36. - Eskapaden

132 7 3
                                    

Also standen Katharina und ich da. Im ersten Moment ein wenig verloren in der Küche der Frau, die wir beide seit unsere Jugend zutiefst bewundert hatten.
Ratlos sahen wir uns an, bevor wir uns schulterzuckend zuprosteten und den Raum ein wenig genauer in Augenschein nahmen.

„Holy Shit", sagte Katharina, „Diese Frau ist wirklich einfach nur noch heißer geworden in den letzten 5 Jahren".
Ich nickte stumm.
„Und Lili", ergänze die dunkelhaarige Frau mir gegenüber nun mit hochgezogenen Augenbrauen, „So wie sie mit dir spricht, und so, wie sie offensichtlich mit ihren Freunden über dich gesprochen hat, das kriegst du nicht nochmal".

Wenige Minuten später beschlossen wir, uns mit einer Zigarette auf den Balkon zu begeben.
Ich stieg durch den schmalen Durchgang und stellte fest, dass außer uns scheinbar noch niemand auf die Idee gekommen war, den Balkon zu nutzen. Wahrscheinlich wusste aber auch ein Großteil der Besucher nicht, dass es ihn gab, so versteckt, wie er der Küche angeschlossen war.

Ich ließ mich seufzend auf einen der beiden Gartenstühle fallen und zündete meine Zigarette an. Unwillkürlich musste ich an den Abend denken, den Sara und ich mit einer Flasche Wein und einem Joint auf eben diesem Balkon verbracht hatten. Okay, mit dem Wein hatte Sara recht wenig zu Tun gehabt.
Bei der Erinnerung daran musste ich grinsen.
Sara hatte vorsichtig an der Tüte gezogen, nachdem sie mich zuvor mit kritischem Blick beäugt hatte.
Konzentriert hatte sie ihre vollen Lippen um den Filter geschlossen und sie hatten einen Abdruck hinterlassen, der mein Herz auch jetzt noch höher schlagen ließ.

Das Gras hatte eine erstaunliche Wirkung bei ihr gezeigt. Während ich nur gespürt hatte, wie mein Herzschlag langsamer wurde und sich das durch den Wein entfachte Chaos in meinem Kopf langsam setzte, fing Sara zunächst an zu kichern.
Dann hatte sich ein dunkler Schleier über ihre zuvor hellen Augen gelegt und ihre Hand hatte sich verstohlen in meinen Nacken geschoben, bevor sie ihre Lippen auf meine gelegt hatte.

„Warum kicherst du so?", fragte Katharina, „Erzähl mir bitte ganz genau, was ihr auf diesem Balkon gemacht habt".
„Gekifft haben wir", entgegnete ich schlicht, „Und Sara hatte das schon länger nicht mehr gemacht und war danach, naja", ich zögerte einen Moment, „Also der Weg ins Bett war danach sehr kurz".
Ich grinse weiterhin in mich hinein.

„Achso", sagte Katharina nur, „Wie langweilig".
„Pf", entgegnete ich, „Alles andere als das. Wir haben nicht geschlafen in diesem Bett".

„Oh".

„Lili", ermahnte mich eine raue Stimme aus der Richtung der Küche nun und ich sah, wie sich Saras blonder Haarschopf aus dem Fliegengitter hervorschob, „Du musst doch nicht direkt all meine Eskapaden auspacken".
Mein Herz machte einen Hüpfer, als ich das schelmische Grinsen auf ihrem Gesicht sah.

„Dabei ist das eine meiner Liebsten", entgegnete ich sanft, während Sara durch die Tür zu uns nach draußen trat und sich direkt neben mir anlehnte, sodass wir beide in Katharinas Gesicht schauten.
Genau dieses Gesicht sprach Bände, denn die Augen meiner Freundin waren geweitet, ihre Augenbrauen in die Höhe geschossen und ihr Mund zeigte ein breites Grinsen.

Ich wartete noch auf einen frechen Kommentar von ihr, doch scheinbar hatte Sara ihr, mal wieder, die Sprache verschlagen. Insgeheim ärgerte ich mich jedes Mal ein bisschen, dass es der blonden Frau scheinbar so mühelos gelang, Katharina mundtot zu machen, während ich mich seit Jahren damit abmühte.

„Glaub mir, mir hat diese eine auch ganz gut gefallen", sagte Sara nun und zwinkerte mir zu, während auch sie sich eine Zigarette anzündete.
Die Erkenntnis darüber, wie gern ich sie hatte, traf mich wie ein Schlag, als sie ihre rechte Hand an den Mund führte und gleichzeitig die Linke in meinen Nacken wandern ließ.

Eine Gänsehaut breitete sich auf meinem Rücken aus und ich schloss für einen kurzen Moment die Augen, als ihre Fingerkuppen auf meine Haut trafen und begannen, dort kleine Kreise zu ziehen.
Mein Herz pochte laut in meiner Brust und in meinem Unterleib setzte allein bei dieser winzigen Berührung ein Ziehen ein, das mir beinahe ein Seufzen entlockt hätte.
Zu gerne hätte ich Sara spüren lassen, wie sehr ich mich nach ihr sehnte. Wie sehr ich sie wollte. Alles von ihr. Und wie sehr ich sie vermisst hatte.

Als ich die Augen wieder öffnete bemerkte ich, dass Katharina noch immer schwieg und sich nur dem vor sich stehenden Cocktail widmete, während sie uns beide anstarrte.

„Ich geh mal rein", sagte sie mit einem Male schlicht und stand abrupt auf. Sie nahm ihr Glas in eine Hand, drückte ihre Zigarette aus und machte eine undefinierbare Handbewegung, die wohl andeuten sollte, dass sie uns lieber zu zweit hier sitzen lassen wollte.

Sara und ich starrten ihr perplex nach, bevor die Hand in meinem Nacken ihre sanften Bewegungen wieder aufnahm.
Jetzt entwich mir wirklich ein leises Raunen und ich legte meinen Kopf in den Nacken. Mit geschlossenen Augen nahm ich wahr, dass Sara sich ein Stück nach vorne lehnte und begann, meinen Hals zu küssen.
Sie musste meinen Herzschlag gegen ihre Lippen spüren, so nah war sie mir, und so stark fühlte ich das sehnsüchtige Pochen in mir.

Dann ließ sie von mir ab und stieß sich mit einem Seufzen vom Geländer des Balkons ab, bevor sie mir gegenüber am kleinen Holztisch Platz nahm.
Ich war überrascht darüber, wie Sara mit mir umging. Besonders verstand ich nicht, was sie sich davon erhoffte, so direkt auf mich zuzugehen, schließlich war ich in unser aktuellen Situation irgendwie diejenige, die über die Entscheidungsgewalt verfügte. Zumindest hatte ich das bisher gedacht.

Doch Sara war so indiskret und so besitznehmend in ihren Aktionen mir gegenüber, dass ich mich fast gänzlich machtlos fühlte.
Nicht, dass mir das missfallen hätte. Im Gegenteil, in Anbetracht ihrer Annäherungen regte sich ein Ziehen in meinem Unterleib, welches in den letzten Wochen einfach ausgesetzt hatte.
Ein Ziehen, das nur sie auslösen konnte. Ein Ziehen, das mich schon jetzt in den Wahnsinn trieb und mich ganz fahrig machte.

Sie sah mich einen Moment an, rauchte weiter ihre Zigarette.

„Wie geht es dir?", gelang es mir schließlich, das Gespräch aufzunehmen, obwohl sich diese Frage natürlich etwas albern anfühlte.
Wie sollte es ihr schon gehen, wenn ihr unsere Situation auch nur halb so sehr am Herzen lag, wie mir.

Sara stieß einen leisen, amüsierten Laut aus, „Du stellst schwierige Fragen, Lili. Gerade geht es mir ganz gut, weil meine Freunde hier sind und ich ein bisschen betrunken bin und, weil ich dir nah sein kann. Ansonsten geht es mir jeden Tag unterschiedlich".

Ich nickte stumm. Die wenigen Worte, die mein Gehirn zu formen versuchte, behielt ich lieber für mich.

„Und wie geht es dir?", fragte sie nun und legte den Kopf schief. Wieder einmal verfiel ich in tiefe Bewunderung für diese Frau, der ich offensichtlich wirklich wehgetan hatte, und die Tatsache, dass sie mich trotzdem so offenherzig ansah, und mich eingeladen hatte, und mich jetzt erwartungsvoll anlächelte.

„Eher nicht so gut", murmelte ich und trank einen Schluck von meinem Cocktail. Sara nickte.
„Ich vermisse dich", sagte ich dann, ein wenig unbeholfen.

Erneut nickte die blonde Frau mir gegenüber, „Möchtest du gerne jetzt mit mir besprechen, ob und wie das zwischen uns weitergeht? Oder möchtest du lieber über Nacht bleiben und wir sprechen morgen früh in Ruhe darüber?".

Meine Augenbrauen schossen in die Höhe. Mit einer so offenkundigen Einladung hatte ich nicht gerechnet. Wenn dann eher mit hektischen Küssen im Wohnungsflur, oder betretenen Blicken gen Boden.

Dann nickte ich und Sara lachte. Mein Herz machte einen Hüpfer.
„Das war eine entweder-oder Frage, meine Liebe", sagte sie dann, „Darauf ist „Ja" leider keine Antwort".

„Ich bleibe gerne über Nacht".

Falls Euch besagte Balkoneskapade genauer interessiert, findet Ihr einen kleinen Text dazu unter "Eskapaden" in "Parallelen".

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt