Kapitel 12

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Die Spannung zwischen Lucas und Ivy knisterte förmlich in der kühlen Nachtluft. Lucas trat noch näher an Ivy heran, als er eh schon war. Seine Bewegungen waren flüssig und geschmeidig, wie die eines selbstsicheren Raubtiers, das seine Beute wittert. Sein Gesicht kam ihr so nah, dass nur eine Nagelspitze sie trennte. Ivy konnte seinen Atem auf ihrer Haut spüren und es ließ ihr Herz schneller schlagen.

"Gegenfrage," sagte er leise, seine Stimme war tief und sanft, aber voller Entschlossenheit. "Warum kannst du nicht einfach akzeptieren, dass ich mich für dich interessiere?"

Ivy versuchte, sich zu konzentrieren, aber seine Nähe machte es ihr schwer. Ihre Gedanken wirbelten durcheinander. Niemand hatte sich je wirklich um sie gekümmert. Der Gedanke, dass jemand wie Lucas sich um sie kümmern wollte, sie beschützen wollte, war überwältigend fremd. Sie hatte nie auch nur den Hauch einer Ahnung gehabt, dass es jemanden geben könnte, der sich um sie scherte. Sie war immer für sich allein gewesen.

"Hör zu," sagte Lucas, ohne ihre Antwort abzuwarten. Seine Augen durchbohrten sie mit ihrer Intensität. "Ich gebe dir nun folgende Option. Du gehst zurück in den Pub und wirst diesem Idioten ein Bier nach dem anderen servieren, bis er den gesamten Pub auseinander nimmt. Aber ich werde dort sitzen und mit Adler-Augen darauf achten, dass er dich nicht ein einziges Mal schief anblickt. Oder du bleibst heute Nacht bei mir. Und ich zeige dir Montreal, wie du es noch nicht gekannt hast."

Ivy schluckte hart, die Worte hingen schwer in der Luft. Seine – ihre Sinne vernebelnde – Nähe war sowohl angenehm als auch beängstigend. Sie fühlte sich zu ihm hingezogen, aber gleichzeitig hatte sie Angst, etwas Dummes zu tun, etwas, das sie ihr Leben lang bereuen würde. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust, und sie konnte kaum klar denken.

"Das... das ist nur eine einmalige Sache," stammelte sie schließlich, ihre Stimme zitterte leicht. "Danach gehen wir getrennte Wege. Mit dem Ende des Vollmonds endet auch unser Kontakt."

Lucas lächelte, ein sanftes, aber entschlossenes Lächeln. "Dann sollten wir uns beeilen."


Der Aufzug glitt lautlos nach oben, umgeben von den stählernen Wänden eines Bürogebäudes, das Lucas' Familie gehörte. Sie befanden sich in einem dicht besiedelten Stadtteil, dominiert von imposanten Bürokomplexen und belebten Einkaufsmalls. Die Nachtluft draußen war kühl und ließ Ivy leicht frösteln, selbst jetzt im Aufzug hing ihr die Kälte noch nach, trotz ihrer dicken Strumpfhose und dem eng anliegenden Baumwollkleid. Ihre gefütterte Lederjacke mit dem weichen Schal bot ihr nur bedingt einen Schutz vor dem beißenden Wind draußen.

Lucas trat näher zu ihr, als er bemerkte, wie sie fröstelte.  Seine Nähe war wie ein warmes, beruhigendes Schild, das gleichzeitig eine aufregende Anspannung in ihr auslöste. Die Wärme, die von ihm ausging, schien ihre Kälte und Nervosität zu vertreiben, und sie konnte nicht anders, als sich von dieser Präsenz elektrisiert zu fühlen.

Im elften Stockwerk angekommen, verließen sie den Aufzug und stiegen noch zwei weitere Stockwerke zu Fuß hinauf, bis sie schließlich auf dem Dach standen.

Ivy zog eine Augenbraue hoch, was Lucas aufforderte, zu erklären, was sie hier verloren hatten. Er grinste nur geheimnisvoll und begann, sich auszuziehen. "Du wirst es lieben," sagte er mit einem Hauch von Verschwörung in der Stimme. "Ich hab das immer in den Sommerferien gemacht, bis mein Großvater mich erwischt hatte. Danach durfte ich zwei Wochen lang Fenster in diesem Gebäude putzen..."

In der kühlen Nachtluft zog Lucas sein Shirt und seine Hose aus. Als Ivy dämmerte, was er vorhatte, und es nicht das war, was sie zunächst angenommen hatte, schaute sie ihn erschrocken an. "Auf gar keinen Fall," sagte sie.

Forbidden Desire: Alpha's GeheimnisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt