13. - Dauernd

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Am nächsten Morgen erwachte ich mal wieder vom Klang meines Weckers und schälte mich missmutig aus dem Bett.
Ich schlich in die Küche und machte Kaffee, darauf bemüht, keinen Blick auf mein Handy zu werfen.

Noch immer bereute ich es, die Nachricht an Sara verschickt zu haben.

Dass das ganze mitten in der Nacht passiert war, machte es nicht gerade besser. Jetzt wusste sie, dass ich Tag und Nacht an sie dachte.

Einen kurzen Moment war ich verwirrt über die Stille in der Wohnung, doch dann fiel mir wieder ein, dass Nina sich am Abend zuvor mit diesem Typen aus dem Staub gemacht hatte.

Mit meinem Kaffee und einer Zigarette setzte ich mich auf den Balkon, wo ich in Anbetracht meiner leichten Bekleidung, die nur aus Pyjamahose und T-Shirt bestand, doch ein wenig fror.

Meine Gedanken kreisten unablässig um das Gespräch mit Katharina, das sich fast genau so angefühlt hatte, wie zu Schulzeiten. Mit einem entscheidenden Unterschied. 

Meine Freundin hatte sich ehrlich für mich gefreut und mit meinen Gefühlen mitgefiebert, obwohl sie selber gerade eine schwere Zeit durchmachte. Etwas, das von einer etwas jüngeren Katharina niemals zu erwarten gewesen wäre.

Ich beschloss, ihr bei meinem nächsten Aufenthalt in Deutschland einen kleinen Besuch abzustatten. In diesem Zusammenhang fiel mir auch auf, dass ich mich schon ziemlich lange nicht mehr bei meinem Vater gemeldet hatte.

Ich rief ihn also an - natürlich per Festnetz, mein Smartphone rührte ich noch immer nicht an - und verabredete mit ihm, noch vor Weihnachten eine Woche bei ihm zu verbringen. Er freute sich sichtlich über meinen Anruf und für einen Moment wurde ich von einer Menge Zuneigung für ihn überwältigt.

Wie so oft plagte mich das schlechte Gewissen, mich so wenig bei ihm zu melden.
Ich wusste, dass es für ihn das tollste auf der Welt war, dass ich die Möglichkeit hatte, hier in London zu studieren.

Doch auch er litt darunter, mich so selten zu sehen.
Besonders, seit mein jüngerer Bruder zu Beginn des Jahres ebenfalls ausgezogen war.

Ich verbrachte den Vormittag mit einer Recherche für mein aktuelles Seminar in Geschichte und unternahm am frühen Nachmittag einen kleinen Spaziergang zum Supermarkt meines Vertrauens.

Irgendwann konnte ich mich nicht mehr davon abhalten und schaltete mein Handy doch ein, um festzustellen, dass Sara bereits heute Nacht auf meine Nachricht geantwortet hatte.

Nur wenige Minuten, nachdem ich sie versehentlich verschickt hatte, hatte Sara bereits geschrieben.

Freut mich, von dir zu hören. Und jetzt deine Nummer zu haben, beruhigt mich auch.
Ich denke dauernd an dich.

Der letzte Satz ihrer Nachricht brachte mein Herz zum Rasen, ich blieb prompt in der Gemüseabteilung stehen und starrte auf mein Handy.
Dauernd.

Dauernd traf es ganz gut. Ich grinste in mich hinein, machte einen Screenshot und schickte ihn an Katharina.

Ich fühlte mich wieder wie ein Teenager, doch ich konnte nichts dagegen unternehmen. Ich brauchte Katharinas Rat, denn Saras Antwort rief mich nicht geradezu dazu auf, mich weiterhin bei ihr zu melden und brachte mich zum Grübeln.

Zu viele Fragen plagten mich. Was wollte sie? Was sollte das Ganze bewirken?
Dass wir eine gemeinsame Zukunft hätten, schien mir ausgeschlossen. Schließlich war unser Altersunterschied doch recht groß, Sara hatte zwei kleine Kinder und ich wusste nicht einmal, ob sie sich eine romantische Beziehung mit einer Frau überhaupt vorstellen konnte.

Im Grunde war das, was zwischen uns geschehen war, wirklich nicht weiter als ein sehr physisches Zusammentreffen gewesen.

Was also sollten die Zuneigungsbekundungen, von denen auch ich mich nicht freisprechen konnte.

‚Ich denke an dich', was sollte das überhaupt heißen. Ich schüttelte über meine eigene Verwirrung den Kopf.

Ich denke an deinen Körper und wie du mich berührt hast. Das hätte ich schreiben können.

Oder: Ich denke an dein Lachen und deine Augen und deine Stimme. Auch möglich.

Das wären jedoch zwei vollkommen verschiedene Sachen gewesen und ich zerbrach mir den Kopf, welche der Optionen Saras Nachricht wohl kundtat.

Als ich gerade wieder zurück in der Wohnung angekommen war, klingelte es an der Tür und ich ließ Nina, die einigermaßen durcheinander vor mir stand, eintreten.

Sie trug noch immer - oder wieder? - das Glitzeroberteil, mit dem wir gestern gemeinsam aufgebrochen waren und ihre hellen Haare sahen ziemlich zerzaust aus.

Kurz machte ich mir Sorgen, doch dann sah ich das kleine Lächeln auf ihren Lippen.
„Hi", sagte ich vorsichtig und folgte ihr in die Küche, „Alles gut?".

Sie nickte selig und ließ sich auf die Couch fallen.

„Es war toll", erzählte sie mir, „Lili. Du solltest dich auch mal verlieben".

Ich musste lachen, „Ganz ruhig. Du hast ihn ja erst einmal gesehen".

„Ja. Aber...", meine Mitbewohnerin schüttelte ungläubig den Kopf, „Ich spüre da einfach ganz viel in mir drin".

„Wenn du meinst...", entgegnete ich ihr nur mit einem Lächeln und dachte mir meinen Teil, bevor ich mich daran begab, uns ein kleines Abendessen zu zaubern.

-

Oha. Dauernd!!
Was machen wir jetzt?!

So lautete Katharinas Nachricht, die ich am Abend mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete.

Keine Ahnung. Ich dachte, du hast eine kreative Idee.

Tippte ich kurz in die Tasten und versuchte, mich wieder meinen Notizen zu widmen, was jedoch erneut durch Katharina sabotiert wurde.

Wenn ich es mir aussuchen dürfte, würde ich mir von dir ihre Nummer geben lassen und sie fragen, wann wir uns sehen können.
Und dann würde ich sie bei nächster Gelegenheit flachlegen.

Ich musste schmunzeln, obwohl ich meinte, in Katharinas Nachricht einen Funken Wahrheit zu sehen. War sie doch, nach all den Jahren und dem Spruch, den sie mir neulich gedrückt hatte, ein kleines bisschen eifersüchtig auf mich?
Nicht, dass es dafür einen Grund gegeben hätte.

Nein, Spaß.
Aber im Ernst, Lili. Lass dir das bitte nicht von falschem Stolz zerschiessen.
Sag ihr, dass du sie gerne sehen möchtest.

Und wie stellst du dir das vor? Soll ich mich nach Hause Beamen? Oder sie hier her?

Katharinas nächste Nachricht ließ ein Weilchen auf sich warten, weshalb ich mich wieder über meine Uni-Sachen her machte.

Ich gab jedoch schnell auf und stellte mich in Anbetracht der späten Stunde kurz unter die Dusche, bevor ich mich ins Bett verkroch.
Katharina antwortete mir schließlich und wir chatteten bis spät in die Nacht.

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt