30. - Blond hoch drei

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Sara führte mich zielstrebig durch den großen Flughafen, in dem ich mich alleine nahezu jedes Mal verirrte. Fast benommen folgte ich den hüpfenden blonden Locken vor mir, die sich in einer absurden Geschwindigkeit durch die Menschen drängten.
Ab und an sah Sara zu mir zurück und ihre blitzenden blauen Augen trafen meine, was mein Herz jedes Mal dazu brachte, für einen Schlag auszusetzen.

Es fühlte sich an, als würde ich innerlich stolpern. Ihr nun wieder so nah zu sein, wo wir uns in den letzten paar Monaten so wenig gesehen hatten, verwirrte meine Sinne.
Mittlerweile fragte ich mich auch ernsthaft, ob dieses schwindelige Gefühl, welches sie in mir auslöste, jemals nachlassen würde. 

Wir fanden schließlich den Weg bis in eine Tiefgarage, die zum Flughafen gehörte. Noch immer etwas geplättet ließ ich mich auf den Beifahrersitz des dunklen SUVs fallen und schloss für einen kurzen Moment die Augen, während Sara am Kofferraum herumnestelte.
Als ich die Augen wieder öffnete, stand sie mit einem riesigen Strauß Blumen vor mir in der offenen Tür und grinste mich vorsichtig an.

„Ich hab dir was mitgebracht. Ich hoffe, das ist dir nicht zu viel?", fragte sie und ich meinte, eine leichte Unsicherheit in ihrer Stimme zu hören. Perplex schaute ich zunächst den bunten Strauß an und dann in Saras Gesicht.

„Danke", sagte ich schlicht und nahm ihr die Blumen sanft aus den Händen, „Die sind toll". So sehr ich auch versuchte, meine Augen auf den bunten Wildblumenstrauß vor mir zu richten, es gelang mir nicht. Meine Aufmerksamkeit lag voll und ganz auf dem freudig lächelnden Gesicht der blonden Frau hinter dem Blumenstrauß, der mir gerade noch den direkten Zugang zu ihr verwehrte. Wenn sie sich so freute, sah Sara viel jünger aus, als sie war. Ihr Gesicht leuchtete und ihre Augen blitzten und es war unfassbar, dass sie ausgerechnet mich so ansah.

„Ich habe dich sehr vermisst", kam es leise aus meinem Mund, ohne, dass ich die Worte bewusst formuliert hätte. Sara nickte nur.
„Ich lege die nach hinten, ja?", fragte ich leise und hielt Sara, die sich gerade schon um den Wagen herum auf die Fahrerseite stehlen wollte, mit meinem Linken Arm sanft zurück, „Die sind wirklich wunderschön, danke".

Ich streckte mich in kurzerhand in den Innenraum des Fahrzeugs und legte Saras Mitbringsel vorsichtig auf der dort ausgebreiteten Decke ab. Dann drehte ich mich wieder zu Sara und lehnte mich im nächsten Moment ruckartig zu ihr vor.
Ohne weiter darüber nachzudenken, presste ich meine Lippen auf ihre, weshalb sie einen überraschten Laut von sich gab, dann aber schon sanft die Hände in meinen Haaren vergrub.

Ich küsste sie. Und sie küsste mich zurück. Mitten in einem Parkhaus. Dort, wo uns jeder sehen konnte. Ihre Lippen bewegten sich gegen meine und ihre Zunge sorgte geschickt dafür, dass mir ein leises Raunen entwich.

„Lass uns fahren", sagte sie schließlich mit einem leisen Kichern aber, zu meiner Zufriedenheit, geröteten Wangen. Dann drückte mich vorsichtig von sich weg, „Wir haben heute noch was vor".

-

Sara und ich holten ihre beiden Töchter in der Ferienbetreung ab. Eine Situation, die mich massiv überforderte.
Ich mochte Kinder und in der Regel mochten Kinder auch mich, doch die Tatsache, dass diese beiden Kinder Saras Kinder waren, verunsicherten mich mehr, als ich es mir eingestehen wollte.

Beide Mädchen hatten blonde geflochtene Zöpfe, die von ihren kleinen Köpfen baumelten, und hüpften im Hopserlauf auf das Auto zu, welches Sara im absoluten Halteverbot angehalten hatte.
„Ich bleib ja hier sitzen", hatte sie als Reaktion auf meine hochgezogenen Augenbrauen leise gemurmelt und die Kindersicherung auf den beiden hinteren Sitzen entriegelt.

„Hallo", lautete Milas fröhliche Begrüßung. Schwungvoll und mit erstaunlich viel Kraft öffnete sie die hintere Tür des Autos und kletterte, genau wie ihre Zwillingsschwester auf der anderen Seite, auf die Rückbank. 
„Na, ihr Hasen", sagte nun Sara, ebenfalls gut gelaunt und zog ihren Töchtern zugewandten die Augenbrauen hoch, „Alle noch am Leben?".

Mila und Frida kicherten leise, und Frida, die ich im ersten Moment als die schüchternere der beiden eingeschätzt hatte, fing meinen Blick auf.
„Hi ihr zwei", sagte ich bemüht lässig und grinste die beiden Mädchen durch die Kopflehne meines Sitzes an.
„Hallo Lili", sagte Frida nun zu meiner Überraschung. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie sich meinen Namen gemerkt hatte, obwohl wir uns erst einmal gesehen hatten.

Ich grinste sie an und zog ebenfalls die Augenbrauen hoch, was sie augenblicklich zum Kichern brachte. Das war scheinbar etwas, was Sara tat, wenn sie mit den beiden Scherze machte.

„Also, wie war es heute?", fragte Sara nun und startete den Motor, „Hat Frau Schneider wieder so doofe Sachen gesagt?".
Dann fuhr sie los und die Mädchen begannen, von ihrem Tag und der „doofen" Betreuungskraft zu erzählen. Ich saß auf dem Beifahrersitz und lauschte ihren Geschichten, während sich in meinem Kopf ein erneutes Chaos zusammenbraute.

War das jetzt meine neue Realität. Oder besser: sollte das hier meine neue Realität werden? Familienausflüge mit zwei kleinen blonden Mädchen? Frühstück am Sonntag mit Saras Ex? Tierparks, Kinderfilme, Einschulungen, Geburtstage, all das?

-

Der Tag, den Sara und ich mit den beiden Mädchen im Kletterwald - ja, genau so verwirrt hatte ich auch geschaut - verbrachten, verging wie im Flug.
Obwohl Sara, wie sie mir auf dem kurzen Fußmarsch vom Parkplatz aus, zunächst skeptisch gewesen war, hatte sie sich für die Idee begeistern lassen und freute sich nun, die beiden Mädchen mit mir über den Kinderparcours flitzen zu sehen.

Sie selbst kletterte nicht - Höhenangst.
Also waren wir ganz uns selber überlassen, wir drei unter dreißig, wie ich scherzhaft zu Sara sagte und mir damit einen Stoß in die Seite einhandelte.
Die Mädchen stellten sich geschickt an und übertrafen mich innerhalb kürzester Zeit an Geschwindigkeit und Koordination.

"Na", rief Sara mir grinsend vom Rand aus, wo sie auf einem Baumstamm Platz genommen hatte, zu, "Jetzt fühlst du dich schon nicht mehr so jung, oder?". Ich schüttelte ergeben den Kopf und hob die Schultern, "Die beiden sind ja auch viel viel kleiner als ich".

Erneut viel mir auf, wie offen und aufgeschlossen Saras Töchter waren. Unwillkürlich fragte ich mich, ob das eine Eigenschaft war, die ihnen ihre Mutter mitgegeben hatte. Oder ob Mark noch viel eher dafür gesorgt hatte, dass die beiden so unvoreingenommen und freundlich waren.
Obwohl wir uns noch nicht gut kannten, ließen die beiden sich auf mich ein und ich durfte ihnen helfen - wobei sich diese Dynamik wie gesagt recht schnell umkehrte.

Irgendwann kam ich atemlos und geschwitzt am unteren Ende des Parcours an und ging ein paar Schritte auf Sara zu, die augenblicklich Platz für mich machte.
Ich ließ mich mit einem kleinen Abstand neben ihr auf dem Baumstamm nieder, während die Mädchen noch immer an den Seilen und Holzlatten herumturnten.

"Möchtest du etwas trinken?", fragte Sara fürsorglich, jedoch nicht ohne ein leichtes schadenfreudiges Grinsen auf ihren Lippen.
"Gerne", antwortete ich und stützte mich auf meinen Armen nach hinten ab, während Sara aufstand und einige Minuten später mit zwei kalten Getränken in den Händen zurückkam.
Ich bedankte mich bei ihr und bemerkte, dass sie den Abstand, den ich zuvor zwischen uns gelassen hatte, gekonnt ignorierte und sich so nah an mich setzte, dass wir uns berührten.

Wir prosteten einander zu.
"Danke, dass du mitgekommen bist", sagte Sara schließlich und sah mich an.
Ich lachte kurz auf, "Als ob ich eine andere Wahl gehabt hätte".
Ihre Augen blitzen leicht, "Tut mir leid, dass ich dich so überfallen habe. Aber ich wollte wirklich, dass du mitkommst, und du hättest bestimmt nein gesagt".

"Du brauchtest mich doch eh nur zum Kinder bespaßen", scherzte ich nun, "Mit Höhenangst klettert es sich schließlich nicht so gut".

Sara nickte und lehnte sich dann ein Stück zu mir, um mit ihrer Hand sanft den Weg auf meinen unteren Rücken zu finden.
Eine Stelle, die bei mir auf keinen Fall rühren durfte, wenn man eine größere Reaktion vermeiden wollte, und Sara wusste es.
Gott, sie wusste genau, was sie mit mir machte. Ihre Finger fuhren unter mein T-Shirt und sie begann, Kreise auf meiner Haut zu fahren.
Ich schloss leise raunend für einen Moment die Augen und traf dann Saras warmen Blick, der auf mir ruhte.

"Es ist wirklich schön, dich so mit den Kindern zu sehen", murmelte sie leise.

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt