Kapitel 33

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Lucas konnte nicht genau sagen, warum er es zugelassen hatte, doch als er Ivy vorschlug, das nächste Ziel ihrer kleinen Einkaufstour selbst auszusuchen, fand er sich plötzlich in einer kleinen Boutique im Kunstviertel der Stadt wieder. Der Laden war das komplette Gegenteil der  Boutique, die sie zuvor besucht hatten. Die Wände waren mit kleinen Kunstwerken bedeckt und die Kleiderständer waren überfüllt mit quirliger, bunter und rockiger Mode, handgemachten sowie Secondhand-Stücken. Es herrschte eine lebhafte, fast chaotische Atmosphäre, die in scharfem Kontrast zu der sterilen Eleganz des ersten Ladens stand.

Ivy schien sich sofort in dieser Umgebung wohler zu fühlen. Ihre Augen leuchteten auf, als sie die verschiedenen Kleidungsstücke durchstöberte, und Lucas konnte nicht anders, als sie aus dem Augenwinkel zu beobachten. Es dauerte keine zehn Minuten, bis sie eine Auswahl getroffen hatte, die eindeutig mehr nach Ivy aussah als die Stücke, die sie zuvor gekauft hatte. Eine Jeansshorts, dunkle Strumpfhosen, ein dunkelgrüner Cordrock mit kleinen Lederdetails, ein Rollkragenpullover und ein paar Basic-Tops landeten in ihrer Auswahl. Dazu kamen noch Socken mit Spitzenbesatz und eine Lederjacke, die perfekt zu ihrem Stil passte.

Lucas bedachte sie mit einem vorsichtigen Blick, während sie die Kleidung zur Kasse trug. Es war offensichtlich, dass Ivy hier aufblühte. Sie bewegte sich durch den Laden mit einer Leichtigkeit. Sie wirkte so... unbeschwert, als wäre sie allein. Es war eine seltsame, fast schmerzhafte Erkenntnis für ihn.

Er musste feststellen, dass er sie niemals in die strengen Strukturen stecken könnte, in denen seine Luna üblicherweise verkehren musste. Ivy war anders – sie war wie eine Wildblüte, die auf einer verlassenen Waldwiese wuchs, ungebändigt und frei, ganz im Gegensatz zu den perfekt gezüchteten Gardenien, die Alphas sich normalerweise als Gefährtinnen erwählten. Doch zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass ihm das nichts ausmachte. Mehr noch, er liebte ihren Stil, ihre freche Art, ihre farbenfrohen Nuancen. Es war, als ob sie genau das verkörperte, was ihm seit Jahren gefehlt hatte: Authentizität, Lebendigkeit, Freiheit.

Ihr Duft schien ihn seit einigen Tagen intensiver zu umhüllen, als hätte das Abfallen des Armbands, auch seine Gefühle für sie verstärkt. Es war verwirrend, beunruhigend sogar, wie stark diese Empfindungen in ihm aufwallten, wie er sich dabei ertappte ihren Anblick länger zu genießen, als es nötig war.

Er musste sich zusammenreißen. Jedes Mal, wenn diese Gefühle in ihm aufstiegen, zwang er sich, daran zu denken, wer sie wirklich war und was sie ihm angetan hatte. Sie war die Frau, die ihn verraten hatte, die ihm das genommen hatte, was für ihn als Alpha am wertvollsten war – seine Fähigkeit, sich frei zu verwandeln und damit seine wichtigste Verbindung zu seinem Rudel. Doch dann, in solchen Momenten wie jetzt, wenn er sie so sah, so natürlich, so unbeeindruckt von den Erwartungen, die die Welt an sie stellte, konnte er nicht anders, als sich zu fragen, wie es zwischen ihnen gewesen wäre, wenn er ihr damals seine Liebe gestanden hätte. Wenn sie ihn nicht verraten hätte.

Lucas holte tief Luft und versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Es war alles so verdammt kompliziert. Doch eines wusste er: Er konnte es sich nicht leisten, schwach zu werden.

♥ 

Ivy legte die Artikel auf den Tresen, und die Kassiererin, eine junge Frau mit dunklen Haaren und Tattoos auf ihren Händen, begann sie zügig zu kassieren und in eine Papiertasche zu verstauen. Es schien ein ganz normaler Moment zu sein, bis sich ihre Finger kurz bei der Übergabe der Tasche berührten.

In diesem Augenblick durchzuckte ein kleiner, aber merkbarer Blitz Ivy, als würde ein leichter Stromschlag durch ihren Körper gehen. Es war ein unauffälliges Phänomen, aber für Ivy hatte es eine tiefere Bedeutung. Sie riss überrascht die Augen auf und sah in das Gesicht der Kassiererin. Die Frau hatte einen ernsten Ausdruck angenommen und hob schnell den Zeigefinger an ihre Lippen, ein stummes Zeichen, dass Ivy schweigen sollte.

Forbidden Desire: Alpha's GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt