Kapitel 43

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Ivy hatte den ganzen Tag über niemanden gesehen – weder Lucas noch Jason oder den Rest seiner Familie. Das Rudel schien ausgeschwärmt zu sein. Die Stille im Haus, die Abwesenheit von Bewegung, hatte sie unruhig gemacht. Doch dann, als der Nachmittag sich in den Abend wandeln wollte, klopfte es leise an ihrer Tür. Boris trat ein, wie immer tadellos gekleidet, mit einem langen Kleidersack über dem Arm, den er mit der gewohnten Präzision in ihren Schrank hing.

„Wofür ist das?" fragte sie, als Boris seine Aufgabe erledigt hatte.

„Hat der Alpha das nicht erwähnt?" entgegnete Boris und musterte sie mit einem leicht mitleidigen Blick. „Er wünscht, dass Sie bei den Feierlichkeiten anwesend sind."

„Feierlichkeiten?" Ivy blinzelte überrascht. „Welchen Anlass gibt es zu feiern?"

„Das Rudel feiert heute den Geburtstag des Alphas. Alpha Lucas wird Sie um 19 Uhr abholen lassen," erklärte Boris ruhig, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt.

„Oh... ich wusste nicht, dass er heute..." Ivy verstummte. Ihr Kopf war plötzlich voller Gedanken. Warum hat er das nicht erwähnt? Es war so eigenartig. Er war ihr Gefährte und sie wusste nicht einmal, wann er Geburtstag hatte? Kein Wunder, dass er das Band lösen wollte – nicht zu vergessen, dass sie ihm seine Energie geraubt hatte, um sich in diese schreckliche, ätherische Gestalt zu verwandeln. Aber abgesehen davon... Sie hatten miteinander geschlafen und er fand es nicht einmal ansatzweise erwähnenswert, ihr zu sagen, dass heute sein Geburstag war? Etwas in ihr zog sich schmerzhaft zusammen, eine Verletzung, die sie nicht hatte kommen sehen.

„Ich denke nicht, dass ich hingehen werde," flüsterte sie, mehr zu sich selbst als zu Boris.

Der Butler sah sie mitleidig an. „Es tut mir Leid. Ich denke nicht, dass Sie eine Wahl haben, Miss Ivy," sagte Boris sanft, bevor er den Raum verließ und sie in der zunehmenden Dunkelheit zurückließ. Ivy sah auf die Uhr. Es war 18 Uhr. Sie hatte genau eine Stunde, um sich fertig zu machen.

Widerwillig ging sie zum Schrank und öffnete die Tür, um den Kleidersack zu enthüllen. Das Kleid, das zum Vorschein kam, ließ sie für einen Moment den Atem anhalten. Es war ein elegantes, bodenlanges Abendkleid in einem tiefen, satten Grünton. Der fließende Stoff schimmerte im schummrigen Licht des Raumes, und das Oberteil war in einem herzförmigen Ausschnitt gestaltet, der durch einen Wickeleffekt noch betont wurde. Die Taille wurde durch eine eng anliegende Passform akzentuiert, die in den weit ausgestellten Rock überging. Besonders auffällig war der hohe Schlitz an der Vorderseite, der einen verführerischen Blick auf das Bein ermöglichte und dem Kleid eine moderne, fast verwegene Note verlieh.

Sie strich mit den Fingern über den Stoff und fragte sich, ob Lucas das Kleid für sie ausgesucht hatte oder ob er jemanden geschickt hatte, der es für ihn erledigte. Wer auch immer es ausgesucht hatte, er hatte ein exquisiten Geschmack.

Ivy machte sich fertig, duschte, frisierte sich und betrachtete das Kleid, das nun auf dem Bett lag. Sie entschied sich für eine Frisur, die sowohl elegant als auch romantisch war. Ihre kräftigen, rötlichen Haare wurden in weiche, große Wellen gestylt, die sanft über ihre Schultern fielen. Eine Frisur, die sie als Teenager öfter für ihren Prom geübt hatte, aber nie tragen konnte. Weil sie nie hingehen durfte. Der obere Teil ihrer Haare war geflochten und ging dann in eine offene Frisur über. Einige lockere Strähnen umrahmten ihr Gesicht, was der Frisur eine weiche, feminine Ausstrahlung verlieh. Als sie schließlich vor dem Spiegel stand und sich betrachtete, war sie überrascht, wie gut das an ihr aussah. Verdammt gut. Anders als sonst, aber auf eine Weise, die sie selbstbewusst und stark wirken ließ. Sexy, elegant und doch ein Hauch von etwas Verwegenem, das sie an eine dunkle Fee erinnerte. 

Sie dachte an Lucas und fragte sich, was er denken würde, wenn er sie sah. Würde er es bereuen, das Band bald auflösen zu wollen? Würde er sie immer noch fallen lassen wollen? Natürlich würde er. Er wollte ihnen keine Chance geben. Er behandelte sie, als wäre sie nicht relevant. Als wäre sie ersetzbar. Warum wollte er sie überhaupt bei der Feier dabei haben? Reichte es nicht, dass er sie jeden Tag vor den Augen seines Rudels demütigte? 

Forbidden Desire: Alpha's GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt