Denn ich find' keinen Schlaf - Schneider

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„Warum reagierst du immer so negativ, wenn es um Richard und Paul geht?" wollte ich von Oliver wissen.
Wir lagen beide in dem modernen Boxspringbett und waren in den sozialen Medien vertieft.
Er ließ sein Handy in die weiße Seiden-Bettwäsche sinken, drehte sein Gesicht zu mir und musterte mich einen Moment lang.
„Ich das jetzt dein Ernst?" fragte er und hob die Augenbrauen.
Ich nickte stumm.
Er schloss die Augen und holte tief Luft.
„Habt ihr eigentlich alle vergessen, was die letzten Monate hier abging?" fragte er wütend.
Fast schon vorwurfsvoll.
„Nein..." gab ich klein bei.
„Erst läuft Richard Gefahr, Vater zu werden, wird's dann doch nicht. Er fällt in ein Loch, Paul kümmert sich. Paul wird mit hochschwangerer Juliet gesehen, Paul, Till und ich werden verprügelt, weil Richard seine Emotionen nicht unter Kontrolle hat."
Er schloss die Augen und ballte seine Fäuste.
„Dann bringt sich Paul beinahe um, weil Richard ihm das Leben zur Hölle macht und wir müssen uns verabschieden. Dann verlernt er das Gitarre spielen und versucht sich erneut umzubringen, nachdem er erfährt, dass Richard eine Alte hat. Paul beginnt eine Therapie, ist gerade wieder auf dem richtigen Weg, da ballert Richard ihm eine dicke Lüge ins Gesicht, von wegen er wäre mit Kate zusammen."
Er atmete scharf ein.
„Und nun fragst du mich allen ernstes, warum ich darauf negativ reagiere, wenn diese Sache zwischen den beiden jetzt schon zum scheitern verurteilt ist? Richard ist ein Pulverfass. Und die Tatsache, dass Paul nicht mehr zur Therapie geht, finde ich absolut scheiße, falls meine Meinung hier überhaupt noch relevant ist. Wenn ihr mich fragt: ich bin ganz klar dagegen."
Ich musste schlucken.
Er hatte die letzten drei Jahre in wenigen Sätzen zusammengefasst. Er holte Vorkommnisse herauf, die ich längst verdrängt hatte.
Ich wusste nichts zu sagen.
Oliver widmete sich wieder seinem Handy.
„Beide sind erwachsene Männer. Wir können es ihnen schwer verbieten." sagte ich.
„Nein, leider nicht." seufzte der Bassist, und fügte hinzu: „ist also nur noch eine Frage der Zeit, bis das alles sein jähes Ende nimmt".
„Wie meinst du das?" fragte ich verwirrt.
„Es sind immer nur Paul und Richard, die der Band Probleme machen. Hat Flake zum Beispiel mal die Band in den Abgrund getrieben?" er schaute mich herausfordernd an.
„Du kannst Flake nicht mit Paul und Richard vergleichen." sagte ich fast lächerlich.
„Richtig." stimmte mir Olli zu.
„Weil Flake privates von beruflichem trennen kann. Das können unsere Saitenzupfer nicht. Und das nur für ein bisschen Spaß."
Saitenzupfer.
War er sich bewusst, dass er einer von ihnen war?
„Olli, hier geht es nicht um Spaß." versicherte ich ihm.
„Das hörte sich vor ein paar Tagen von Richard aber noch anders an." erinnerte er sich.
Er sprach Richards Bemerkung an, bezüglich einer Situation, in der Paul mit Körperlichkeiten noch warten wollte.
„Natürlich gehört Sex dazu. Da Paul aber noch warten wollte, und das nicht kommuniziert hatte, war Richard sauer." versuchte ich die vergangene Situation zu erklären.
„Na da hast du es doch. Wenn er bei so einer Sache schon ausrastet, wird er das in Zukunft auch. Und ob Paul das aushält, weiß ich wirklich nicht. Geschweige denn, wir." spekulierte er.
„Wir haben in den letzten drei Jahren nur Stress wegen den beiden gehabt. Wo soll das hinführen?" fügte er hinzu.
Ich strich die Decke, die auf meinen Oberschenkeln ruhte, glatt.
„Die beiden lieben sich. Du hast es selbst gesehen. Richard kann nicht ohne Paul. Andersrum genauso. Selbst wenn sie versuchen würden, sich voneinander fern zu halten, wie soll das funktionieren? Wir hocken rein beruflich schon aufeinander!" erklärte ich Oliver.
„Wortwörtlich!" murmelte er.

Damit war das Gespräch beendet.
Ich konnte ihn nicht davon überzeugen, die Liebelei zwischen den beiden gut zu finden. Wenn ich darüber nachdachte, war ich mir plötzlich auch nicht mehr sicher, ob es eine gute Idee war, die beiden zu unterstützen.
Andererseits standen wir für die Rechte der Homosexuellen ein. Wieso sollten wir diese Rechte nicht teilen dürfen?
Flake fand es schön. Er freute sich herzlichst für die beiden. Er bemühte sich, bei den Showküssen auf der Bühne nicht hinzuschauen, doch wenn er es trotzdem tat, bekam er das breite Grinsen nicht mehr aus dem Gesicht.
Till wusste, meiner Einschätzung nach, nicht so recht, was er davon halten sollte. Doch wenn es hart auf hart kommen würde, würde er die beiden unterstützen. Dessen war ich mir sicher.
Und ich? Ich gönnte beiden ihr pures Glück. Doch bedeutete diese Beziehung auch Glück?
Wie würde es mit der Band weitergehen, wenn es bei beiden nicht mehr so gut lief? Wenn sie sich trennten oder andere Vorkommnisse im Raume stünden?
Mein Kopf dröhnte, denn ich fand' keinen Schlaf. Der Tag war eindeutig zu anstrengend gewesen. Ich war, wie alle anderen wahnsinnig erschöpft, und so gönnte ich mir doch meinen wohlverdienten Schlaf und knipste das Licht aus.

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⏰ Letzte Aktualisierung: 3 days ago ⏰

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