Kapitel #51

6.2K 236 24
                                    

Ich hörte noch wie Frau Merle mir etwas hinterher rief, ignorierte es allerdings gekonnt. Mit vor Wut  zitternden Händen lief ich einfach los; ließ alles hinter mir und verbrannte das Adrenalin mit meinen Beinen. Mindesten eine dreiviertel Stunde lief ich einfach umher und ganz langsam beruhigte sich mein Herzschlag schlußendlich wieder. Wieso hatte Shawn mir das angetan? Er hatte eingewilligt das ganze zu fälschen; es war sogar seine Idee gewesen, aber jetzt wo die ganze Schule mich hassen würde, und das würden sie zweifellos, sagte er gar nichts!

Ohne es zu merken betrat ich den Park, in dem ich Justin das erste Mal begegnet war. Die Errinerungen an diesen Abend strömten in mich ein und ließen mich erschaudern. Es war nach meinen ersten und letztem Date mit Shawn; damals war ich noch so glücklich über diese Möglichkeit gewesen. Hätte ich allerdings gewusst, wie das ganze verlaufen würde, hätte ich es lieber gelassen. Ich hätte Shawn nicht als meinen Freund genommen, Justin nicht kennengelernt und wäre nicht zu diese Mnesch geworden, der andauernd Schule schwänzt, weil er es nicht mehr aushält.

Niedergeschlagen ließ ich mich auf eine Bank nieder, die am Rand des kleinen Weges lag, und winkelte meine Beine an um mich an ihnen festhalten zu können. Gute 20 Meter weiter nördlich stand eine hohe Hecke, die für einen öffentlichen Park erstaunlich gut gepflegt war. Ich wusste ganz genau, was sich dahinter befand. Ein Schauer lief mir Bei der Erinnerung über den Rücken und ließ meine Arme erzittern. Diesen Platz würde ich nie wieder und um nichts in der Welt betreten; das schwor ich mir. Es handelte sich Babel und den Ort, an dem Justin meinen Bruder zusammenschlagen lassen hatte. Mit diesem Ort, würde ich auf ewig nur Schlechtes verbinden können.

Ich wandte meinen Blick langsam wieder ab und musste mit einem Schrecken fest stellen, dass ich nicht länger alleine war. Unbemerkt war eine kleine Gestallt neben mir aufgetaucht und lächelte mich breit an; beinah so, als wäre dies der schönste Tag, den er sich jemals vorstellen könnte.
"Charlie!", quieckte Jaxon glücklich auf und schlang seine Arme seitlich um meine Schultern, es mir tatsächlich ein kleines Lächeln auf die Lippen zauberte. Mir war klar, was Justin meinte, als er sagte, Jaxon wäre anders; trotz seiner Vergangenheit war er einfach der süßeste und glücklichste Junge, den ich jemals gesehen hatte.

Wieder einmal schoss mir durch den Kopf wie merkwürdig es war, dass ein kleiner Junge alleine in diesem Park war. In einem Park, der für Jugendliche als gefährlich galt, und doch spielte er hier, als wäre es ein normaler Spielplatz.
Letztes Mal war er nicht alleine gewesen, schoss es mir durch den Kopf. Panik ergriff mich und ließ erneut das Addrenalin in mir aufsteigen. Ich war noch nicht so weit Justin zu begegnen.

"Jaxon? Bist du alleine hier?", fragte ich und versuchte meine Stimme möglichst ruhig zu halten, damit er mir die Panik nicht anmerken würde. Der Kleine nickte stolz, wobei ihm seine verstrubbelten Haare um die Ohren flogen. Sofort bahnte sich eine Welle aus Erleichterung in mir aus, die man in Anbetracht der Tatsache, dass er viel zu jung war um alleine draußen zu sein, nicht wirklich gutheißen konnte.
"Justin musste dringend weg und da habe ich Ryan überredet mich gehen zu lassen!", erkllrte er mir stolz. Ich hätte ihn in diesem Moment knuddeln können, so süß sah er aus.
"Und das hat er getan?", entgegenete ich etwas entsetzt. Wie konnte ein Mensch-dazu noch Ryan, den ich ganz anders eingeschätzt hatte-so wenig Vernunft zeigen? Jaxon war gerade einmal 5!

Verlegen biss Jaxon sich auf die Unterlippe und schüttelte den Kopf, was meine Verwirrung sofort legte.
"Hat er nicht", gab er leise zu. "Aber ich bin trotzdem gegangen!" Ein Grinsen stahl sich auf seine kleinen Lippen und erhellte sein gesamtes Gesicht.

Wahrscheinlich suchte Justin den Kleinen bereits. Ein Stöhnen drang aus meinem Mund und ließ mich selbst zusammenzucken, so laut war es. Mein Kopf sagte mir, ich sollte den Kleinen nach Hause bringen, bevor etwas geschah, doch mein Herz weigerte sich dies zutun.

"Wieso kommst du eigentlich nicht mehr zu Besuch?", fragte Jaxon mich wie aus dem Nichts und unterbrach meine Gedanken somit. EInen Moment sagte ich nichts, sah einfach nur auf meine Hände hinab und ordnete meine rasenden Gedanken, die nicht wussten, wie sie ihm das erklären sollten.
"Andauernd ist Ashley da, aber ich mag sie nicht", fügte er schließlich noch meckernd hinzu, als ich nach einer Minute immer noch nichts geantwortet hatte. Ein Grinsen huschte bei seinen Worten über meine Lippen.
"Glaube mir, ich auch nicht!" Einen Moment blickte Jaxon mich von der Seite her aufmerksam an, ehe er erneut begann zu reden:"Sie behandelt mich wie einen Hund. Sie hat mir sogar ein Leckerli angeboten, wenn ich 'sitz' auf der Couch mache..." Ein leises Lachen entkam mir. Wahrscheinlich hatte sie damit Schokolade gemeint, aber wie wenig Ahnung musste man denn von Kindern haben, um so dumm zu handeln?
"Du warst netter zu mir. Kannst du nicht wiederkommen?", schmollte der Kleine wieder los, los ich nicht mehr als ein Lachen zur Antwort preis gab.

Ein Zwicken durchdrang augenblicklich meinen Bauch. WIe gerne ich genau das einfahc tun würde; wie gerne ich einfach eine andere Situation haben wollte, in der ich täglich zu Ihnen kommen würde.
"Das geht leider nicht", flüsterte ich schließlich mit einem traurigen Lächeln. Augenblicklich breitete sich Traurigkeit auf Jaxons Gesicht aus, die mir beinah erneut mein Herz brach.
"Warum nicht? Ashley ist so gemein, warum mag mein Bruder sie?" Ein verzweifelter Ausdruck trat in seine Augen und ließ sein sonst so freundliches Gesicht ermatten, womit er mir deutlich zeigte, wie sehr er sie verabscheute.

Weil sie Doppel-D und Arsch hat, schoss es mir durch den Kopf, doch das würde er nicht verstehen; das hoffte ich zumindest. Bei Justins Lebensstil könnte man ja nie wissen, wie viel der Kleine bereits mitbekommen hat.

Ich zuckte nur unschlüssig mit den Schultern und sah anschließend in Richtung der Skyline, die sich hell über den Häusern ausbreitete. Immer noch war ich mir nicht sicher, wie ich jetzt handeln sollte, doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass ich sowieso nicht um eine Begegnung mit Justin drumherumkommen würde, weshalb ich wenigstens richtig handeln sollte.

"Sie tut mir weh..." Seine Stimme war so leise, dass ich es kaum verstand und doch wandte ich meinen Kopf sofort geschockt in seine Richtung, um mich zu vergewissern, dass er es ernst meinte.
"Was hast du gerade gesagt?", fragte ich eindringlich, unsicher ob ich mich nicht doch verhört hatte.
"Sie tut mir weh", wiederholter er sich-nun etwas lauter. Dieses Mal war ich mir zu hundert Prozent sicher, ihn richtig verstanden zu haben, was meinen Hass auf dieses Weib nur noch verstärkte.
"Was genau tut sie?", fragte ich sauer und zwang ihn anschließend sanft mir in die Augen zu sehen. Einen Moment erwiderte Jaxon nichts, sondern ließ seinen Blick einfach nur in den meinen untertauchen, ehe er sich endlich dazu überwandt die folgenden Worte zu sprechen: "Wenn ich nicht mache was sie will, ist sie gemein zu mir. Sie kneift oder schubst mich" Seine piepsige Stimme brach weg und kleine Tränen bildeten sich in seinen Augen, die mich selbst schlecht fühlen lassen konnten.

Noch nie hatte ich so großes Mitleid für einen Menschen empfunden, wie für ihn in diesem Moment. Er sah so putzig aus, wie er da saß und mit den Tränen kämpfte. Entschlossen schloss ich ihn in meine Arme und zog ihn feste an meine Brust, damit er sich an mir festhalten konnte, was er auch augenblicklich mit seinen kleinen Ärmchen um meinen Hals tat und leise zu schluchzen anfing.

Das würde sie bereuen; dafür würde ich sie fertig machen.

frightening, completedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt