Kapitel 32

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"Eve, geht es dir gut?", nur mit Mühe ist die Stimme des Elben im Nachbarzimmer zu hören. "Ja, mir geht es gut.", versuche ich ihn davon zu überzeugen, auch wenn es nicht ganz der Wahrheit entspricht. Ich erhebe mich langsam von dem Bett, stehe auf und gehe auf den Holzstuhl zu, den ich dann vor das dritte, hässliche Portrait stelle. Ich lege so viel Verachtung in meinen Blick, als ich mir sein Gesicht genauer ansehe. Er sieht noch nicht einmal wie ein richtiger Elb aus, selbst wenn er einer ist, vermute ich dass er irgendwie auch von den Menschen oder den Dúnedains des Südens abstammt: Anders als die Elben hat er einen leichten Bart unter dem Mund und an den Kieferknochen entlang bis zum Ansatz der Ohren. Seine Augen sind grau und zeigen mit Ausnahme von Arroganz nichts. Er ist so groß wie ich, vielleicht ein oder zwei Zentimeter größer und hat außerdem noch pechschwarze, glatte, fast hüftlange Haare. In Zantánara, dem Fürstentum dessen Thronfolger er einst war, ist es üblich, dass die Adligen und Nachfahren der Königsfamilien immer oder oft sehr lange Haare haben. So zeigen sie, dass königliches oder adliges Blut durch ihre Adern fließt, während die armen Männer und Frauen nur kurze Haare tragen durften, die nicht länger als die Schultern sind. Bei einem eintägigen Besuch in Zantánara, wurde mir diese Regelung bekannt. Ich hielt mich nahe der Grenze zu Nalaran auf, um bei Gefahren schnell in unsere Heimat zurückkehren zu können. Zantánara war teilweise von den Nalaradhrim abhängig, da wir einen Teil des Waldes besaßen und das Wüstenland versorgten. Die Wirtschaft zu retten war ein Grund dafür, dass ich ihn heiraten sollte. ~Niemals werde ich solch einen Großkotz heiraten!~ Ich nehme das Bild von der Wand und blicke kurz darauf in das Sorgen offenbarende Gesicht des Prinzen. "Es geht mir wirklich gut.", wiederhole ich mich erneut leise, während ich das Bild auf den Boden stelle, sodass der Rahmen an der Wand lehnt, und den Holzstuhl von vorhin leise zum Fenster stelle. "Ich habe gehört worüber ihr geredet habt.. Ich kann einfach nicht verstehen, wie er noch immer an diesem alten Vorurteil festhalten kann, dass man Frauen als eine niedere Rasse behandeln soll.. ", murmelt er etwas nachdenklich vor sich hin, doch dann blitzt der Schmerz in seinen Augen auf und Legolas senkt seinen Blick. ~Woran er jetzt wohl denkt..?~ "Ist alles gut? Ich sehe, dass da etwas nicht stimmt.", frage ich dann vorsichtig nach. "Es.. Es ist nicht wichtig. Wir sollten uns lieber überlegen, wie wir hier rauskommen und Nessa und Lanwë retten können.", versucht er von dem Thema abzulenken, doch ich lasse mich nicht davon beirren. "Bitte. Kannst du mir eine Antwort geben..? Oder willst du nicht darüber reden..?", hake ich nach. Er schüttelt zögernd den Kopf "Ein anderes Mal vielleicht. In einer weniger auswegslosen Situation." Zufrieden nicke ich und murmel ein leises "Sieh mich an, bitte." Noch niedergeschlagen sieht er dann in meine Augen. Es bricht mir das Herz ihn in dieser Situation zu sehen und es kommt in mir das Bedürfnis auf ihn zu umarmen. "Wo sollen wir denn hin wenn wir hier raus und frei sind? Setzen wir dann unsere Reise fort?", ich versuche ihn von dem schelchten Gedanken abzulenken und lächle dann leicht. Er scheint zu überlegen ehe er mir antwortet "Ich denke schon, dass wir die Reise fortsetzen sollten. Gondor wird dir gefallen. Elessar, auch Aragorn genannt, ist der Herrscher der vereinigten Königreiche Gondor und Arnor. Er ist auch ein guter Freund von mir, den ich seid 4 Jahren nicht mehr gesehen habe." Beeindruckt von seiner Antwort und kurzen Erzählung sehe ich ihn bloß an bis ich das mir soeben erzählte verarbeitet habe und etwas darauf erwiedern kann "Der König gehört zu deinem Freundeskreis..?" Ich habe mir gedacht, dass er vielleicht einen oder zwei Könige kennengelernt hat, immerhin ist er auch ein Prinz, allerdings hätte ich nicht gedacht dass er mit einem befreundet wäre. Er nickt bloß und erzählt mir dann von den Abenteuern, die zur Zeitalterwende geführt haben. Von der Versammlung, hier in Bruchtal, und von dem Marsch duch den Pass des Charadras, der jedoch nicht sicher war. Es scheinen Stunden zu vergehen, in denen er mir von den Kämpfen und Abenteuern erzählt, doch auch diese schöne Zeit endet leider. Ein Klopfen an der Tür zu seinem Zimmer unterbricht seine Erzählung. Flüchtig sehen wir uns an, ehe er zu einem kleinen Bett geht und sich darauf setzt, während ich hastig das Bild auf den Nagel hänge. Ich will wissen wer dort hineinkommt, also verharren ich ruhig auf dem Stuhl und lausche angestrengt. ~Wie konnte Legolas mich hören? Ich muss mich anstrengen, um etwas mit zu bekommen, doch er scheint keine Probleme damit zu haben..~ Kaum hörbare Schritte auf dem Boden nähern sich dem hinteren Bereich des Zimmers. "Wie geht es dir?", die Stimme sorgt für eine Gänsehaut auf meinen Unterarmen. Alagos spricht mit solch einer Gleichgültigkeit in der Stimme, dass ich das Bedürfnis dazu habe ihn augenblicklich anzuschrein. "Redet nicht mit mir, als wäre ich ein Freund von Euch, wenn es nicht stimmt.", erwiedert Legolas dann kalt darauf. Dann herrscht ein Schweigen, eines von der unangenehmen Art, die Ruhe vor dem Sturm. "Was wollt Ihr hier?", höre ich den blonden Elben nach einer gefühlten Ewigkeit fragen. "Nun ja.. Ihr könnt Euch bestimmt denken, dass es um Eve geht.. Ich will mit Euch verhandeln." Meine Augen weiten sich vor Schreck und ich versuche angestrengter als vorher noch so viel wie möglich von ihrem Gespräch zu verstehen. "Habt Ihr über mein Angebot nachgedacht? Wie viel Gold verlangt Ihr, damit Ihr sie in Ruhe lasst und wir gehen können?", fragt der Prinz hoffnungsvoll nach und ich bemerke, dass er aufgestanden ist. "Ich habe darüber nachgedacht. Und ich verlange kein Gold von Euch. Nicht ein Stück." Verwundert und überrascht lausche ich dem weiteren Verlauf der Unterhaltung. Legolas scheint auch überrascht zu sein, jedoch offenbart er es nicht vor ihm "Dann könnt Ihr uns auch frei lassen." Alagos beginnt leise zu lachen, was ihn einige Sekunden lang wie einen Psychopathen dastehen lässt, und spricht dann mit einer ungewöhnlich tiefen Stimme "Ich dachte, dass Ihr schlauer seid.. Ich werde Euch ein Angebot machen und ihr stimmt mir zu oder lehnt im schlimmsten Fall ab.", auf seine Worte hin herrscht ein Sekunden langes Schweigen, bevor er dann endlich fort fährt, "Überlässt mir Eve, nur für einen Tag, und ich werde Euch frei lassen." Wieder sagt keiner ein Wort. Die Situation ist sehr angespannt und ein einziges Wort hätte dafür sorgen können, dass es zwischen den beiden eskaliert. "Was schwebt Euch im Sinne mit ihr zu tun?", fragt Legolas dann misstrauisch und bedrohlich leise. Ich würde darauf wetten, dass Alagos nun grinsend vor ihm steht. Meine Vermutung bestätigt sich, als ich höre dass Alagos schmerzhaft stöhnend auf dem Boden fällt. "Denk nicht einmal daran ihr soetwas wiederliches anzutun!", droht er ihm noch, bevor die Tür aufschwingt und mit einem lauten Knall mit der Wand zusammenstößt. Nun kann ich hören wie auf der anderen Seite der Raumabgrenzung gekämpft wird. In Sorge um Legolas schiebe ich das Portrait ein Stück nach rechts, um danach etwas schockierendes zu sehen. Ich lege erschrocken eine Hand vor meinen Mund, als ich Legolas dort kniend erblicke, dem eine Klinge an den Hals gehalten wird. Alagos wird von zwei Wachen gestützt, von denen er sich allerdings losreißt und auf den Düsterwaldelb zugeht. "Du wirst sie nicht beschützen können!", schreit er ihn an. Dann wendet sich sein Kopf langsam in meine Richtung. Mein Puls rast, mein Herz schlägt so schnell wie es schon lange nicht mehr getan hat und ich habe das Gefühl, dass sich meine Atmung beschleunigt. Im nächsten Moment sehe ich ihn etwas zu einer der Wachen flüstern und danach sich zum Prinzen zuwenden. ~Bitte lasst ihn mich nicht gesehen haben!~ Binnen Sekunden habe ich den Stuhl zurück gestellt und mich auf mein Bett unter die Decke gelegt, damit es so aussieht, als ob ich schlafen würde. Im nächsten Moment geht die Tür auch schon auf, allerdings wird sie leise und vorsichtig geöffnet. Ich höre angestrengt auf Schritte oder die Atmung der Person, die ich eindeutig für einen Mann halte, auf irgenetwas, das ihn verraten könnte, aber er bewegt sich lautlos. Dann nehme ich allerdings seine Präsenz neben dem Bett wahr und drücke mit etwas Kraftaufwand meine Augenlieder aufeinander. Unfähig zu denken hoffe ich bloß, dass Alagos nicht neben mir steht und mich mit seinem Vorhaben überfällt. Langsam zieht jemand die Decke von mir, weshalb ich ein Wimmern unterdrücken muss. ~Wenn ich nicht reagiere, lässt er mich vielleicht in Ruhe..~ Ich habe tatsächlich Angst davor, dass Alagos seinen Plan nun durchführen kann. In meinem Kopf spielen sich schon die schlimmsten Szenerien ab, wobei ich jedoch mit aller Macht hoffe, dass sie nicht wahr werden würden. Es fällt mir sehr schwer mich zu kontrollieren, als eine Hand von meiner Schulter hinab zu meinen Handgelenken streicht. Die feinen, hautfarbigen Härchen auf meinen Armen stellen sich auf und verraten mich somit leider. "Steh auf, Weibsstück. Dein Gebieter erwartet dich.", die raue Stimme des Elben ist nahe an meinem Ohr zu hören und entfehrnt sich schnell wieder. Zuserst bin ich mir nicht sicher, ob ich wirklich aufstehen und mich ergeben sollte oder ob ich mich so lange und ausdauernd wehren soll, wie ich kann. "Wirst du wohl aufstehen oder willst du erstmal Schmerzen spüren, wie Vieh, das nicht gehorcht?! Immer diese sturen, dummen Weiber! Nie könnt ihr mal das tun, was von euch verlangt wird!", nun bin ich diejenige, die angeschrien wird. "Nenn mich nicht dumm.", warne ich ihn leise, richte mich auf und stehe mit schlecht gelaunter Miene auf. ~Immer diese arroganten Egosisten! Diskriminierend nennt man sowas!~ Er mustert mich noch einmal mit einem arroganten und egoistischen Gesichtsausdruck bevor er mir stumm deutet vor ihm her zu gehen. Ganz wohl fühle ich mich nicht, aber ich muss es wohl oder übel tun. Nach wenigen Schritten lassen wir meinen Gefangenenraum hinter uns und ich spüre keine Sekunde später auch schon seinen Arm um meine Taille. Vollkommen überrumpelt und erschrocken versuche ich mich augenblicklich aus dem Griff zu lösen, was ich aber sofort aufgebe, als er folgendes in mein Ohr zischt "Wehr dich, nur zu, wenn du willst dass deinem Liebsten etwas passiert dann versuchs ruhig weiter." ~Sie wissen, dass Legolas mein Schwachpunkt ist und nutzen das aus..~ "Na geht doch.", sagt er zufrieden, als ich aufhöre mich gegen seine mir sehr unangenehme Nähe zu wehren. "Werdet ihr ihn in Ruhe lassen, wenn ich mich nicht mehr wehre...?", frage ich dann noch ganz leise bevor er seine Hand auf die Klinke legen kann. Er scheint überrascht zu sein, als er sich zu mir umdreht. Ich erschrecke mich ein wenig, als ich realisiere, dass es Cáven ist, der mich aus meinem Gefangenenraum geholt hat. "Du liebst ihn sehr.. Hab ich Recht?", aus seiner Stimme ist die Verletzung deutlich heraus zuhören. "Ja.", antworte ich wahrheitsgemäß und sehe an ihm vorbei und auf eine Karte die sich auf der Wand befindet. ~Nalaran..~

Ich liebe dich doch LegolasWo Geschichten leben. Entdecke jetzt