1. - Gedankenkarusell

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Ich wurde vom ohrenbetäubenden Geräusch meines Weckers wach und versuchte ungeschickt, das Höllengerät mit einer schwungvollen Bewegung ruhig zu stellen.
Wie jeden Morgen misslang mir dies und ich musste schließlich doch die Augen öffnen, um dem schrecklichen Geräusch zu entgehen.

Widerwillig stand ich auf und öffnete die Gardinen um dem zarten Morgenlicht, welches mich in letzter Zeit häufig empfing, ein wenig Raum zu geben.
Dann traf ich meine Mitbewohnerin Nina in der Küche, wo sie mir prompt mitteilte, dass sie in den nächsten zwei Wochen bei ihren Eltern in Wales unterkommen würde.
Sie wollte sich dort auf ihre Prüfungen vorbereiten.

Ich freute mich über diese Mitteilung, denn obwohl Nina eine recht angenehme Mitbewohnerin war, hatte eine leere Wohnung doch Vorzüge.
Ich nickte stumm und wünschte ihr anschließend viel Erfolg beim Lernen, bevor ich mir an der Kaffeemaschine zu schaffen machte, um mir zumindest ein wenig Lebensenergie einzuhauchen.

Der Rest des Tages verlief in meinem üblichen Trott, der sich eingeschlichen hatte, seit die Tage wieder kürzer wurden und die meisten anderen Studenten sich ebenfalls in ihren Wohnungen verkrochen.

Ich besuchte meine Vorstellung in Neuere Gesichte und ein Seminar in Englisch und verbrachte meinen Nachmittag in der Bibliothek, wo mich die Tristesse meines Daseins irgendwann überwältigte.

Also wanderte ich zurück nach Hause und fand eine von Nina bereits geräumte Wohnung vor, verkroch mich schließlich mit einem Buch im Bett.

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Am nächsten Tag wiederholte sich ebendieser Trott, bis ich am späten Nachmittag einen Anruf von einer unbekannten Nummer erhielt und mit einem fragenden „Hallo" das Gespräch annahm.

Ich saß noch in der Bibliothek und stöberte durch ein uraltes Lehrwerk.

„Lili?", am anderen Ende erkannte ich eine mir sehr vertraute Stimme. Für einen Moment zögerte ich.
War sie das wirklich? Sie klang verheult. Woher hatte sie meine Nummer?

„Katharina?", fragte ich entgeistert und klappte das Buch vor meiner Nase zu. Ich erhob mich und packte eilig meine Sachen zusammen, denn die anderen Studenten warfen mir schon feindselige Blicke zu.

„Jap", antwortete meine beste Freundin aus Schulzeiten knapp und schien einen Moment zu überlegen, „Lili. Tut mir leid, dass ich dich jetzt anrufe. Ich habe deine Nummer von Hanna. Ich muss einfach mit jemandem darüber reden, der das versteht".

Mein Herz pochte ein wenig schneller, schließlich hatte Katharina sich seit etwa vier Jahren nicht einmal zu meinem Geburtstag bei mir gemeldet.
Ich war gespannt, wie wichtig ihr Anliegen nun war und besonders, warum sie das nicht mit einfach mit jemand anderem besprechen konnte.
„Meine Mama ist wieder krank".

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Nach einem langen Gespräch mit Katharina, in dem ich versucht hatte, sie in Anbetracht der erneuten Krebserkrankung ihrer Mutter aufzubauen, schleppte ich mich unter die Dusche und anschließend ins Bett.

Das Telefonat hatte mich ausgelaugt und auch die Tatsache, dass Katharina mich nach all der Zeit doch wieder kontaktiert hatte, ermüdete mich irgendwie.
Natürlich hatte ich sie nicht abgewiesen, zu gut konnte ich ihre Verzweiflung nachvollziehen und zu vertraut waren mir ihre Sorgen und Ängste, ihre Kraftlosigkeit und nicht zuletzt ihre Stimme gewesen, als dass ich ihr hätte wehtun können.

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Sonntag Abend begab ich mich nach den mehrstündigen Überzeugungsversuchen zwei meiner Kommilitonen in eine Bar und ließ mir von einer blonden Frau mehr als ein Getränk ausgeben.

Sie war groß, schlank und hatte dunkle Augen, die unablässig über meinen Körper wanderten und ein angenehmes Gefühl in mir auslösten. Ihr Name war Jessy und im Verlauf des Abends verabschiedeten sich Alexa und Luke, die noch immer behaupteten, kein Paar zu sein, mit zuckenden Augenbrauen und einem breiten Grinsen auf den Lippen, von mir.

Sie ließen mich versprechen, ihnen an unserem nächsten Seminartag alles zu erzählen.
Ich lachte und nickte, während Jessy ihre Hand auf meinem nackten Oberschenkel weiter nach oben wandern ließ und langsam aber sicher ein bekanntes Ziehen in meinem Unterleib verursachte.

Wir blieben noch eine Weile in der Bar, bevor Jessy mich vor der Tür der Kneipe gegen einen Mauervorsprung drückte und mich fordernd küsste.

Ihre Hände wanderten unter mein dünnes Oberteil, ließen mich fröstelnd erzittern und das Ziehen zwischen meinen Beinen zunehmen.
„God, I want you", hauchte sie in mein Ohr und löste sich von mir. Ich lächelte sie vorsichtig an und nahm ihre Hand, um sie hinter mir her zu ziehen.

Sie folge mir in die von Nina leer zurückgelassene Wohnung.
Sie küsste mich und zog mich aus, noch während wir durch den Eingangsbereich unserer Wohnung taumelten.

Wir hatten Sex. Guten, bedeutungslosen Sex.
Sex, von dem Nina hoffentlich niemals erfahren würde. Sie mochte es nicht, wenn Fremde in der Wohnung waren.

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Am nächsten Morgen frühstückten wir gemeinsam und unterhielten uns über unseren Alltag in London und meine Familie in Deutschland.

Irgendwann verabschiedeten wir uns voneinander und sie schrieb mir ihre Handynummer auf.
Ich warf den Zettel weg, ich würde sie ohnehin nicht anrufen.

Später fand ich eine kurze Nachricht von Katharina auf meinem Handy, die sie wohl schon gestern Abend verfasst hatte.

Danke, dass du für mich da warst. Tut mir leid, dass das so plötzlich kam. Ich würde mich freuen, auch etwas aus deinem Leben zu hören. Meine Nummer hast du ja jetzt.

Ich zögerte, speicherte Katharinas Handynummer dann aber in meinem Smartphone ein und beschloss, ihr später eine kurze Nachricht zurück zu schreiben und mich bei Gelegenheit nach ihrer Mutter zu erkundigen.

Schaden würde es sicherlich nicht.
Ich wanderte für einige Stunden in London umher, etwas, was ich gerne Tat um meine Gedanken zu sortieren.

Das ständige Gewusel und die viel Eindrücke beruhigten mich fast jedes Mal.

An diesem Tag fand jedoch durch das in mir entfachte Gedankenkarrusel keine Ruhe.

Katharinas Worte, sie nach all den Jahren wieder zu hören, die Beschreibung ihrer kranken Mutter und ihrer Verzweiflung darüber hatten mich zurückgeworfen in eine Zeit, in der ich mit genau diesen Problemen selbst zu kämpfen gehabt hatte.

Mit dem kleinen Unterschied, dass ich jünger gewesen war und eine beste Freundin gehabt hatte, der ich alles anvertrauen konnte.

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt