Kapitel 6

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Ivy erwachte in ihrer kleinen, aber gemütlichen Wohnung. Der Raum war ein Spiegelbild ihrer Persönlichkeit: poppig, bunt und ein wenig chaotisch, mit einem Hauch von Vintage. Die Wände waren in einem sanften Pastellrosa und die Möbel waren eine Mischung aus Flohmarktfunden, die es ihr angetan hatten und einpaar Möbelstücken, die der vorherige Mieter hier gelassen hatte. Ein alter blauer Ohrensessel mit floralen Mustern stand in der Ecke, daneben ein abgenutzter, aber charmanter Beistelltisch mit einem Haufen Bücher und einem blühenden Kaktus. Ein Regal aus grob geschreinertem Holz beherbergte verschiedene Gläser und Flaschen mit getrockneten Kräutern und anderen Zutaten. 

An den Wänden hingen keine Poster, sondern sorgfältig gerahmte Bilder von Frauen, denen früher magische Kräfte nachgesagt wurden. Anne Boleyn, mit ihrem geheimnisvollen Blick, schien sie zu beobachten. Daneben Gemälde von Circe und Cassandra, beide mächtige Hexen der Antike. Die Bilder strahlten eine Aura von Macht und Weisheit aus, die Ivy jeden Tag inspirierte.

Ivy streckte sich und schüttelte die letzten Reste des Schlafes ab. Ihr Kopf schmerzte immer noch von dem gestrigen Sturz, eine Erinnerung an die turbulente Nacht. Sie setzte sich an ihren kleinen Altar, auf dem Kerzen, Kristalle und Figuren von Hekate thronten. Mit geschlossenen Augen sprach sie ein kurzes Morgengebet, dankte der Göttin für ihre Gaben und bat um Heilung für ihren schmerzenden Kopf.

Nachdem sie ihre Morgenmeditation beendet hatte, griff sie nach einer kleinen Tiegel mit heilender Salbe und trug sie sanft auf ihre Schläfen auf. Der beruhigende Duft von Lavendel und Kamille erfüllte die Luft, während die Salbe ihre schmerzstillende Wirkung entfaltete.

Sie war keine besonders gute Hexe, ihre Fähigkeiten waren nicht besonders stark. Aber Heilkräfte hatten ihr schon immer gelegen. Wenigstens eine Sache, die sie gut beherrschte, dachte sie als ihr Kopfschmerz verschwand und sie sich auf den Weg nach draußen machte.

Lucas hatte angekündigt, um 8 Uhr vor ihrem Haus zu warten, um ihr bei der Suche nach ihrer Tasche zu helfen. Ivy hatte jedoch nicht die Absicht gehabt, ihm heute zu begegnen. Sie verließ das Haus eine halbe Stunde früher, um ihm elegant aus dem Weg zu gehen. 

Doch zu ihrer Überraschung wartete Lucas bereits vor ihrer Tür. Er war komplett in schwarz gekleidet, trug eine schwarze Lederjacke, ein schlichtes motivloses Shirt und Jeans. Sein dichtes, hellbraunes Haar war leicht zerzaust und seine dunklen Augen funkelten amüsiert. Er lehnte lässig auf einem Motorrad. Die dunkelgrüne Maschine mit einem verchromten Finish war ein alter, aber gut gepflegter Klassiker, der nicht mehr hergestellt wurde. 

„Irgendwie wusste ich, dass du früher los willst," sagte er grinsend und warf ihr einen Helm zu.

Ivy fing den Helm etwas ungeschickt auf, sah ihn jedoch skeptisch an. „Ich denke nicht daran, auf dieses Ding zu steigen."

"Ich dachte, es ist besser als mein Fahrer... und schneller als der Bus.", konterte er.

„Im Bus hätte ich dich immerhin los," erwiderte sie trocken.

Lucas lachte. Ein tiefes, für Ivy ein unglaublich attraktives Lachen, dass ihr die Eingeweide zusammen zog. Lucas hob eine Augenbraue. „Das glaubst du wohl selbst nicht." Mit einem schnellen Handgriff zog er sie näher zu sich. "Ich weiß, du hältst mich für einen überheblichen, gutbetuchten..." Er suchte das richtige Wort.

"Idioten?", fragte sie.

"...Bonzen.", sagte er mit einem ermahnenden Blick.

„Das trifft es auch.", sie löst ihren Arm aus seinem Griff, doch Lucas zieht sie noch etwas näher zu sich. 

"Aber, wenn ich etwas will...", sagte er langsam, "kümmert es mich nicht, was für ein Bild das abgibt." Er griff nach dem Helm in ihrer Hand und zog ihn ihr über. „Komm, ich habe heute noch etwas vor." Ivy spürte einen Anflug von Ärger, doch gleichzeitig auch eine seltsame Aufregung. Widerwillig ließ sie sich auf das Motorrad ziehen und klammerte sich an Lucas fest. Der Motor heulte auf, und sie spürte die Vibrationen durch ihren Körper, als sie zusammen als er die Einfahrt Richtung Straße verließ.


Sie hatten eine Weile gesucht, bis sie die Tasche schließlich in einer Seitengasse in der Nähe des Pubs fanden. Das Geld, das Ivy dabei gehabt hatte, war verschwunden, aber immerhin lagen ihre Ausweispapiere achtlos auf den nassen Boden geworfen. Genauso wie das Tuch, mit dem sie Lucas verarztet hatte. Der Regen hatte es nahezu ausgewaschen, stellte Ivy enttäuscht fest. Sie würde damit nichts mehr anfangen können.

Lucas beobachtete sie und fragte misstrauisch: "Was hat das hier verloren?"

"Ich hatte es beim Rauchen dabei. Sie müssen es mir aus dem Gürtel gezogen und mitgenommen haben." Sie sah, wie Lucas sie längere Zeit nachdenklich musterte, bevor er das Tuch in seine Hosentasche steckte und nichts mehr dazu sagte.

Als er bemerkte, wie gründlich die Angreifer ihre Tasche durchwühlt hatten, schaute er sie ernst an. "Du solltest dir lieber eine andere Arbeit suchen, Ivy. Die Gegend hier und der Potion Pub sind einfach nicht sicher."

Ivy sah ihn verwirrt an. "Du kennst mich nicht. Warum interessiert dich das?"

"Weil ich keiner Frau das wünsche, was gestern passiert wäre, wenn ich nicht dagewesen wäre, Ivy," sagte Lucas besorgt.

"Aber mit dir bin ich das?", fragte sie höhnisch.

Als ahne er, worauf sie anspielte und als verletze ihn diese Frage in seinem Stolz, stellte er sich vor sie und beugte sich zu ihr rüber um sie besser sehen zu können. "Ich kann mich vielleicht in ein Tier verwandeln, aber das heißt noch lange nicht, dass ich eins bin.", sagte er wütend über ihre Frage. Er atmete tief durch. "Hör zu, wir sollten frühstücken gehen und alles besprechen, was gestern passiert ist... alles, was du gesehen hast."

Sie musste immer noch agieren, als wäre sie ein Mensch und keine Hexe, die genau wußte, wer er war. Also nickte sie langsam, unsicher wohin das führen würde.

Forbidden Desire: Alpha's GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt