Kapitel #71

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Konzentriert lauschte ich den letzten Worten meines Mathe Lehrers. Ich hatte mich den ganzen Tag nur auf die Schule konzentriert, doch jetzt, wo ich wusste, dass Justin wahrscheinlich schon am Tor stand und auf mich wartete, war die Motivation so gut wie weg. Mit all meiner Kraft versuchte ich weiterhin meine Konzentration zu halten, doch jedes Mal wenn der Buchstabe 'j' oder 'b' in einem Satz vorkam, schweiften meine Gedanken ab. Man sollte Schule verbieten, wenn man gerade verliebt ist!

"Kommt schon Leute, das habt ihr in der 5. Klasse gelernt so was braucht ihr als Grundlage! Ihr könnt doch nicht alle vergessen haben, wie man Brüche miteinander dividiert!" Hätte er nach multiplizieren gefragt, hätte ich ihm sogar die Antwort geben können, aber dividieren...wann musste ich das das letzte Mal machen?

Mein Lehrer hob Aufforderung die Hände in die Luft und drosselte uns somit an, ein wenig mehr Elan zu zeigen.
Doch bevor er auch nur einen von uns hätte vorführen können, klingelte die Glocke und entlaste uns alle aus dem Unterricht.
"Charlie, bleibst du bitte noch einen Moment?", schrie Herr Pisano über die Geräusche meiner Mitschüler hinweg. Nicht gerade begeistert willigte ich ein und ließ mich wieder auf meinen Platz nieder. Gedankenverloren starrte ich gegen die Wand und wartete darauf, dass auch der letzte Streber den Raum verließ.

"Charlie ich mache mir Sorgen um dich", begann Herr Pisano schließlich mit einer ehrlichen Sorge in der Stimme.
Mit großen Schritten kam er von seinem Pult aus zu mir hinüber gelaufen und setzte sich wortlos auf den Platz neben mir, den bis vor ein paar Sekunden noch Scarlett belegt hatte, ehe er mich aus eindringlichen Augen heraus aufmerksam anblickte.
"Du warst in letzter Zeit nicht du selbst. Deine Noten haben nachgelassen und die Klausuren von letzter Woche werde ich mit einer 3-  benoten müssen. Und da bist du schon gut mit weggekommen...Nicht, dass das schlecht sei, aber nichts zu deinen Verhältnissen!" Einen Moment hielt  er inne und ließ mich die Nachricht verdauen.

Scarlett und Maria würden für eine Drei in Mathe töten, doch für mich war es traurig. Mathe war eins meiner besten Fächer und ich hatte nie nachvollziehen können, wie Leute Probleme damit haben konnten, doch die Arbeit letzter Woche hatte mich total überrascht. Um ehrlich zu sein hatte ich nicht einmal gewusst, dass wir sie schreiben. Alleine da sollten alle Sirenen in mir lautstarks schrillen, doch das taten sie merkwürdiger Weise nicht.

"Es wird nicht mehr vorkommen", versprach ich ihm vorsichtig und ich meinte es auch so. In meinem Privatleben schien endlich alles rundzulaufen, mehr oder weniger jedenfalls, und ich würde mich nun nur noch auf Schule und Justin konzentrieren. Diese zwei Dinge werde ich jawohl noch unter einen Hut packen können, oder?

"Ich habe mit deinen anderen Lehrern gesprochen, sie alle nehmen diesen Leistungsfall wahr. Nur Frau Merle besteht darauf, dass du dich seit gestern wieder verbessert hast. Ich mache mir Sorgen um dich Charlie...Wenn dich irgendetwas belastet, kannst du mit mir reden. Ich arbeite nicht umsonst auch als Vertrauenslehrer an dieser Schule."
Sanft legte er eine Hand auf meine Schulter und streichte beruhigend mit seinen Fingern über meine Haut, was mich tatsächlich beruhigte, obwohl es leicht pädophil wirkte.

"Es ist alles wieder in Ordnung. Mein Bruder, er wird in eine Entzugsklinik gesteckt und es liegt eine schwere Zeit für mich und meine Familie hinter uns, aber es ist alles gerade am Laufen und ich verspreche Ihnen, dass ich mich wieder bessern werde!", murmelte ich schon beinah flehend. Wenn alle Lehrer das so sahen, konnte ich schon mein Zeugnis dieses Jahr sehen.
"Charlie Lewis hat es leider nicht in die 12. Klasse geschafft", alleine der Gedanke daran, ließ die Panik in mir aufsteigen.

"Das würde ich mir sehr wünschen", meinte Herr Pisano nach ein paar Sekunden des Überlegens knapp. Mit einem schiefen Lächeln sah er mich an und irgendwie beruhigte es mich, dass er trotz allem so nett war.
"Falls du doch reden willst, mein Büro steht dir immer offen. Und jetzt kannst du gehen dein Freund wartet sicher schon" Er zwinkerte mir leicht zu und stand dann auf, um seine eigenen Sachen vom Pult zu.

Etwas verwirrt sah ich ihm hinterher und versuchte seine Aussage richtig zu verstehen, doch all dies endetete immer nur bei einem GEdanken, der schlichtweg unmöglich schien.
"Lesen Sie die Open secrets?", rutschte es mir schließlich doch raus, wofür ich mich selbst hätte schlagen können.
"Gelegentlich", gab er mit einem verlegenen Lächeln in meine Richtung zu. In diesem Moment würde mir klar, was wirklich los war; er machte sich nicht einfach nur wegen meinen Noten Sorgen! Er hatte mein Leben nachlesen können und hat es dann auf meine Noten zurückbezogen, weshalb er mich auch schlußendlich darauf angesprochen hatte.

Kopfschüttelnd stand ich auf und verließ ohne weitere Worte des Abschieds den Raum. Das sogar ein Lehrer diese Zeitschrift unterstützt ließ mich grübeln. Es wirkte unverschämt, dass diese Zeitung soviel Unterstützung bekam, obwohl sie unsere Leben nur ruinierte.

Mit schnellen Schritten lief ich aufgebracht den Schulhof entlang. Justin war bestimmt schon auf 180, weil ich noch nicht aufgetaucht war. Bei dem Gedanken beschleunigte ich meinen Gang nur noch mehr, da ich Angst hatte, er könnte sonst wieder wegfahren. Mein Herz fing automatisch an schneller zu pumpen und Vorfreude machte sich in mir breit, die ich so nur bei Justin verspürte. Obwohl ich Justin die letzten Tage so gut wie immer um mich herum gehabt hatte, freute ich mich immer noch wie wild sein Gesicht wiederzusehen und konnte diese auch nicht unterdrücken. Immer noch konnte ich nicht so recht fassen, dass er mich wirklich wollte. Justin Bieber, der bestaussehendeste Junge der Stadt und gleichzeitig einer der größten Bad Boys, den man sich vorstellen konnte, hatte sich für mich entschieden. 

Mit einem fetten Grinsen im Gesicht betrat ich den Parkplatz und schüttelte mir sanft die Haare aus dem Gesicht, ehe ich mich aufmerksam umsah. Der Parkplatz stand leer und bis auf den Bus, der gerade einfuhr, konnte ich kein Auto und viel schlimmer noch; kein Motorrad ausmachen, das hier wartete. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich gute fünfundzwanzig Minuten zu spät war.  Vielleicht war Justin einfach schon vorgefahren und wartet nun Zuhause auf mich!

Schnell rannte ich los und ruderte mit meinen Armen, in der Hoffnung der Busfahrer würde noch auf mich warten, was er tatsächlich tat. Schlitternd kam ich schließlich vor der Tür zum Stehen und nickte dem Fahrer völlig außer Atem und doch dankbar zu.

Die ganze Fahrt über saß ich regungslos da und starrte ausdruckslos auf meine Hände. Justin hatte mir extra noch eine Nachricht geschrieben, dass er mich abholen würde. Wo war er jetzt? Ich konnte die ganze Zeit an nichts anderes denken und auch als ich den Bus verließ und den Heimweg anschritt, blieben meine Gedanken bei dieser einen Frage.
So in Gedanken verloren ging der Weg viel schneller um und mit den nächsten Atemzügen stand ich auch schon vor meiner Einfahrt, wo jedoch nirgends Justins Maschine auszumachen war.

Sofort entwich ein ein entnervtes Grummeln meinen Lippen für das Justin mich wohl mal wieder ausgelacht hätte, ich jedoch nicht besonders lustig fand.

Eigentlich sollte ich sogar froh sein; ein Tag für mich, gerade nach dem Gespräch vorhin, kam mir nur gelegen, doch Justin hätte mir ruhig Bescheid sagen können. Mit deutlich schlechterer Laune lief ich die Treppen hoch und stellte entzückt fest, dass ich alleine sein würde.
Mit Justin alleine wäre es zwar noch besser gewesen, doch so schnell wechseln Pläne von einem Nachmittag mit deinem Freund zu einem Nachmittag mit seinen Hausaufgaben.

frightening, completedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt