22 Vorsicht vor dem Doktor

0 2 0
                                    

Tom und Nikos bestellten ein Taxi und setzten den Arzt an seinem Hotel ab. In der Wohnung warteten die anderen und Reste des Abendessens, auf das Tom und Nikos dankend verzichteten, denn sie hatten ja bereits vorzüglich gespeist. Auch den Fragen der anderen wichen sie vorerst aus: eine Abschlussbesprechung war vonnöten. Sie entschuldigten sich und setzten sich auf den Balkon.

„Das war die komplette Wahrheit," stellte Nikos fest, „bis auf sein angebliches Hobby und den libanesischen Piloten."

„So sehe ich das auch," stimmte ihm Tom zu. „Aber seinen Kontaktmann verrät er uns auch noch, wenn wir Glück haben, schon im Camp. Wenn nicht, wird ihn Mansour befragen, und dem sagt er es bestimmt."

„Ich glaube, das ist nicht nötig," meinte Nikos. „Ich kaufe ihm ab, dass er sich von dem Oberst aus Dankbarkeit hat überreden lassen."

„Könnte es sein, dass er trotzdem weiterspioniert?"

„Niemals. Den Nerv hat der nicht."

„Das schätze ich auch," sagte Tom. „Die interessante Frage lautet: was fangen die Amerikaner mit seinen Ergebnissen an? So richtig Geheimes kann er kaum rausgekriegt haben."

„Es könnte schon sein, dass es so ist, wie dieser Oberst gesagt hat," vermutete Nikos. „Von wegen „im Auge behalten". Es könnte auch sein, dass die Amerikaner, wenn's ihnen zu bunt wird, ein paar Saboteure herschicken. Zum Beispiel wenn Gaddafi die Ölindustrie komplett verstaatlicht. Oder sie schicken einen Bomber, sowas tun sie ja auch schon mal."

„Bomber kann ich mir nicht so gut vorstellen," widersprach Tom. „Ich meine, eine angenommene Giftgasfabrik zu bombardieren, ist die eine Sache, aber deutsche Ölinvestitionen? Ich tippe eher auf Sabotage - das ist schwerer nachzuweisen. Es wird also höchste Zeit, dass diese Task Force vom BND mit den Libyern eingerichtet wird."

Im Wohnzimmer gaben sie den anderen einen Kurzbericht über die Geschehnisse des Abends. Niemand hatte etwas gegen einen weiteren Gast im Camp. Tom fragte den Analytiker der Gruppe:

„Martin, was meinst Du? Verrät er uns seinen wahren Kontakt?"

„Falls der Doktor morgen überhaupt noch da ist, wenn wir ihn abholen. Es könnte ja auch sein, dass er den nächsten Flieger Richtung Europa nimmt. Wenn er das nicht tut, wird er auspacken. Aber wir müssen vorsichtig sein. Ihr solltet erst mal keine Uniformen anziehen, sonst erfahren womöglich die Amerikaner von Eurem libyschen „Nebenjob"."

Am Morgen erstattete Tom Mansour telefonisch Bericht und holte die Erlaubnis ein, den Arzt mit ins Camp zu nehmen.

„Das ist eine gute Idee," meinte Mansour. „Vielleicht redet er freiwillig. Und Martin hat recht: Ihr tretet erst mal als Zivilisten auf. Dann erfahrt Ihr vielleicht mehr."

Am Hotel des Arztes standen die Zeichen günstig: die Rezeption rief in seinem Zimmer an, und wenig später erschien Dr. Peter mit Dschallabija und Rucksack. Tom stellte ihm Martin, Torsten, Klaus, Hamit und Fred vor, der als einziger Cordhose und Hemd der Dschallabija vorgezogen hatte. Phil verzichtete auf den Ausflug in das Camp, um etwas mehr Zeit mit Amira zu verbringen. Tom und Nikos ermahnten Muhammad und Ali, die sie chauffierten, sie auf keinen Fall als Majore anzusprechen - erst mal nicht.

Sie verließen die Stadt in südlicher Richtung. Auf den Feldern arbeiteten die Menschen, Eselskarren transportierten Gemüse in die Stadt oder Getreide zu den Mühlen. Nach einer halben Stunde bogen die beiden Jeeps in die Straße nach Al-Chums ein. Zunächst begleiteten sie noch Olivenhaine und Weideflächen mit kleinen Schaf- oder Ziegenherden, dann überquerten sie eine karge Hügelkette.

Auf der Passhöhe hielten sie an und stiegen aus. Vor ihnen erstreckten sich entlang der Straße Felder und Weiden, in der Ferne war aber schon die Wüste zu sehen. Tom merkte, wie sich die Erlebnisse der vergangenen Tage verflüchtigten und sich dieses Glücksgefühl breitmachte, das er in der Wüste immer empfand.

Die richtigen Leute Band 11: Dürre im SahelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt