„Noch eins, bitte". Hier im Goodfish, einer Bar am Prenzlauer Berg, fühle ich mich am wohlsten.
Mit ihrem amerikanischen Stil erinnert sie mich an meine Zeit in New York, dort, wo keine Bar der anderen gleicht und dennoch alle den gleichen Charme versprühen.
Ich konnte mich wunderbar fallen lassen, hatte unzählige Ideen, wenn ich nur um den Block spazierte.
Das Songwriting fiel mir zu dieser Zeit besonders leicht.
Von Einsamkeit keine Spur, viele inspirierende Partys und schöne Abende mit ehemaligen Freunden, von denen ich seit meiner Rückwanderung in mein Heimatland Deutschland, nichts mehr gehört habe.
Das Leben hier ist recht trostlos, einsam.
Wäre ich doch bloß in den Staaten geblieben.
Nur der Liebe wegen hat es mich wieder zurück nach Deutschland gebracht. Das dies ein großer Fehler war, habe ich spätestens letzte Woche gemerkt, als ich nach einem Abend mit den Jungs zurück nach Hause kam.
Eigentlich hatte ich es nicht weit, jedoch regnete es in Strömen. Schneiders Angebot, mich zwei Straßen weiter nach Hause zu fahren, lehnte ich ab.
Ich erhoffte mir durch die stickig-schwühle Luft und dem prasselnden lauwarmen Regen auf meiner Haut in der Dunkelheit eine plötzliche künstlerische Eingebung. Fehlanzeige. Ich stieg die Treppen zum Hauseingang hinauf und schloss die Tür auf. Im Eingangsbereich entledigte ich mich meiner nassen Stiefel und den ebenso nassen Socken, und schlich die kühlen Treppenstufen hinauf.
Ich vernahm leises Kichern aus dem Schlafzimmer und dachte mir, dass meine Freundin Juliet sich wieder mit ihren Serien den Abend versüßte. Ich steuerte geradlinig auf das Bad zu. Mein Ziel war eine kalte Dusche, um die negativen Gedanken -zumindest für diesen Abend- fort zu spülen. Ich linste durch den Türspalt zum Schlafzimmer und traute meinen Augen kaum.
An diesem Abend wurde ich das erste mal in meinem Leben betrogen und mein Herz wurde gebrochen.„Richard?" — „Richard!"
Ich schüttelte mich kurz und sah in die ernsten Gesichter von Olli, Till und Schneider.
„Hast du nicht was vergessen?" grinste Till recht ausdruckslos.
Scheiße. Das zweite mal in Folge.
Jeden Samstag findet das Treffen mit den Jungs statt.
Jede Woche bei jemand anderem aus der Gruppe. Diese Woche wäre ich dran gewesen. Scheiße.
„Wart ihr etwa-„
„Ja!" antwortete Olli schneller, als ich meine Frage ausformulieren konnte.
Ich schwieg. Sie haben bei Juliet geklingelt.
„Ich glaube du hast uns was zu erzählen!"
entgegnete Till scharf.
Ich schluckte.
Das war die harte Realität, vor der ich davon zu laufen versuchte.
Ich wollte mich der Situation nicht stellen, nicht konfrontiert werden.
Bei den Jungs gab es eine Regel: über das Herzeleid wurde geredet. Gemeinsam.
Denn Trübsinnigkeit war bei Auftritten und Proben verständlicherweise fehl am Platz.
„Wo sind Paul und Flake?" fragte ich, nachdem ich meinen Blick einmal durch die Bar schweifen ließ.
„Bei deiner Perle" entgegnete Till.
„Hör mal, das ist nun schon das zweite Mal hintereinander. Man könnte meinen, du möchtest mit uns nichts zutun haben."
Ich wusste keine Antwort.
Ich stand wortlos auf, nahm die Packung American Spirit mit und ging vor die Tür. Ein kleines Rauchereckchen umgeben von Efeuranken und einer Steintreppe, die zur Straße führte. Ich nahm die vorletzte Kippe aus der Packung und zündete sie an.
Hinter mir ging die Tür auf und Schneider kam raus. Er setzte sich vor mich auf die kalte Steintreppe.
„Mensch, du hängst an deinem Lötkolben, wie ein Baby an der Flasche", versuchte Schneider die Stimmung aufzuhellen.
Wie ein Baby an der Flasche...
Sie hatte mit ihren 32 Jahren einen großen Kinderwunsch. Eben dieser verschaffte mir ohnehin schon große Vertrauensprobleme. Ich fühlte mich zu alt für ein weiteres Kind. Im Gegensatz zu Juliet wusste ich auch über die negativen Aspekte des „größten Glückes" Bescheid.
Vielleicht hätte ich ihr diesen Wunsch erfüllen sollen?
Klar, früher oder später wäre unsere Beziehung sowieso an diesem Wunsch zerbrochen. Aber so lang sie nicht unentwegt über diesen Wunsch sprach, war es für mich recht akzeptabel.
„Redest du nun garnicht mehr?"
Ich ärgerte mich zutiefst über diese tiefgründigen Gedanken, die mich jedes Mal meine Außenwelt verdrängen ließen.
„Was?" fragte ich den Schlagzeuger.
„Ich dachte, vielleicht ist es einfacher für dich, darüber zu reden, wenn wir nicht in der großen Runde zusammensitzen. Es muss ja einen Grund haben, weswegen du uns nun schon die zweite Woche in Folge im Stich lässt". Schneider schaute mich mit einem fürsorglichen Blick an.
„Pass auf, es ist okay, keiner ist sauer. Natürlich ist das keine schöne Situation, aber du brauchst nicht denken, dass wir dir Vorwürfe an den Kopf schmeißen."
Ich runzelte die Stirn. Warum ich Vorwürfe für zwei verpatzte Treffen bekommen sollte, erschließt sich mir nicht im geringsten.
„Landers und Flake kümmern sich um Juliet. Sie sah garnicht gut aus. Als sie uns sah, schrie sie uns an. Wir sollen uns zu dem Schwein verpissen."
Ich hob verwundert die Augenbrauen. Das Schwein?
Ich lachte auf und Schneider schaute mich skeptisch an.
Ich schaute ins leere und schüttelte den Kopf. Wie kann sie mich als Schwein bezeichnen? Ich habe alles für diese Frau getan. Ihr, bis auf ihren Kinderwunsch alles von den Lippen abgelesen.
Und nun ist wieder einmal alles vorbei. Mir stiegen die Tränen auf. Ich blickte gen Himmel um meine Verzweiflung und meinen Schmerz zurückzuhalten.
„Pass auf, es ist deine Sache. Wie wir das finden, kannst du dir denken. Aber wenn Juliet damit an die Medien geht, bist du am Arsch. Dein Ruf ist hinüber, wenn du wieder einmal als Fremdgeher in der Zeitung stehst."
„Moment-, was?" ich ließ meine Zigarette zu Boden fallen.
Schneider riss die Augen auf.
„Sie hat nichts dergleichen erwähnt. Aber eine betrogene Frau ist manchmal nicht in der Lage, vernünftig zu denken!"
Ich kam Schneider ganz nahe und rüttelte an seinen Schultern. Wir sahen uns in die Augen und ich fragte scharf: „Was. Hat. Sie. Euch. Erzählt.?"
Plötzlich ertönte eine dunkle Stimme von hinten.
„Du hattest deinen Schwanz in Andrea." sagte Till schroff.
Er war unbemerkt rausgekommen.
„Sie ist nach einem Abend mit den Weibern nach Hause gekommen und hat dich und Andrea in der Dusche erwischt."
Meine Lippen bebten. Ich zitterte. Wie konnte diese Frau es auch nur wagen, die Geschichte so dermaßen zu verdrehen, dass ich als der Fremdgeher da stehe?
Zu meiner unbändigen Wut gesellte sich nun auch noch Enttäuschung und Herzschmerz. Nun konnte ich meine Tränen nicht mehr zurück halten. Ich stieß ein zittriges „Die pack ich mir" aus und rannte los. Meine Fäuste geballt.
„Richard!" hörte ich aus der Ferne. „Richaaaard!"

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Paulchard - Mein Herz brennt!
Fanfic„Eine kurze Rückversicherung. Es war okay. Unsere Gesichter kamen aufeinander zu. Ich spürte einen kurzen Windstoß seines Atems, bevor seine Lippen meine berührten. Ein Blitzschlag durchfuhr mich. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig. Meine Magengeg...