Kapitel 5

186 23 0
                                    

Lucas beobachtete, wie seine Freunde und sein Großvater nach und nach das Krankenhaus verließen. Die Stille, die folgte, schien die Ereignisse der letzten Stunden noch intensiver zu machen. Er machte sich auf den Weg zurück zu Ivy's Zimmer. 

Die Tür öffnete sich, und Ivy stand vor ihm. Sie hatte ihre Lederjacke übergezogen und sah aus, als wäre sie bereit zu gehen. Ihre Augen waren leicht gerötet, wahrscheinlich von der Müdigkeit oder dem Schmerz, den sie durch die Verletzung verspürte. „Muss ich noch etwas unterschreiben?", fragte sie unsicher und blickte ihn erwartungsvoll an. „Ich würde gern gehen."

Lucas runzelte die Stirn. „Willst du nicht lieber hier bleiben, wegen der Kopfverletzung?"

„Nein, auf keinen Fall", erwiderte sie bestimmt. „Ich muss zum Pub und meine Tasche suchen. Vielleicht haben die Idioten sie irgendwo fallen lassen."

Er schüttelte den Kopf. „Es ist mitten in der Nacht, Ivy, der Pub hat längst zu. Lass mich dich heimfahren. Mein Fahrer wartet vor der Klinik. Ich kann dir morgen früh helfen, deine Tasche zu suchen."

Sie hob ihre Augenbraue. "Dein Fahrer?", sie schüttelte den Kopf, "Danke, ich ruf mir ein Uber..." 

"Das ist Blödsinn. Ich biete dir eine sichere Heimfahrt an. Und deine Tasche ist weg, wie willst du die Fahrt bezahlen?"

Sie beugte sich näher zu ihm vor. "Mit meinem Handy.", flüsterte sie, "Wir leben nicht im Mittelalter, weißt du. Nichts für ungut, aber ich möchte so wenig wie möglich mit deinen Leuten zu tun haben."

"Was meins du damit 'mit meinen Leuten'?", fragte er misstrauisch. 

"Du weißt schon.", sagte sie und lief an ihm vorbei, "Die gehobene Klasse."

Er lief ihr hinterher. "Ah verstehe. Du hältst mich für einen Schnösel, weil ich einen Fahrer habe..."

Sie lachte. "Nimm es nicht zu hart." Am Ausgang der Klinik blieb sie stehen und schloss ihre Jacke. Es regnete in Strömen, weswegen die Suche nach ihrer Handtasche wohl nicht mehr so attraktiv erschien. Sie suchte in ihrem Mobiltelefon nach der App.

"Das ist albern.", stellte Lucas fest, er baute sich vor ihr auf und griff das Telefon aus der Hand. "Hier steht ein Auto, das nur darauf wartet, dich an dein Ziel zu fahren, warum solltest du jemanden aus dem Bett holen um dich zu fahren?" Er steckte ihr Telefon ein und winkte kurz seinem Fahrer zu.

"Ich will mein Handy zurück.", zischte sie, als sie sah, wie er es in seine Hosentasche packte.

"Klar.", sagte er, "Sobald wir da sind."


Die Stille im Auto war erdrückend. Ivy saß steif neben Lucas, ihre Arme verschränkt und ihr Blick starr auf die vorbeiziehenden Lichter gerichtet. Die Spannung war fast greifbar, und Lucas konnte spüren, wie wenig sie seine Anwesenheit schätzte. Er hatte versucht, das Schweigen zu brechen, doch ihre knappen Antworten ließen keinen Raum für ein Gespräch. Die Reise schien endlos, und Lucas fragte sich, was sie so misstrauisch machte. Sie hatte eine Adresse bei Saint-Michel genannt. Es war nicht das sicherste Viertel in der Stadt. Die Gebäude wirkten etwas heruntergekommen, und die Straßen waren schlecht beleuchtet. Der Regen prasselte unaufhörlich auf das Dach des Wagens, während sie durch die dunklen Straßen fuhren.

Das Auto hielt vor einem kleinen Häuschen, das in mehrere Appartements aufgeteilt war. Ivy stieg aus, ohne ein weiteres Wort zu verlieren, und Lucas folgte ihr. Der Regen schüttete wie aus Kübeln, und innerhalb weniger Sekunden waren sie beide klatschnass. Ihre Haare klebten an ihren Gesichtern, und ihre Kleidung war durchnässt.

„Glaub nicht, dass ich dich reinbitte", sagte Ivy genervt und streckte die Hand aus. „Mein Telefon."

Lucas zögerte kurz, bevor er ihr Mobiltelefon aus seiner Tasche holte und es ihr in die Hand legte. Er betrachtete sie nachdenklich, seine Augen suchten ihren Blick. „Du hast mich gesehen, nicht wahr?... Als ich mich verwandelt habe?"

Ivy stockte. Ihre Hand umklammerte das Telefon fester, und sie wich seinem Blick aus. „Nein, was? Ich weiß nicht, was du meinst."

Lucas schüttelte langsam den Kopf. „Ich habe kurz geglaubt, dass du wirklich denkst, ein Wolf sei einfach so erschienen... aber du bist eine scharfsinnige Frau, soviel kann ich schon sagen. Du hast meine Verwandlung gesehen. Und du warst nicht überrascht. Und ich möchte wissen, wieso."

Ivy spürte, wie sich ihr Herzschlag beschleunigte. Die Feindseligkeit in ihrer Haltung wich einem Moment der Unsicherheit. Die Tropfen des Regens liefen ihr über das Gesicht, und sie wischte sie hastig weg. „Ich..." begann sie, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Wie konnte sie ihm erklären, dass sie mehr über seine Welt wusste, als sie zugeben wollte? Ihre Augen trafen seine, und sie sah die Entschlossenheit darin. Er würde nicht so leicht aufgeben.








Forbidden Desire: Alpha's GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt