8. - Offenbarung

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Bemüht versuchte ich ungefähr eine Stunde lang, dem Theaterstück, welches Hanna zuvor als ‚Offenbarung' betitelt hatte - natürlich hatte sie bereits jegliche Rezensionen gelesen und sich außerdem mit Nikolas darüber ausgetauscht - zu folgen.

Trotzdem schaffte ich es nicht, meinen Blick auf der Bühne zu halten.

Zu sehr zog mich der Anblick von Saras Gesicht, ihrem Körper in der hellen Bluse und der dunklen Hose, ihr Blick, der meinen immer wieder auffing, an.

Zu sehr dachte ich darüber nach, wie sich ihre Lippen auf meinen anfühlen würden.

Zu sehr hatten mich Hannas Worte auf dem Hinweg durcheinander gebracht.

Das, was ich mir seit Jahren sehnlichst wünschte, schien auf einmal in greifbare Nähe geraten zu sein. Als Sara sich nach einem langen Blickkontakt zwischen uns, der mir fast einen Herzinfarkt beschert hätte, erhob und mit zügigen Schritten aus dem Saal ging, blickte ich panisch zu Hanna, die mich von meiner anderen Seite angrinste und mir bestätigend zunickte.

Von ihren Worten vorhin und ihrem Nicken bestätigt wartete ich noch einige Augenblicke, stand dann ebenfalls auf und folgte Sara in das geräumige Treppenhaus des Theaters.

Dort war alles mit rotem Teppich ausgelegt und ich erblickte Sara, die gegen eine der Fensterbänke gelehnt war und in Gedanken versunken schien.

Als sie mich sah, stahl sich ein Lächeln auf ihre vollen Lippen und ich ging mit großen Schritten auf sie zu.

„Ist alles in Ordnung?", fragte ich sie, milde besorgt, als ich mit etwas viel Schwung vor ihr zum stehen kam.

„Mhm", murmelte sie mir entgegen und ihre verdunkelten Augen trafen meine.

Fuck. Der Ausdruck, den ich in ihrem Blick erkannte, war mir nicht fremd und doch mehr, als ich mir von ihr jemals erhofft hatte.

Ihre leicht roten Wangen ließen mich auf den Wein schließen, den sie zuvor getrunken hatte, und auch ihre Lippen waren nun deutlich dunkel gefärbt.

Mein Herz setzte einen kurzen Moment aus, als sie ihre Hand bestimmt an meinen Nacken legte. Ihre Berührung löste augenblicklich ein Kribbeln auf meiner Haut und ein deutliches Ziehen in meinem Unterleib aus.

Ich biss mir auf die Lippe und blickte ihr fragend in die Augen, während sie mich langsam näher zu sich zog.

„Sara", sagte ich und wehrte mich sanft gegen den Druck, den sie zunehmenden auf meinen Nacken ausübte,
„Was wird das?".

„Ich möchte dich küssen", entgegnete sie mir und ich spürte ihren warmen Atem auf meinen Lippen. Gott. Es fühlte sich an, als würde ich einen Schritt auf eine Treppenstufe machen, die sich in Luft auflöst. Mein Herz raste und tobte in mir.

„Ich weiß nicht...", stammelte ich, „Ich glaube du bist betrunken".

Ihre Augen hefteten sich an meine Lippen, und obwohl ich in diesem Augenblick nichts anderes wollte, als sie zu küssen, sie endlich spüren zu lassen, was ich schon so lange mit mir herum trug, hegte ich plötzlich Zweifel an ihrer Zurechnungsfähigkeit.

Sie lebte seit kurzem von ihrem Mann getrennt, war angetrunken, ihr Vater war vor kurzem verstorben.
Ihr Leben hatte sich einmal herum gekrempeltes und ich war mir nicht sicher, ob ich für sie der richtige Lückenbüßer war.

„Ich bin nicht betrunken", sagte sie und blickte mir ernst entgegen,
„Ich habe nur keine Lust mehr, noch länger auf das zu warten, was ich schon lange will".

Ich seufzte und spürte ihre andere Hand nun an meiner Taille.
Mit meiner Linken Hand stützte ich mich an der Wand neben Saras Kopf ab, während ich mein Weinglas hinter ihr auf die Fensterbank zu stellen versuchte.

Nichts für immerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt