Ich protestierte, während Hanna aufgeregt neben mir her hüpfte und versuchte mich für ihr wahnwitziges Vorhaben zu begeistern.
Wir befanden uns in einem Pop Up Store, ganz in der Nähe meiner Wohnung und Hanna hatte mir gerade eröffnet, dass sie mit einem Lehrer unser ehemaligen Schule in Kontakt stand.
Und, dass dieser uns eingeladen hatte, mit ihm heute Abend einen Theaterbesuch zu unternehmen.
Was grundsätzlich nett klang, wurde für mich von der Tatsache zerstört, dass Sara Hansen, die Frau, für die ich seit Teenager-Tagen eine große Schwäche hatte, das ganze begleiten sollte.
Nikolas Schlosser und Sara Hansen, die beiden berühmt berüchtigten Lehrer des Goethe Gymnasiums, verbrachten eine Woche mit Schlossers Leistungskurs in London.
Und Hanna hatte kurzerhand angefragt, ob die beiden Interesse an einer gemeinsamen Aktivität hätten.Typisch, dass diese beiden sich ausgerechnet jetzt in der Stadt, in der ich lebte, aufhielten. Typisch, dass Hanna sich direkt bei ihnen meldete und ein Date ausmachte, zu dem sie mich auch noch einludt.
Ich hätte sie am liebsten gewürgt, denn bei der Erwähnung besagter Lehrerin hatten sich meine Wangen rot gefärbt und mein Herz hatte angefangen wild zu schlagen.
Hanna stand unterdessen grinsend neben mir und berichtete mir davon, wie sie immer wieder mit ihrem ehemaligen Lehrer in freundschaftlichem Kontakt gestanden hatte und sich schon freute, ihn heute Abend zu sehen.„Nein. Hanna. Einfach nein", äußerte ich mich vehement und stöberte nun milde gestresst durch eine Kleiderstange mit dunklen Kleidern, „Du kannst da wirklich gerne alleine hingehen, aber das packe ich nicht". Hanna lachte.
„Du brauchst garnicht so zu tun. Ich weiß genau, dass du sie gerne sehen würdest".
„Natürlich würde ich sie gerne sehen. Hast du sie mal angeschaut?", entgegnete ich genervt, „Ich weiß nur auch, dass das nicht gut für mich wäre".Ich hielt ein dunkelgrünes, eng geschnittenes Kleid in die Höhe und Hannas Augenbrauen schossen augenblicklich in die Höhe,
„Perfekt. Wenn du das anziehst, kriegst du sie bestimmt rum".
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„Ich kann nicht fassen, dass du das wirklich geschafft hast", murmelte ich frustriert, während Hanna und ich uns am frühen Abend auf den Weg machten.
Die junge Frau mit den frechen Locken schlenderte lässig neben mir her und erfreute sich sichtlich ihrer Leistung.Obwohl ich mich heftigst und lange dagegen gewehrt hatte, Hanna zu dem Theaterbesuch mit den beiden Lehrern zu begleiten, hatten meine Neugier und mein Wunsch, Sara nach mehreren Jahren zumindest kurz zu sehen, gesiegt.
Tatsächlich trug ich meine neues dunkelgrünes Kleid und einen Mantel, auf den Sara mich vor Jahren bereits einmal angesprochen hatte.
Meine Haare hatte ich zu einem Zopf gebunden, durch den ich immer ein wenig älter aussah, und meine Augen waren dunkel umrandet.
Während wir uns fertig gemacht hatten, hatte Hanna immer wieder Kommentare losgelassen, die mich in Verlegenheit gebracht hatten.
Doch ich konnte nicht anders.
Ich wusste, dass sie da sein würde, also wollte ich nicht aussehen wie der letzte Bergtroll.Mein Herz pochte schon jetzt wie wild und meine Knie fühlten sich beim Gedanken daran, sie bald zu sehen, schon ganz wackelig an.
Obwohl ich sie so lange nicht gesehen hatte, war die Erinnerung an sie tief in mein Gedächtnis eingebrannt und ich war mir sicher, dass ich sie so schnell auch nicht loswerden würde.Was ich in den letzten Jahren jedoch sorgfältig ignoriert hatte, holte Hanna nun aus den Tiefen meines Bewusstseins hervor und brachte mich damit merklich aus dem Konzept.
Schon jetzt tanzten Saras blonde Locken durch meine Gedanken und die Erinnerung an ihr Lachen machte mich ganz fahrig.
Obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, war sie ein häufig aufkommender Bestandteil meiner Gedanken, den ich meist als amüsante Fantasie hinnahm und versuchte, mich nicht näher damit zu beschäftigen.
Ich zündete mir eine Zigarette an und bot Hanna, die diese erneut ablehnte, ebenfalls eine an. Scheinbar hatte sie aufgehört zu rauchen.
„Das hat echt Ausmaße angenommen", tadelte sie mich, während ich meine Hände wieder tief in den Taschen meines Mantels vergrub und an der Zigarette zog.
„Ich weiß", nuschelte ich und stieß den Rauch aus, „Ich darf das. Bietet Gesprächsstoff".
„Außerdem hoffst du auf Raucherpausen mit einer gewissen Person", neckte Hanna mich und ich wurde erneut rot.Natürlich hatte sie recht, doch es war mir unangenehm, dass ich mich wieder wie ein verliebter Teenie verhielt und dabei auch noch ertappt wurde.
„Pst", antwortete ich daher nur und wir liefen weiter gemeinsam über den Bürgersteig. Nach einem kurzen Schweigen und einem darauf folgenden Gespräch über die Beziehung zwischen Hanna und Nikolas, die sie als ‚rein platonisch - aber sehr intensiv' bezeichnete, begann Hanna, mich nach meinem Liebesleben auszufragen.
Schnell stellte sie jedoch fest, dass es bei mir fast noch weniger zu berichten gab, als bei ihr.
Außer einigen - vielen - One Night Stands hatte sich bei mir in den vergangenen drei Jahren nämlich rein garnicht getan - und ich war froh darüber.Als wir in die Straße des Hostels einbogen, in dem wir Sara, Nikolas und ihre Schüler treffen würden, holte ich tief Luft und zögerte für einen kurzen Moment, woraufhin Hanna mich auslachte und mich an meiner Hand weiterzog.
„Stell dich nicht so an, Lili", sagte sie nur, „Auch eine Mumie wie du darf manchmal noch Dinge fühlen".
An dieser Stelle der Hinweis; dieses, bzw. das nächste Kapitel gibt es aus Saras Perspektive in "Parallelen". Es heißt dort "Bekannte Gesichter".
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Nichts für immer
RomanceNach dem Tod ihrer Mutter und dem plötzlichen Ende einer langjährigen Beziehung flüchtet Lili aus ihrem Alltag und ihrer Heimat. Sie findet sich in London wieder, wo sie versucht, all das Erlebte zu verarbeiten - oder zu vergessen. Was anfangs gut...