Am nächsten Morgen wurde ich von Saras Wecker, den sie in der letzten Nacht noch geistesgegenwärtig gestellt hatte, wach.
Ich spürte die Anwesenheit ihres Körpers neben mir, rückte vorsichtig näher zu ihr heran und schloss meine Arme um sie. Als ich sie berührte, schossen Erinnerungen in mein Bewusstsein, die sofort ein heftiges Ziehen in meinem Unterleib erzeugten und meine Wangen erröten ließ.
Sara begrüßte mich mit einem leisen Raunen und mein Herz zog sich in dem Bewusstsein, dass dieser Moment bald vorbei sein würde, schmerzlich zusammen.
Meine Gedanken kreisten um die vergangene Nacht, die all meine Träume und Vorstellungen der letzten Jahre bei weitem übertroffen hatte und sich für mich sehr unwirklich anfühlte.
Nur die Tatsache, dass Sara tatsächlich nackt und mir zugewandt neben mir lag, ließen mich an ihre Realität glauben.Ich vergrub mein Gesicht in ihren weichen blonden Locken und atmete ihren Duft ein. Langsam begann sie, sich in meinen Armen zu bewegen und drehte sich schließlich verschlafen zu mir um.
„Rise and Shine", flüsterte ich und ließ meinen Blick sehnsüchtig über ihren Körper wandern. Mit einem Schmunzeln betrachtete ich die Male, die meine hungrigen Bisse auf ihrer Haut zurückgelassen hatten, und landete schließlich in Saras blauen Augen, die mich vorsichtig anblinzelten.
Obwohl sich in mir weiterhin die Sorge regte, sie könne unsere gemeinsame Nacht bereuen, durchflutete mich eine tiefe Zufriedenheit beim Anblick ihres Lächelns.
Neben ihr aufzuwachen war um Grunde genommen das verrückteste, aber auch das beste, was mir je passiert war.Sie küsste mich, mein Herz und mein Verstand setzten einen Moment aus und die blonde Frau mir gegenüber grinse in unseren Kuss hinein, bevor sie sich von mir löste.
Sie rocht nach ihrem typischen blumigen Parfüm, aber auch nach Sex.
„Ich muss mich leider schon ein bisschen beeilen", sagte sie entschuldigend und schälte sich aus der Decke, „Wir haben um 9.30 Uhr eine Führung im Imperial War Museum".Ihre Augen leuchteten ein wenig bei der Erwähnungen des Museums und sie zog sich ihre schwarze Hose über die nackten Beine.
„Da hättet ihr ja auch mich nach einer Führung fragen können", scherzte ich und spielte auf die unzähligen Male an, die ich durch mein Studium bereits dort gewesen war.Sara lächelte, während ich die Decke, die ihren Duft noch an sich trug, um mich schlang und die Augen schloss.
-
Wenige Stunden später wachte ich erneut, nun ohne Saras warmen Körper neben mir, auf und erhob mich seufzend aus dem Bett.
Ich stellte mich unter die Dusche, ließ das kalte Wasser auf meinen Körper prasseln und versuchte, meine Gedanken zu ordnen. Noch immer erschien es mir absolut unwirklich, dass Sara - diese eine Sara - eine Nacht mit mir verbrach hatte.
So viele Jahre hatte ich mir genau das heimlich und beschämt vorgestellt, mich danach gesehnt sie endlich zu berühren, zu küssen. Und jetzt war es tatsächlich passiert.
Meine Erinnerungen fühlten sich an wie die an eine Extase.
Sie zu berühren, sie zu küssen hatte sich ebenso berauschend angefühlt, wie von ihr berührt zu werden. Ihre weichen Hände, ihre Brüste und ihr lustgetränkter Blick hatten mich fast um den Verstand gebracht, mich unfassbar leichtsinnig gemacht.In unserem Hotelzimmer, in dem die Spuren letzter Nacht kaum zu übersehen waren, fand ich schließlich auf der Kommode einen kleinen, fein säuberlich zusammengefalteten Zettel, der mich erneut erröten ließ.
Danke für diese Nacht, Lili.
Melde dich gerne bei mir, wenn du möchtest.Unter den Worten in ihrer Handschrift, die mir noch immer so vertraut war, stand eine Handynummer, die ich sofort in meinem Smartphone einspeicherte, obwohl ich nicht wusste, was ich mit ihr anfangen würde.
Erneut las ich ihre kurze Nachricht. Allein die Tatsache, dass sie mich mit meinem Spitznamen ansprach - wie sie es auch gestern Abend immer wieder mit einem kleinen Lächeln getan hatte -, löste viel zu viel in mir aus.
Ein mir schmerzlich bekanntes Gefühl, das ich schnellstmöglich wieder in den Tiefen meines Bewusstseins vergraben wollte.
Ich verließ das Hotel nach einem kurzen Gespräch mit dem Rezeptionisten, der mir mitteilte, dass das Zimmer bereits bezahlt worden war, und lief zu Fuß die Strecke bis zu meiner Wohnung.
Hanna hatte ich am vergangenen Abend die Schlüssel mitgegeben, weshalb mir nun nichts anderes übrig blieb, als zu klingeln und mich ihrem erwartungsvollen Blick zu offenbaren.„Oh mein Gott", sie öffnete die Tür und hielt für einen kleinen Moment inne, „Du lebst noch?!". Sie lachte und ließ mich eintreten, während mir die ganze Situation langsam aber sicher ein wenig unangenehm wurde.
Am liebsten hätte ich meine Gedanken und Gefühle, besonders aber meine Erinnerungen an den Sex mit Sara, in eine Schatztruhe gelegt, sie zugeschlossen und bis ans Ende der Zeit nie wieder geöffnet.
Doch natürlich war mir klar, dass Hanna, die sich mittlerweile an den Küchentisch gesetzt hatte und mich fragend anblickte, das nicht zulassen würde. Ich werkelte an der Kaffeemaschine herum, um ein wenig Zeit zu gewinnen.
„Und?!?", fragte Hanna mich schließlich entgeistert und mit hochgezogenen Augenbrauen, „Wie war deine Nacht?".
In ihrem Gesicht spiegelten sich Freude, aber auch große Neugierde, die ich ihr nicht verübeln konnte. Seit wir uns kannten wusste sie von meiner Schwärmerei für Sara - oder besser gesagt Frau Hansen, wie wir sie damals noch nannten.
„Außergewöhnlich", antwortete ich schlicht und ließ mich anschließend von Hanna mit Fragen löchern.
„Also ihr habt es wirklich getan? Mein Gott, Lili. Wie krass ist das?! Wie war es? War sie gut im Bett? War sie noch heißer als angenommen? Wo wart ihr überhaupt? Erzähl es mir. Ich will jedes Detail! Und was war heute Morgen? Oh, was heißt das jetzt?", sprudelten die Fragen aus meiner brünetten Freundin heraus und ich lachte leise in Anbetracht ihrer aufrichtigen Freude für mich.
Weil ich auf Hannas letzte Frage keine Antwort wusste, berichtete ich ihr ausführlich - sie fragte tatsächlich nach jedem kleinen Detail - und mit roten Wangen von den letzten Stunden und beobachtete belustigt, wie ihre Augen immer größer wurden und auch ihre Wangen sich leicht rot färbten.
„Also ja, sie war noch heißer als erwartet", schloss ich schließlich meine Erzählung und fand Hanna ausnahmsweise sprachlos vor.
Ich trank einen Schluck meines Kaffees, der mittlerweile fast kalt geworden war, und wünschte mir sehnlichst eine Zigarette, um meine Gefühle, die während des Erzählens wieder hochgekocht waren, zu dämpfen.„Und jetzt?", fragte Hanna nach einer kurzen Denkpause, „Wirst du ihr schreiben?".
Ich schluckte und schwieg. Zu unsicher war ich mir über meine Gefühle und Gedanken.
Natürlich war ich froh darüber gewesen, Saras Zettel heute morgen zu finden und nun zumindest die Möglichkeit zu haben, Kontakt zu ihr aufzunehmen.Doch ich wusste nicht, ob es wirklich ratsam war, ihr zu schreiben, oder sie anzurufen.
So wie ich mich kannte und meine emotionale Verfassung der letzten Monate einschätzte, würde mich der Kontakt zu ihr in ein tiefes Loch stürzen.
Hinzu kam, dass ich ja auch nicht wusste, was genau sie sich nun vorstellte. Was wollte sie von mir? Was erwartete sie von mir? Was erhoffte sie sich?
Die Gedanken tobten in mir und ich zuckte bloß mit den Schultern und sah Hanna ratlos an.
„Ich wüsste nicht was", antwortete ich schließlich. „Sie hat mich auf jeden Fall ziemlich durcheinander gebracht".
Hanna nickte, nun verständnisvoll, und schien das Thema ähnlich wie ich, fürs erste begraben zu wollen.
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Nichts für immer
RomanceNach dem Tod ihrer Mutter und dem plötzlichen Ende einer langjährigen Beziehung flüchtet Lili aus ihrem Alltag und ihrer Heimat. Sie findet sich in London wieder, wo sie versucht, all das Erlebte zu verarbeiten - oder zu vergessen. Was anfangs gut...