Kapitel 18

2.4K 136 32
                                    

Natürlich mache ich mir Sorgen, dass seine Wunde erneut aufgehen könnte oder dass etwas in der Art passiert, doch bei seinem fröhlichem Geschichtsausdruck kann ich das einfach nicht sagen. Die Bedenken schiebe ich in die hinterste Ecke meines Bewusstseins, um einen klaren Kopf zu bewahren, und lasse mich von Legolas durch den Gang und die riesige Halle führen. "Da seid ihr endlich! Wir dachten schon, dass wir euch nie wieder sehen.", höre ich Lanwës Stimme und erkenne, dass er an Nessas Seite auf die vielen Stufen vor uns zu steuert. Als Legolas und ich die Stufen hinabsteigen, bemerke ich, dass er sich verkrampft, dabei jedoch versucht es der Öffentlichkeit nicht zu zeigen. "Ist alles in Ordnung?", frage ich so leise, dass nur er mich hören kann, während ich meinen Blick auf den Boden vor mir richte. "Es geht wieder.", antwortet er mir ebenso leise, aber unglaubwürdig. Seufzend gehe ich weiter und bleibe an seiner Seite vor dem Elbenpaar stehen. "Habt ihr das jetzt geregelt?", fragt Nessa vorsichtig, während Lanwë es anscheinend nur mühevoll schafft diese Situation nicht zu kommentieren. "Ja, alles ist wieder gut.", sage ich schnell, um vom Thema abzulenken, "Wir wollten uns die Stadt ansehen, möchtet ihr mitkommen?" Als die beiden zustimmen, sehen wir uns die Stadt der Menschen an. Jeder von ihnen mustert uns misstrauisch, einige der älteren erzählen von Gruselgeschichten, in denen die Elben den Menschen angeblich etwas angetan haben sollen, während sie ihre Blicke nicht von uns abwenden. Kleine Kinder laufen spielend an uns vorbei und wir hören die Rufe einiger Mütter. Hier und dort gibt es ein kleines Gasthaus und es laufen jetzt schon, am späten Nachmittag, ein paar betrunkene Männer herum. Überall sind die Menschen beschäftigt und widmen sich ihrer Arbeit. Ein kleines Mädchen mit blonden, schulterlangen Haaren, dunkelblauen, strahlenden Augen und rosanen Wangen bleibt vor Legolas stehen und fragt ihn mit ihrer hohen Stimme "Wer bist du?" Wir alle bleiben stehen und sehen Legolas erwartend an. Er kniet sich nieder und antwortet ihr "Mein Name ist Legolas. Und wer bist du, wenn ich fragen darf?" "Ich mag deinen Namen. Meiner ist Leandra.", antwortet sie und strahlt. "Ich mag deinen Namen auch. Warum ist denn so ein kleines, hübsches Mädchen wie du alleine unterwegs?", fragt er, woraufhin sie empört sagt "Ich bin nicht klein!" Schnell stellt sie sich auf die Zehenspitzen und sieht ihm selbstbewusst entgegen. "Entschuldige, bitte.", meint er mit ernster Stimme. Gespannt sehe ich dem kleinen Mädchen und Legolas zu, doch ihr Gespräch wird wenig später unterbrochen, als die Mutter des Kindes zu uns kommt, sich entschuldigt und mit ihrer Tochter an der Hand zu einem der Häuser zurück geht. Lächelnd steht Legolas wieder auf und wir gehen weiter. "Der Herzensbrecher hat wieder zugeschlagen.", sagt Lanwë nur Sekunden später und bringt Nessa und Legolas zum lachen, ich dagegen lächle nur vor mich hin. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hat es mich beeindruckt, wie er mit der kleinen umgegangen ist. ~Er hätte ja auch anders reagieren können. Sie ignorieren, aber er hat mit ihr geredet..~ Etwas später sind wir mit der Besichtigung der Stadt fertig und ein kleiner, neugieriger Junge wollte mit uns allen reden, doch sein großer Bruder, zumindest vermute ich das, hat ihn weggezerrt. Auf dem Rückweg zur großen Halle stellt Nessa eine bedeutende Frage "Wann werden wir wieder aufbrechen?" Erwartend sehe ich Legolas und Lanwë an und warte darauf, dass sie antworten. "Wie wäre es mit Morgen? Sobald die Sonne aufgegangen ist.", schlägt Lanwë uns vor. Mir wäre es zwar lieber, wenn wir schon heute aufbrechen könnten, aber wer weiß, wofür sie sich entscheiden werden. Nach einer kleinen Diskussion, beschließen wir auch Morgen aufzubrechen, allerdings noch während der Nacht. Da wir dies nun geklärt haben, setzen wir unseren Weg in Richtung der großen Halle fort. Wir sind gerade alle in ein Gespräch vertieft, als uns drei Wachen entgegenkommen. Der mittlere von ihnen spricht "Legolas Grünblatt. König Éomer wünscht Euch zu sprechen." Und schon gehen sie ohne auf eine Antwort zu warten zurück. "Was glaubst du, worüber er mit dir reden möchte?", fragt Lanwë den vorhin angesprochenen Elb, welcher seine Frage nicht beantworten kann. Schnell machen wir uns auf den Weg und bleiben vor den Stufen stehen, während Legolas sie erklimmt und nach einem Nicken der Wachen in die Halle eintritt. "Und was machen wir jetzt?", fragt uns Lanwë, dem ganz offensichtlich langweilig ist. Weder ich noch Nessa haben eine Idee, also machen wir es uns auf den Stufen bequem und warten darauf, dass der Prinz aus dem Gespräch mit dem König entlassen wird. Es sind gerade Mal wenige Minuten vergangen, als ein wütender Legolas den Vorbau der Halle betritt und die Treppen hinunter rauscht. "Wir ziehen weiter. Jetzt.", meint er nur knapp. "Aber warum denn?", kommt meine Frage als erstes, doch er ist vermutlich nicht bereit sie mir zu beantworten. "Eve. Nessa. bitte geht doch schon mal und holt unsere Sachen. Bei den Stallungen treffen wir uns wieder.", sagt Lanwë an uns gerichtet und wendet sich wieder Legolas zu. Wortlos tun wir das, was Lanwë uns gesagt hat. Wir sind in Legolas' Raum gegangen und haben dort nach Gegenständen gesucht, die wir mitnehmen. Ich tausche das rote Hemd gegen meine mittlerweile fast komplett trockene, sandfarbene Bluse, schnalle mir meine Klinge um und hebe Legolas' Waffen auf, um sie ihm zu bringen. Nessa trägt den Bogen und Köcher von Lanwë und gemeinsam machen wir uns auf den Weg zu den Stallungen, die wir etwas später finden, doch sie sind noch nicht da. "Sollen wir sie suchen oder warten?", fragt mich Nessa einige Sekunden später. "Ich denke wir sollten warten. Immerhin hat uns Lanwë bestimmt nicht ohne Grund weggeschickt. Hast du gesehen, wie wütend er war?", erwiedere ich in Sorge darauf. "Oh ja. Ich frage mich nur, was genau der König zu ihm gesagt hat. Sonst ist der doch immer ruhig gewesen und das in jeder Situation.", sagt sie mir. "Es muss wohl etwas sehr schlimmes gewesen sein..", meine ich ein wenig nachdenklich. Dann schweigen wir, jede geht ihren eigenen Gedanken nach, solange bis die beiden Elbenherren vor uns auftauchen. "Vielen Dank.", bedankt sich Lanwë bei seiner Geliebten und ergreift seine Waffe, während Legolas seine wortlos von mir annimmt. Besorgt beobachte ich ihn dabei, wie er sich seine Waffen umschnallt. "Wir werden ohne unsere Pferde weiterziehen. Der König erlaubt uns nicht, dass wir sie wieder mitnehmen.", erklärt Legolas uns knapp und sieht einmal in die Runde. Ungläubig sehe ich ihm entgegen. ~Was erlaubt dieser König sich eigentlich?~ "Er kann uns doch nicht die Pferde nehmen!", entgegne ich empört über das Verhalten des Menschen. "Wie du siehst, kann er das sehr wohl.", meint er dagegen bloß mit einer emotionslosen Stimme, wie ich sie von ihm noch nie gehört habe. Irgendwie verletzt und erschrocken sehe ich zu Boden und verschränke meine Hände hinter meinem Rücken. "Seid ihr dann alle soweit?", fragt er, als wäre nichts gewesen. Keiner wiederspricht ihm, also geht er los und wir folgen ihm. Auf dem Weg zum Tor von Edoras sehen wir noch einmal das kleine, blonde Mädchen, welches uns zum Abschied winkt. Ich zwinge mir ein Lächeln auf und winke ihr schüchtern zurück. Dann verlassen wir die Menschenstadt und gehen immer weiter auf dem Boden des Ödlandes Rohans. Einen Tag nach dem anderen verbringen wir damit durch die Mark zu irren und nach dem Nebelgebirge Ausschau zu halten.
Eine Woche später machen wir endlich mal eine richtige, lange Pause und lassen uns bei einer schützenden Felsformation nieder. Mit Legolas habe ich seid dem kaum geredet, was mich immer stärker mitnimmt. ~Habe ich etwas falsches gesagt oder getan?~ Bald würde die Nacht über das Land hereinbrechen und der sichelförmige Mond zu sehen sein. ~Wieder wird ein Fest gefeiert..~ Nessa und Lanwë entschuldigen sich bei uns und verschwinden kurz darauf. Ich kann sie ja auch verstehen, sie wollen bestimmt auch etwas Zeit für sich. Und jetzt sitze ich hier alleine mit dem Elben, der mich die ganze Zeit über anschweigt. ~Ich habe doch noch mein Buch!~ Ich krame in meinem Beutel herum und ertaste schließlich mein geliebtes Buch. Sehensüchtig beginne ich darin zu lesen und widme meine Gedanken letzten Endes meiner Mutter. Ich lege das Buch auf meinem Schoß ab und sehe in die Richtung des Himmels. ~Ich vermisse dich, Naneth.. Warum kannst du jetzt nicht hier bei mir sein? Dann wäre so einiges einfacher..~ Ich konzentriere mich wieder auf meine Umgebung. Als sich mein Blick auf Legolas richtet, stelle ich fest, dass er auf mein Buch sieht. "Du hast mir ja noch immer nicht gesagt, wovon es handelt.", meint er mit seiner ruhigen Stimme. Ein wenig verwundert beginne ich ihm davon erzählen. Vollkommen in meinem Element setze ich mich wenig später neben ihn und zeige ihm auch einige Notizen, die meine Mutter vor einiger Zeit gemacht hatte, wobei mir erstmal nicht auffällt das sich unsere Schultern und Oberarme berühren. Lächelnd hört er meinem Vortrag zu und sieht sich sogar mit mir die kleinen Zeichnungen, von denen es einige gibt, an, die ich ihm dann erkläre. ~Wie sehr habe ich das hier vermisst...~ Irgendwann fehlen auch mir die Worte und das Elbenpaar ist noch immer nicht zurück gekehrt. Die Sonne beginnt zum Grund des Horizontes zu wandern und sendet ihre letzten Strahlen aus. ~Hmh.. Worüber kann ich jetzt mit ihm reden...~ "Werden wir eigentlich noch lange brauchen bis wir das Nebelgebirge erreicht haben?", stelle ich diese Frage, in der Hoffnung ein Gespräch aufbauen zu können. "Ich denke, dass wir in der nächsten Woche schon die Umrisse der Gebirgskette sehen können, wenn nicht sogar früher.", antwortet er mir. Er will gerade den Mund öffnen, vermutlich um noch etwas zu sagen, doch Nessa und Lanwë stoßen wieder zu uns. Hastig und mit geröteten Wangen packe ich mein Buch wieder ein und rücke ein Stück von ihm weg. "Und wann brechen wir wieder auf?", möchte Nessa wissen, wobei sie fragwürdig von mir zu Legolas und wieder zurück sieht. "Wir wollten nämlich während der Nacht weiter.", fügt Lanwë nach einigen Sekunden des Schweigens hinzu. "Ich hätte nichts dagegen.", melde ich mich leise zu Wort. "Und wie lange sollen wir noch rasten?", fragt dieses Mal Legolas. Nach kurzen Überlegungen schlägt Lanwë eine halbe Stunde vor und wir geben alle unsere Zustimmung ab. Nach einigen Minuten verschwindet Nessa nach draußen und ballt ihre Hand, während sie aufsteht, zu einer Faust. Unser Zeichen. Wenn die eine mit der anderen reden möchte, tun wir das. Wenige Sekunden später stehe ich wortlos auf und verlasse die schützende Felsformation, um Nessa zu suchen. "Hier bin ich.", erschreckt sie mich durch ihr Flüstern. "Nessa! Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du sowas nicht mehr machen sollst?", frage ich sie ein wenig geschockt, meine es allerdings nicht sonderlich ernst. "Nicht oft genug anscheinend.", erwiedert sie belustigt und fügt mit aufgeregter Stimme hinzu "Ich habe mit Lanwë geredet und herausgefunden, warum Legolas so aufgebracht war oder ist."

Ich liebe dich doch LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt