Zurück in Mathildes Wohnzimmer, forderte Klaus Tom auf:
„So, Tom, dann erzähl uns mal ganz genau, was alles passiert ist, und was Du zu tun gedenkst."
Tom reichte den Brief herum. Als ihn alle gelesen hatten, ergriff wieder Klaus das Wort:
„Also, Sophia und Georgios sind erst mal in Sicherheit. Es war richtig, sie nach London zu schicken, sagt auch Fred. Was den Termin in Lübeck angeht: Ich nehme an, Du willst hinfahren?"
„Ja," nickte Tom. „Wenn ich das nicht tue, werden sie mich holen. Oder erschießen. Und ich habe keine Lust, mich jahrelang zu verstecken. Sophia und Georgios werden auch nicht ewig in London bleiben wollen. Jedenfalls nicht heimlich."
„Das sehen Fred und ich genauso," versetzte Klaus trocken.
Das war eine echte Überraschung.
„Ich hätte jetzt gedacht, er verbietet mir, hinzufahren," meinte Tom.
„Nein, und zwar aus demselben Grund, den Du eben genannt hast."
„Bedeutet das, er schickt mir Lehmanns Truppe und lässt diesen Erich Lütje verhaften?"
„Nein. Wir wollen kein Aufsehen," erklärte Klaus. „Das würde das Problem nicht lösen. Fred meint, Du solltest Dir anhören, was sie wollen. Er glaubt weder, dass sie Dich töten werden, noch, dass sie Dich verschleppen. Er vermutet, dass sie Dich aushorchen wollen. Ein guter Geheimdienstmann würde wohl auch versuchen, Dich umzudrehen, aber eher nicht gleich beim ersten Treffen."
Nikos war ebenso überrascht wie Tom.
„Das heißt also, wir brauchen gar nicht mehr zu diskutieren, ob Tom hinfährt oder nicht," knurrte er. „Aber eins ist klar, Tom: Du gehst da nicht allein hin."
„Da sind wir uns schon wieder einig," sagte Klaus. „Ich schlage vor, wir überlegen mal zusammen, was die von Tom wollen. Danach müssen wir besprechen, wie wir das Risiko minimieren können."
„Erst mal interessiert die sicher, was aus ihren verschwundenen Mitarbeitern geworden ist," vermutete Tom.
„Und was Du damit zu tun hast," ergänzte ihn Nikos. „Und wer alles in die Sache involviert ist."
„Was wissen die über unsere Gruppe?" fragte Klaus.
„Sie werden nicht mehr wissen als Melinda," spekulierte Tom. „Und das war so gut wie nichts. Dass wir zum sozialistischen Widerstand gehören, aber nicht, was wir in den letzten Jahren im Einzelnen gemacht haben."
„Die werden vermuten, wir arbeiten mit einem westlichen Geheimdienst zusammen, um ihre Agenten auffliegen zu lassen," sinnierte Klaus. „An deren Stelle würde ich mich fragen, wieso wir als Sozialisten sowas tun. Fred und ich haben ein Rollenspiel gemacht. Wir haben versucht, uns in deren Lage zu versetzen. Die Leute in Geheimdiensten denken ähnlich, egal auf welcher Seite.
Wir haben dabei einige Widersprüche in Toms Verhalten – soweit die es kennen können – festgestellt. Wir haben uns zum Beispiel gefragt, wieso Tom mit Melinda bei einem libyschen Agenten auftaucht. Wir glauben nämlich auch, dass die davon wissen. Wir an deren Stelle würden diese Widersprüche auflösen wollen und je nach dem Ergebnis des Gesprächs entscheiden, ob Du liquidiert oder „angeworben" wirst. Das Erpressungspotenzial für eine Anwerbung ist ja da, siehe Sophia und Georgios."
„Klaus, setzen wir das Rollenspiel mal fort," meinte Nikos. „Du bist vom MfS. Jetzt erzählt Dir Tom, dass wir den Widerstand finanzieren, indem wir Geheimaufträge ausführen. Er könnte ein Beispiel anführen. Eure Agenten, Klaus, haben unsere Arbeit gefährdet, weil sie möglicherweise die griechische Geheimpolizei auf unsere Spur gebracht hätten. Deswegen mussten wir sie loswerden, und weil wir sie nicht töten wollten, haben wir sie den Engländern verkauft. Nun Du."
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...