24. - Unfreiwillig

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Also blieb ich.

Und wir backten Plätzchen.
Sara, Mila, Frida und ich backten Plätzchen an einem vorweihnachtlichen Morgen, während es draußen immer grauer wurde und schließlich begann, zu schneien.

Saras Töchter waren mir gegenüber sehr aufgeschlossen. Sie stellten mir Fragen und erzählten mir von ihren Erlebnissen in der Schule, während Sara sich irgendwann an eine Korrektur setzte und ab und an einen Blick zu uns warf.
Immer wieder lächelte sie mich an, besonders, wenn ihre Töchter mal wieder von einem kleinen Redeschwall ereilt wurden und mich Minuten lang vollplapperten.

Obwohl die Atmosphäre ruhig war, obwohl ich mich wohlig und warm fühlte, rasten meine Gedanken und drehten sich dabei unaufhörlich um Kreis.
Wie sollte das hier bloß enden? Was erhoffte ich mir und warum ließ ich mich immer wieder auf Sara ein. Was war so besonders an ihr, dass ich all meine Prinzipien über Bord geworfen hatte und mich von ihr bespielen ließ wie eine Puppe? Wie sollte es enden? Wollte ich, dass es endete? 

Am Nachmittag verabschiedete ich mich von den Mädchen und zog mir im Flur die Schuhe an, als Sara mich kurzerhand an meinem Kragen in ihr Schlafzimmer zog.

Sie schloss die Tür hinter mir und drehte sich mich glänzenden Augen zu mir um.
„Meine Kinder mögen dich", stellte sie fest.
Ich nickte, „Und dein Ex ist ein Heiliger dafür, dass er mir auch noch einen Kaffee angeboten hat, nachdem ich ihm halb nackt die Tür geöffnet habe".

Sara nickte ebenfalls und legte den Kopf schief, "Tut mir leid, Lili". Sie kam einen Schritt auf mich zu und legte ihre Hände vorsichtig an meine Taille, sodass ich mit dem Rücken an der Zimmertür ankam.

Sie sah besorgt aus, doch ihre Augen hatten immer noch den leichten Schimmer, den ich so mochte.
Ich spürte ihre warmen Hände auf meiner Haut, als sie sie vorsichtig unter den Stoff meines Hemds wandern lies. Ich schmolz unter ihren sanften Berührungen hinweg, obwohl ich eigentlich unzufrieden mit der Situation war.
Oder zumindest unsicher, was ich von all dem halten sollte.

"Ich habe mir euer Kennenlernen eigentlich anders vorgestellt".
Ich lächelte und nickte. Im Grunde genommen konnte Sara ja nichts für die Situation und vielleicht nahm ich mir all das auch wieder einmal viel zu sehr zu Herzen.

"Eigentlich wollte ich heute auch gerne noch ausreichend Zeit für dich haben", flüsterte sie mir nun ins Ohr und jagte damit einen Schauer über meinen Rücken.

-

Mit einem Seufzen trat ich aus der Eingangstür des alten Hauses, bevor ich mein Handy mit meinen Kopfhörern verband und kurzerhand Hanna anrief.
Ich machte mich auf den Weg in Richtung des Bahnhofs, der glücklicherweise nur wenige Straßen entfernt lag, und wartete ungeduldig darauf, dass meine Freundin das Telefonat annahm.

„Hallo?", hörte ich ihre Stimme schließlich etwas verwirrt fragen, „Ist alles ok, Lili?".
Ich überlegte kurz, „Hi".
„Was hat sie gemacht?".

Ich schloss für einen winzigen Moment die Augen, schließlich befand ich mich nun im Straßenverkehr, und kramte eine Zigarette aus den Taschen meines Mantels.

„Sie hat eigentlich nichts gemacht", erklärte ich, „Aber ich habe ihrem Ex und ihren Kindern heute Morgen quasi nackt die Tür aufgemacht".

Hanna schwieg für einen Moment, „Lili. Was? Langsam mache ich mir wirklich Sorgen um deine geistige Unversehrtheit".

Ich kicherte, „Ich dachte, sie hätte ihren Schlüssel vergessen und deshalb geklingelt. Aber dann stand er da auf einmal vor mir. Und er hat die ganze Situation sowas von gecheckt".

„Meinst du?", fragte Hanna nach, „Jetzt erzähl doch bitte mal ein bisschen genauer. Warum warst du bei ihr? Und warum war sie nicht da? Und was zum Teufel ist dann passiert?!".

Ich seufzte und holte tief Luft, „Warum ich da war? Sex. Warum sie nicht da war? Sie wollte Brötchen holen zum Frühstücken".

Hanna holte ebenfalls tief Luft und setze an, mich zu unterbrechen, doch ich kam ihr zuvor, „Ja, ich bleibe bis zum nächsten Morgen und ja, wir frühstücken zusammen. Ja, das ist verrückt. Ja, das passiert öfter. Ja, das ist ein großes Problem und ich bin mir dessen bewusst".

Ich machte eine kurze Pause, in der ich meine Freundin merkwürdigerweise einmal sprachlos erlebte, „Was zum Teufel dann passiert ist? Ich habe Ex und Kinder hineingebeten und dieser Typ muss wirklich ein Heiliger sein, weil er war nett und er hat mir sogar noch einen Kaffee gemacht und...".

„Stop", unterbrach Hanna mich nun tatsächlich, „Mein Gott, Lili. Bitte sag dieser Frau doch endlich, was du für sie empfindest. So habe ich dich ja noch nie erlebt".

Ich schwieg.
„Und was war mit ihren Kindern? Und was hat sie gesagt? Habt ihr darüber geredet?".

„Ihre Töchter mögen mich und sie hat sich entschuldigt. Hat gesagt, dass sie sich unser Kennenlernen anders vorgestellt hat", lautete meine knappe Antwort, die ich systematisch zu erstellen versuchte, während mein Gehirn noch immer vor sich hin ratterte.

„Holy shit", sagte Hanna. Dann hörte ich ein lautes Rumpeln im Hintergrund des Telefonats, „Keine Sorge, das war nur Thomas".

Für einen Moment überlegte ich, wer denn nun Thomas war. Dann verwarf ich den Gedanken und beschloss, das Kapitel „Thomas" einfach zu überspringen.
Ich konnte sicherlich beim nächsten wieder einsteigen.

„Aber das heißt, sie hat es sich vorgestellt", stellte Hanna nun mit quietschender Stimme fest, „Oh mein Gott, Lili. Ich bitte dich. Ich halte es bald nicht mehr aus. Ihr beide seid wirklich wie so Teenies, die es nicht geschissen kriegen, sich gern zu haben. Das ist ja geradezu ein Liebesgeständnis".

„Äh-", gab ich leicht irritiert von mir, „Also hör mal, wenn ich sowas sagen würde, wäre es ja auch kein ordentliches Liebesgeständnis".

„Du musst aber bedenken, dass für Sara viel viel mehr auf dem Spiel steht, als für dich",
gab Hanna mit plötzlich für sie untypischer ernster Stimme zu bedenken.

„Ich denke nicht, dass sie jedem Hannebambel, den sie zum vögeln mit nach Hause nimmt, ihren Kindern vorstellt".

„Können wir bitte nicht darüber sprechen, mit wem sie noch irgendwas hat?", nuschelte ich.

Nun kicherte meine Freundin am andere Ende der Leitung in sich hinein, „Macht dich das etwa eifersüchtig?".

„Kein bisschen", gab ich zurück, „Aber um nochmal auf die Sache mit den Kindern zu kommen. Das war ja nicht wirklich freiwillig heute. Du hättest mal ihren Blick sehen müssen".

Wieder überlegte ich hin und her, was Sara in dieser Situation gedacht hatte.
Hatte sie sich gefreut, mich und ihre Töchter in einem Raum zu sehen? Oder war sie wütend auf Mark gewesen, da dieser sie nicht vorgewarnt hatte? Oder, noch viel schlimmer, war sie wütend auf mich gewesen, weil ich mich nicht augenblicklich verkrümelt hatte?
Zwar hatte sie entspannt und gut gelaunt gewirkt, doch manchmal fiel es mir einfach unfassbar schwer, sie zu lesen.

"Aber Lili, du warst doch jetzt noch den ganzen Tag da. Oder?", fragte Hanna.
Ich nickte, was sie natürlich nicht sehen konnte, doch sie schien mein Schweigen als vollwertige Antwort zu werten und fuhr fort, "Also Bitte. Hör doch einfach mal auf, da so viel drüber nachzudenken. Sara würde doch nicht so viel Zeit mit dir verbringen, wenn sie dich auf einmal kacke finden würde".

Wieder nickte ich leise. Mittlerweile war ich am Bahnhof angekommen, weshalb ich meinen Zigarettenstummel in einen Mülleimer schnipste und die Treppen hinunter zum Gleis betrat.

"Ich lege mal auf, Lili. Bitte sag ihr, was du für sie empfindest. Sonst komme ich bald mal nach Deutschland und boxe dich ein bisschen. Oder ich lasse Katharina auf euch los".

"Oh Gott, bitte nicht", rutschte es mir heraus. Hanna lachte, bevor wir unser Gespräch beendeten und ich in den Zug stieg.

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt