34. - Feiern aller Art

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Katharinas Mutter starb an einem Sonntag Nachmittag. Katharina war da, ihre jüngere Schwester Eva auch, genau wie der Vater dazu.
Die Beerdigung und die Trauerfeier fanden am darauffolgenden Freitag statt.
All das war sehr still. Auch Katharina war sehr still, denn obwohl der Tod am Ende eine Erlösung nach einem langen Kampf gewesen war, verlor sie ihre Mutter.

Danach saßen wir zu zweit und mit Kuchen und Gesprächen vollgestopft mit dem Rücken am Tresen des Restaurants, in dem die Trauerfeier stattgefunden hatte, und schwiegen.

„Wir brauchen jetzt dringend irgendetwas, wo wir diesen ganzen Frust loswerden können", sagte Katharina und legte den Kopf in den Nacken.
„An was genau denkst du?", fragte ich mit einem geradezu leeren Verstand.
„So nen guter 18. Geburtstag", murmelte Katharina, „Oder noch besser, 16".

Ich gluckste, „Im ernst?".
„Ja, da war die Welt noch in Ordnung".

„Apropos Geburtstag", fiel mir ein, „Sara hat nächste Woche Geburtstag. Denkst du, ich sollte mich bei ihr melden?"
„Bei ihr melden?", fragte Katharina entgeistert, „Ich denke, du solltest uns beide zu ihrer Feier einladen!".

„Du bist ja lustig. Ich weiß nicht mal, ob sie feiert", entgegnete ich und stupste meine Freundin in die Seite.

„Na gut", räumte diese nun ein, „Aber wenn du an sie denkst, dann solltest du ihr schreiben".

Ich schrieb Sara also eine Nachricht. Von Katharina überwacht natürlich, denn diese wollte, ihrer spontanen Eingebung folgend, nun unbedingt auf Saras Geburtstagsfeier gehen. Dass wir nicht einmal wussten, ob es diese Feier überhaupt geben sollte, war ihr dabei herzlich egal.

Hallo Sara,
Ich würde gerne mit dir reden. Passt dir nächste Woche irgendein Abend?
Ich vermisse dich.
Lili

So lautete die Nachricht, die wir nach einigem Hin und Her abschickten. Besonders über das „Ich vermisse dich" waren Katharina und ich uns uneinig gewesen. Katharina hatte gewonnen. Ich an Saras Stelle würde mir vermutlich nicht antworten, deshalb regte sich ein ungutes Gefühl in meinem Inneren.

„Es ist jetzt auch gut so, wie wir es geschrieben haben", stellte Katharina fest und klang dabei so, als wolle sie sich selbst noch ein letztes Mal gut zureden.
Ich rümpfte die Nase, „Ja, du hast ja auch entschieden, dass ich sie vermisse".
„Tust du ja auch", entgegnete meine Freundin.

„Ich weiß nicht. Es ist nicht so, als hätte ich noch das Gefühl, auseinanderzufallen", gab ich zu Bedenken, „Das hat sich in den letzten Wochen schon normalisiert".

„Haha. Aber vorher hattest du das Gefühl auseinanderzufallen?! Lili, du müsstest dir selber mal zuhören. Es ist echt so offensichtlich, dass du so richtig ernsthafte Gefühle für Sara hast, aber du willst es einfach nicht sehen", Katharina schüttelte nur den Kopf, „Aber, wo du schon in Plauderlaune bist-", auch ich schüttelte den Kopf, doch Katharina ignorierte mich gekonnt, „Erzähl mir doch bitte nochmal ein bisschen mehr von all diesem Quatsch. Und nicht nur die doofen Parts, die ich schon kenne".

Also begann ich, zu erzählen. Es brauchte einen Moment, bis ich so richtig wusste, wo ich anfangen sollte, ich entschied mich jedoch, dass Lasses Abiball damals ein guter Startpunkt war.
Während ich davon berichtete, wurden Katharinas Augen immer größer.
„Äh, hallo?!", sagte sie schließlich und unterbrach mich damit, „Da war ja schon sowas von offensichtlich, dass sie was von dir will".

Ich zuckte mit den Schultern, „Keine Ahnung, ja vielleicht. Aber da gab es halt noch Lara und Mark".
„Ach, Lara", Katharina schüttelte sich leicht, "Die mochte ich ehrlich gesagt nie so richtig. Du hättest mich mal fragen müssen".

"Du hast zu diesem Zeitpunkt nicht mit mir gesprochen", erinnerte ich sie und ihr zuvor fröhlicher Gesichtsausdruck entglitt ihr ein wenig.
„Und ich mochte Lara eigentlich recht gerne", fügte ich hinzu und Katharina nickte stumm.
„Warum habt ihr euch damals getrennt?", fragte sie nun.
„Sie hat mich betrogen", erklärte ich und mir entwich ein zynisches Lachen, „Mit einem Mann".

„Oh Scheiße", war das einzige, was Katharina dazu zu sagen hatte, „Das erklärt einiges".
„Wie meinst du das?".

„Naja, das erklärt, dass du dich nicht binden willst", sagte sie nachdenklich, „Ich frage mich  ehrlich gesagt schon die ganze Zeit, was mit dir passiert sein muss. Früher warst du so ein offener und auch gefühlsoffener Mensch, dass ich überhaupt nicht verstehen konnte, wie du das mit deinem „Keine-Frau-zwei-Mal-sehen" durchziehen konntest. Aber jetzt ergibt alles Sinn".

Erneut zuckte ich die Schultern.
„Das hat ja bei Sara schon mal nicht geklappt".

Jetzt grinste Katharina mich wieder an, „Das liegt bestimmt nur daran, dass der Sex fantastisch ist".

„Haha".

-

Anders als erwartet antwortete Sara recht bald und offensichtlich, ohne zu zögern.

Gerne. Ich feiere nächste Woche Freitag meinen Geburtstag im kleinen Kreis. Du kannst kommen, wenn du möchtest.
Bring Katharina mit, die kann ein bisschen Ablenkung bestimmt gut vertragen, habe die Anzeige in der Zeitung gelesen.

Sprachlos starrten sowohl Katharina als auch ich auf den Bildschirm meines Handys.
„Na, das war ja mal einfach", stieß die Dunkelhaarige neben mir freudig aus und stürzte sich wieder auf den Kaffee, den sie gerade an meinem kleinen Küchentisch zu sich genommen hatte.

Ich vergrub den Kopf zwischen meinen Armen und legte ihn auf ebenjenem Tisch ab.
Katharina tätschelte aufmunternd meine Schulter.
„Alles wird gut, Lili".

In mir tobten eine große Menge an Gefühlen und Gedanken, die ich lieber nicht wieder erweckt hätte. Was würde ich Sara sagen? Würde ich überhaupt Zeit haben, mit ihr zu sprechen? War ich mir verdammt nochmal sicher?
Hinzu kam die Tatsache, dass ich eigentlich nicht vorgehabt hatte, Katharina mit zu Sara zu nehmen, bevor alles zwischen uns auf irgendeine Art und Weise geklärt war. Nicht nur, weil ich wusste, dass meine Freundin sich zweifelsohne mit unangemessenen Kommentaren an Sara werfen würde, sondern auch, weil Katharina mich in Saras Gegenwart schon immer in Verlegenheit gebracht hatte. Und ich bezweifelte, dass sie nun damit aufhören würde.

Fest stand für mich nur, dass ich sie sehen wollte. Dass ich es liebte, Zeit mit ihr zu verbringen. Und auch, Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, und von mir aus sogar mit ihrem Ex.

„Ich weiß garnicht, was ich ihr sagen soll", erklärte ich Katharina schließlich.
„Wie wär's mit der Wahrheit?", fragte Katharina in einem bei ihr eher untypisch sanften Ton und legte den Kopf schief. Sie sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an.

„Und was ist die Wahrheit? Dass ich schrecklich in sie verliebt bin, schon viel zu lange, und dass ich außerdem furchtbare Angst habe, verletzt zu werden?".

Katharina nickte, „Ich würde sagen, genau das sagst du ihr. Und dann muss sie entscheiden, was sie damit anfängt. Aber sie kann genau so wenig eine Entscheidung treffen, wie du, wenn du nicht ehrlich mit ihr sprichst".

Jetzt nickte ich.
„Okay. Das klingt nach einem Plan".

Katharina nahm kurzzeitig eine seltsam anmutende Pose ein, die vermutlich einen Sieg darstellen sollte.
„Juhu. Was ziehen wir an?".

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt