𝐊 𝐀 𝐏 𝐈 𝐓 𝐄 𝐋 𝟏 𝟖

258 20 2
                                    

M     I     N     H     O
______

OFFENBAR SCHIEN ETWAS nicht mit meiner Arbeit in Ordnung gewesen zu sein, denn nach etwa einer Woche seit unserem letzten Treffen — wo er mich fast zu einem Outing über so viele Dinge gezwungen hatte — lud mich Dongho wieder zu sich ein. Ich ging nicht einmal davon aus, dass es sich dabei tatsächlich um sein Zuhause handelte. Für einen so gefürchteten Drogenboss wäre es doch niemals eine schlaue Idee, seinen Arbeitern und wahrscheinlich auch einigen seiner Kunden einfach so seinen Wohnsitz zu zeigen.

Allerdings könnte es mich auch nicht weniger interessieren — vielleicht war es sogar besser, wenn ich so geringe Informationen wie nur möglich über ihn hatte. Dabei kannte der Typ bestimmt mein ganzes Leben auswendig, und das verängstigte mich.

Ich betrat den Flur der Wohnung und wartete ungeduldig vor der Tür, nachdem ich geklopft hatte. Die Hoffnung, dass es einfach nur ein neuer Auftrag war, verschwand mit jeder Sekunde immer weiter. Denn ich war zu sehr damit beschäftigt, überhaupt nicht beschäftigt zu sein. Ich ließ das Training sausen, meldete mich bei niemandem, verkaufte nichts und ließ das Leben an mir vorbeiziehen.

Es hatte aber auch nicht wirklich jemanden interessiert, denn auch niemand meldete sich bei mir zurück. Nicht Felix oder Hyunjin, noch meine Mutter oder einer der Kunden.

Ja, sogar Jisung hatte mir seit fast einer Woche nicht mehr geschrieben. Wobei ich da auch gestehen musste, dass ich ihm nicht mehr geantwortet hatte. Ich konnte es nicht. An diesem Abend füllten sich so viele Emotionen in mein Herz hinein, dass es mich in eine Art Trance versetzte, in der es mir unmöglich war, irgendwie Kontakt zur Außenwelt zu knüpfen.

Um Depressionen musste ich mir da auch keine Sorgen machen. Ich bin als Kind oft genug bei Therapeuten und Ärzten gewesen, da meine Eltern es für eine gute Entscheidung hielten, nachdem ich so eine Menge an Streits ihrerseits mitbekommen hatte. Das war typisch für sie — lieber schauen, ob das Kind einen Knacks weg hat, anstatt an sich selbst zu arbeiten. Wahrscheinlich auch, weil sie realisierten, dass es dafür schon viel zu spät war.

Die Tür öffnete sich in einem Ruck vor meiner Nase und ich wich erschrocken ein Stück zurück, versuchte aber mein Pokerface zu behalten. Ich konnte und durfte jetzt nicht schuldig aussehen, auch wenn ich mehr als offensichtlich etwas falsch gemacht hatte.

Denn eigentlich erwartete ich, dass einer von seinen muskelbepackten Bodyguards mir die Tür öffnen würde, aber es war Dongho höchstpersönlich. Was für eine Ehre.

»Minho, mein Junge«, lachte er auf und hielt die Arme offen, nachdem die Zigarette mit seinen zusammengepressten Lippen festhielt. Er wartete nicht auf eine Umarmung, er spielte mir nur seine Freude vor, damit sich meine Nervosität senken könnte. Damit er mir erst die heile Welt zeigen konnte, nur um mir dann das eigentliche Problem offenzulegen. Komm schon, tu es.

»Komm rein, komm rein!«, rief er und winkte mich in seine Wohnung hinein. Weiterhin stumm bleibend folgte ich seinen Anweisungen, steckte meine Hände in die Taschen meiner Jacke und beäugte meine Umgebung. Dongho folgte mir genauso mit seinen Blicken, und weiter durch den Flur hindurch erkannte ich seine Gefolgsleute, welche ihm wortwörtlich den Rücken stärkten.

»Wieso bin ich hier?«, fragte ich direkt hinaus und sah wieder zurück zu meinem Boss. Dieser schloss die Tür wieder und nahm einen weiteren Zug von seiner Zigarette, dessen Rauch er mir ins Gesicht pustete. Ein erneutes Lachen seinerseits und er schüttelte den Kopf. Die subtile Verachtung in jedem Laut, den er von sich gab, war wieder kaum zu überhören.

𝗙𝗔𝗞𝗘 | 𝖬𝖨𝖭𝖲𝖴𝖭𝖦Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt