief in meine Haut schnitten. Die Erinnerungen an die Wissenschaftler und die Experimente flammten wieder auf, jede Folter, jede Qual, die sie mir angetan hatten, um ihre verdrehten Ziele zu erreichen. Die Wissenschaftler hatten mich benutzt, um ihre eigenen Ziele zu erreichen, ohne Rücksicht auf Wohlbefinden oder Menschlichkeit.

Generation 5 der Nachtschwarzen“, hörte ich eine kalte, emotionslose Stimme neben mir sagen. Die Stimme gehörte einem der Wissenschaftler, der stets in seinen grauen Laborkittel gehüllt war und keine Spur von Empathie zeigte. „Du hast dich nicht gut geschlagen Nummer 5. Dein Test war bis jetzt nicht erfolgreich. Wie enttäuschend.“

Das Klicken der Schritte des Wissenschaftlers hallte durch den Raum, während er um mich herumging. Die Kälte der metallischen Vorrichtungen, die mich umgaben, schien sich bis in meine Knochen zu bohren. Ich konnte kaum noch unterscheiden, was Realität und was Halluzination war. „Aber es ist ein Wunder, dass du noch lebst. Im Gegensatz zu den anderen Testobjekten“, fuhr der Wissenschaftler fort. „Ein Wunder“, murmelte ich, während ich versuchte, meine Verzweiflung in Schach zu halten. „Welches Wunder kann aus so viel Schmerz und Qual hervorgehen?“

Der Wissenschaftler ignorierte mich und klapperte stattdessen mit den Instrumenten auf dem Tisch neben mir und murmelte: „Aber wir haben noch weitere Tests für dich. Die Ergebnisse werden uns dann zeigen, ob du das Potenzial hast, die 5 Generation der Nachtschwarzen zu werden.“ Der Wissenschaftler wandte sich von mir ab und nahm einen riesigen, komplizierten Apparat in die Hand, der in der Ecke des Raumes lag. Mein Herz raste, als ich den Apparat sah und eine grausame Vorahnung beschlich mich. „Was sind das für Tests?“, fragte ich heiser. „Wozu dienen sie?“ Der Wissenschaftler blickte mich mit einer Mischung aus Verachtung und Desinteresse an. „Das ist nicht deine Sorge, Nummer 5. Deine Aufgabe ist es, zu bestehen oder zu scheitern. Das Ergebnis ist für uns von geringem Interesse, solange wir die nötigen Daten erhalten. Du bist lediglich ein Werkzeug in diesem Experiment. Wir müssen nur sicherstellen, dass die richtigen die fünfte Generation der Nachtschwarzen werden.“

Die Worte des Wissenschaftlers brannten sich in mein Gedächtnis ein. Sie waren wie eine düstere Prophezeiung meiner Zukunft. Der Apparat wurde nun an mich angeschlossen, und ich konnte nur tatenlos zusehen, wie die kalte, mechanische Kälte mich umhüllte.

Der Schmerz, der durch den Apparat erzeugt wurde, war unvorstellbar. Jeder Muskel in meinem Körper schrie vor Qual, als der Apparat begann, seine grausame Arbeit zu verrichten. Die Schmerzen, die durch meine Adern schossen, schienen jeden Teil meines Körpers zu durchdringen und brachten mich an die äußerste Grenze meiner Belastbarkeit. Die starren Metallfesseln schnitten noch tiefer in mein Fleisch, und die kühle Luft des Raumes schien jede Wärme aus meinem Körper zu säugen. Inmitten des unaufhörlichen Schmerzes begann mein Verstand zu taumeln. Die Schreie, die ich nicht mehr unterdrücken konnte, hallten durch den Raum und vermischten sich mit den monotonen Geräuschen der Maschinen. Die kalte, emotionslose Stimme des Wissenschaftlers entfernte sich immer weiter, während ich in einem Meer aus Schmerz und Verzweiflung unterzugehen drohte. Sekunden zogen sich zu Minuten und Minuten zogen sich wie Stunden hin, und die Folter schien kein Ende zu nehmen.
~Flashback Ende~

Die Erinnerungen an diese entsetzliche Vergangenheit rissen mich jedes Mal aufs Neue aus der Gegenwart, und ich fühlte, wie die alten Narben auf meiner Seele wieder zu bluten begannen. „Nuri, hey … bist du noch bei mir?“ Fiamettas Stimme zog mich zurück in die Realität. Ihre Augen waren voller Mitgefühl und Sorge. Ich nickte langsam und versuchte, den Schatten der Vergangenheit abzuschütteln. „Ja, es tut mir leid. Es ist nur … manchmal holen mich die Erinnerungen ein“, antwortete ich mit einem gezwungenen Lächeln. Doch in meinem Inneren tobten die Qualen der Vergangenheit.

Fiametta legte sanft eine Hand auf meine Schulter. „Du bist stark, Nuri. Aber dennoch, wenn du reden möchtest, bin ich immer für dich da“, sagte sie leise, während sie mir in die Augen sah. Ihre Wärme und Mitgefühl schafften es, einen Teil der Last von meinen Schultern zu nehmen, auch wenn es nur für einen Moment war. Ich nickte dankbar, konnte jedoch keine Worte finden, um meine Dankbarkeit auszudrücken. „Es ist nett von dir, aber weißt du, ich bin es gewohnt, alleine zu sein. Schon für lange Zeit bin ich das“, fügte ich hinzu und spürte, wie die Müdigkeit schwer auf meinen Schultern lastete.

Jetzt aber nicht mehr, wenn du Hilfe brauchst, reden möchtest oder irgendwas anderes ist, rede ruhig mit mir, ich werde immer für dich da sein. Und glaub mir, über Probleme zu reden hilft“, sagte Fiametta, ihre Stimme voller Ernsthaftigkeit. Ein Moment der Stille trat ein, in dem ich ihre Worte nachklingen ließ. Vielleicht hatte sie recht. Vielleicht war es bald an der Zeit, meine innere Mauer bröckeln zu lassen und jemanden an mich heranzulassen. Doch das war leichter gesagt als getan. „Danke, Fiametta“, murmelte ich schließlich. „Aber es gibt Dinge, die ich lieber verborgen halte. Dinge, die ich am liebsten nie erlebt hätte und auch keinen Wünschen.“ Meine Stimme brach, als die Erinnerungen an vergangene Zeiten wieder an die Oberfläche kamen.

Sanft drückte sich Fiametta an meine Schulter und sah mich mitfühlend an. „Ich verstehe“, sagte sie leise. „Aber denk daran, dass das Teilen von Lasten oft den Schmerz lindert. Du musst nicht alles alleine tragen, Nuri. Ich bin hier, wenn du bereit bist, zu reden.“ Fiametta saß schweigend neben mir, und die ruhige Nachtluft umhüllte uns. Ich konnte die Sorgen und das Mitgefühl in ihren Augen sehen, aber auch die Entschlossenheit, mir beizustehen. Vielleicht war sie tatsächlich die Unterstützung, die ich brauchte, auch wenn ich es mir selbst noch nicht eingestehen wollte.

Wir blieben dicht beieinander sitzen und schliefen irgendwann unter dem funkelnden Sternenhimmel ein.

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