Unser nächster Besuch in Hogsmeade verlief längst nicht so schön wie die ersten. Wir stapften gerade lachend zur Heulenden Hütte hinauf, als wir Ron entdeckten. Eine zweite Spur im Schlamm ließ mich erahnen, dass auch Harry hier war. Dieser verdammt Tarnumhang, manchmal würde ich das Teil gerne in Brand stecken. Draco begann, Ron zu sticheln und ich sah mich wachsam um. Gerade noch rechtzeitig duckte ich mich vor einer Ladung Schlamm, die mit lautem Flatsch in Dracos blondem Haar landete. Es stank furchtbar. Auch Crabbe und Goyle wurden getroffen. Kurz danach erschien urplötzlich Harrys Kopf mitten in der Luft und allein mein Gesichtsausdruck ließ ihn umdrehen und zum Honigtopf zurück rennen. Ich wusste von dem Geheimgang, er hatte es mir erzählt. Und von dieser Karte, die alles und jeden im Schloss zeigte. Als ob er damit hätte leben können, dass ich eine Erlaubnis für Hogsmeade hatte und er nicht – guter Witz. Ron folgte Harry fast auf dem Fuße, immer noch lachend.
"Kommt, wir gehen zurück, ihr braucht dringend eine Dusche", meinte Blaise trocken und sah den Weg hinunter und dann mich an. Ich rollte nur mit den Augen. Das war ihm für den Moment Antwort genug, das mit dem Umhang konnte ich ihm auch später noch erklären.
Ich saß des Nachmittags in der Großen Halle und versuchte meinen Aufsatz für Alte Runen fertig zu bekommen. Ich brütete gerade über einem Wort, das sich einfach nicht entschlüsseln lassen wollte, als mir jemand auf die Schulter tippte. Ich hob den Kopf und sah in meine grünen Augen, die mich hinter runden Brillengläsern ansahen.
„Was gibt's Bruderherz?", fragte ich und lehnte mich zurück.
„Lupin gibt uns Anti – Dementor Unterricht. Ich hab ihn gefragt", erzählte er aufgeregt.
„Super, wann?"
„Donnerstag um acht, im Klassenzimmer für Geschichte der Zauberei"
„Ich werde da sein"
Und das war ich auch. Lupin hatte als Dementor-Ersatz einen Irrwicht aufgetrieben, doch das stellte uns noch immer vor ein kleines Problem.
„Ähm, Professor", sagte ich, „wenn sie die Kiste für mich öffnen, wird da kein Dementor sein"
Erstaunt und neugierig sah Lupin mich an.
„Lassen wir es auf einen Versuch ankommen", sagte er und öffnete die Kiste. Mit einem lauten Scheppern sah ich mich vor einem über mannshohen Spiegel stehen, der entfernt Ähnlichkeit mit dem Spiegel Nerhegeb hatte, den mein Bruder mir vor Jahren gezeigt hatte. Ich sah nicht hinein, sondern auf Lupin. Ich wollte das jetzt nicht sehen.
„Sehen Sie", sagte ich, während Lupin den Irrwicht erst mal wieder in die Kiste verpackte. Er schwebte als eine Art Kugel vor ihm in der Luft, diese sah fast wie eine Kristallkugel aus.
„Nun, das könnte in der Tat ein kleines Problem werden", stellte Lupin fest.
„Nein", sagte Harry hinter mir entschlossen. „Das wird kein Problem werden. Lea und ich treten dann eben immer so vor den Irrwicht, dass er sich auf mich fixiert und dann zaubern wir gleichzeitig!"
„Bist du dir da sicher, Harry?", fragte Lupin besorgt. Ich sagte nichts. Ich war Harry einfach nur dankbar für seinen Einfall und seinen Sturkopf. Sachte und ungesehen drückte ich seine Hand. Das schräge Lächeln erwiderte ich ebenfalls. Schließlich gab Lupin nach.
Wir übten den Zauber zuerst trocken. Ich dachte an den Moment, in dem ich das erste Mal meinen Besen bestiegen hatte. Ich war so frei gewesen, glücklich, das sollte doch reichen, oder? Ein helles silbernes Gebilde wuchs aus meinem Zauberstab. Auch bei Harry geschah etwas. Begeistert sahen wir beide uns an.
Dennoch ging der erste Versuch komplett schief und auch der zweite verlief nicht viel besser. Ich half Harry geschickt mit jener Kraft wieder auf die Beine, die ich Weihnachten in mir entdeckt hatte. Ich hatte gemerkt, dass ich andere damit heilen, ihnen damit aber auch furchtbar wehtun konnte. Und der Pfau tat mir immer noch nicht Leid. So langsam gewöhnte ich mich an das Monster, an das, was ich war. Je mehr ich es akzeptierte und befreite, desto weniger Anfälle bekam ich. Je mehr ich übte und versuchte, desto stärker wurde ich, gefährlicher.
Lupin sagte nichts zu dem, was ich tat. Er interessierte sich jedes Mal unwahrscheinlich für seinen Umhang und die Schokolade, die er uns zusätzlich gab. Ich fiel immerhin nicht in Ohnmacht, wenn ich vor einem Dementor stand, nicht mehr. Dennoch ging ich in die Knie und war genervt davon. Auch Harry sagte nichts zu dem, was ich tat, doch seine großen Augen sagten auch genug.
Welche verdammte Erinnerung konnte denn glücklich genug sein? Ich zermarterte mir den Kopf. Schlussendlich kam mir ein Einfall, wenn das Gefühl, als ich zum ersten Mal Hogwarts erblickt hatte, das Gefühl endlich irgendwo hinzugehören, nicht ausreichte, dann war ich mit meinem Latein am Ende.
Diesmal gelang es uns beiden, ein silbriges Nebelschild heraufzubeschwören, doch besonders gut klappte das auch nicht. Immerhin standen wir aber dieses Mal noch. Wir einigten uns auf nächste Woche selbe Zeit, selber Ort und verließen das Klassenzimmer mit einer Tafel der besten Schokolade aus dem Honigtopf.
In der Nähe des Raumes setzten wir uns auf den Sockel einer Rüstung und aßen die Schokolade.
„Weißt du, wenn die Dementoren kommen, dann höre ich Schreie. Ich weiß, dass es Mutters Schreie sind. Sie schreit so laut, dass ich nichts anderes mehr hören kann", Harrys Stimme war leise und er sah mich nicht an. Ich schwieg und ließ ihn reden. „Seit dem Quidditchspiel höre ich auch Vater schreien und ich kann Voldemort lachen hören. Es ist ein grausames Lachen, das sich durch jede Faser meines Körpers zu fressen scheint", sachte nahm ich seine freie Hand und drückte sie. Er schluckte. „Das Schlimme ist, wenn dieses Lachen nicht wäre, würde ich freiwillig in die Nähe der Dementoren gehen. Ich würde gehen, weil ich dann unsere Eltern hören kann, das ist dumm, oder?"
„Sie sind tot, Harry. Ihre Stimmen zu hören macht sie nicht wieder lebendig, glaub mir. Wir haben Fotos von ihnen und andere Dinge. Das, was die Dementoren uns zeigen, brauchen wir nicht", sagte ich. Harry nickte und wischte sich Tränen aus den Augen.
„Du hast ja Recht Lea, entschuldige"
„Angenommen"
Er grinste schief und ich grinste zurück. Dann teilten wir uns den letzten Riegel Schokolade und ich machte mich auf den Weg zurück hinunter in die Kerker und in meinen Gemeinschaftsraum.
Das nächste Quidditch-Spiel hieß Gryffindor gegen Ravenclaw. Ich war für Gryffindor, wegen Harry. Wir hatten inzwischen einige Stunden bei Professor Lupin hinter uns und im Gegensatz zu ihm erschuf ich einen beinahe gestaltlichen Patronus allein mit meiner unbändigen Kraft. Harry war viel schlechter als ich und hatte dementsprechenden Bammel vor dem nächsten Spiel. Es war für ihn aber auch um einiges schwerer zu üben, denn nur sein Irrwicht war ein Dementor, somit musste er immer vor mir stehen, wenn ich den Zauber aussprach. Das schlauchte ihn schon ziemlich. Und auch wenn ich ihn wieder auf die Beine bekam, war auch meine Kraft nicht unbegrenzt.
Ich stand wie immer unten am Rand des Spielfeldes und sah zu. Hier unten war es einfach angenehmer als auf den Sitzen. Es war weniger voll und deutlich leiser, sodass ich die Kommentare gut verstehen konnte. Ich sah drei Kapuzenumhänge auf das Spielfeld laufen, das waren keine Dementoren, das waren Schüler und ich ahnte welche. Mit einem genervten Seufzen rollte ich mit den Augen – war das wirklich nötig? Harry ließ sich ablenken und schlug einen Patronus nach ihnen. Entfernt erinnerte er mich an einen Hirsch, wenn auch ein etwas unförmiger Hirsch mit verschieden großem Geweih. Erschreckt kippten die falschen Dementoren nach hinten um. Darunter zum Vorschein kamen Crabbe, Goyle, Flint, Draco und noch zwei andere Slytherins, deren Namen ich nicht wusste, aber sie waren seit neuestem in unserem Quidditchteam. Ich kicherte rückhaltlos über das Bild von Draco, der auf Crabbes Schultern gestanden hatte und nun nicht wieder aus dem Umhang kam. Bevor ich jedoch noch in diesen Streich mit reingezogen werden konnte, verzog ich mich lieber ganz vom Spielfeld und erwartete die Unruhestifter im Gemeinschaftsraum.
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Die vergessene Geschichte
FanfictionEleanor Lily Potter ist Harry Potters Zwilling. Doch für gewöhnlich spricht niemand über sie, die meisten wissen nicht einmal, dass sie existiert. Bei den Dursleys sind sie gleich, denn sie mögen beide nicht, doch sobald sie nach Hogwarts kommen, än...