Um sieben Uhr am nächsten Morgen versammelten sich alle zum Frühstück in dem großen Zelt. Peter kam als letzter, und ihm war anzusehen, dass er nicht viel Schlaf bekommen hatte. Er überreichte Al-Marzouki seine Ausarbeitung, fast 20 Seiten, denn er hatte die Aufforderung ernst genommen, jede Kleinigkeit zu protokollieren.
„Was für ein Dienstgrad ist das?" fragte er und zeigte auf Toms Schulter.
„Major."
„Das ist ziemlich hoch, nicht?"
„Ziemlich. Warst Du nicht in der Bundeswehr?"
„Nein. Sie wollten mich nicht haben. Ich schätze, weil wir aus Rumänien eingewandert sind."
„Aber Du zählst doch als Deutscher, oder nicht?"
„Das schon. Aber sie haben mich noch nicht mal zur Musterung geholt. Der einzige Vorteil meines Akzents, wie's aussieht."
Nach dem Frühstück begab sich Mansour mit dem MAD-Chef in das Besprechungszelt, während alle anderen, auch die Campsoldaten, unter Toms Anleitung eine halbe Stunde durch die Wüste liefen, was viel anstrengender war als ihre Strandläufe. Peter konnte gut mithalten. Auch bei dem anschließenden Krafttraining machte er eine gute Figur. Dann übten sie eine weitere halbe Stunde Selbstverteidigung, woran er sich aber nicht beteiligte.
„Du hast Kraft und eine ganz gute Kondition," sagte Tom, nachdem sie sich Sand und Schweiß abgewaschen hatten. „Wieso hast Du den letzten Teil geschwänzt?"
„Ich habe zuhause und während des Studiums Basketball gespielt," erzählte Peter. „In Houston hatten wir fast jeden Tag Training und am Wochenende ein Spiel. Aber Kampfsport ist nicht so mein Ding. Ihr habt da ganz schön was drauf."
„Wir haben's hin und wieder gebraucht," versetzte Tom. „So, Männer, was machen wir heute?"
Martin schlug vor, einen Ausritt mit den Pferden zu unternehmen. Er hatte sich schon über ein mögliches Ziel informiert:
„Knapp 8 Kilometer von hier gibt's ein Dorf. Das würde ich mir gerne mal ansehen. Während Ihr gestern weg wart, haben uns die Soldaten erzählt, dass es da eine von diesen neuen Farmen gibt. Es würde mich mal interessieren, wie die funktioniert."
Niemand hatte etwas dagegen, und so bat Hamit die Soldaten, die Pferde zu satteln.
Tom ging zum Besprechungszelt, um Fred und Mansour zu informieren, die ihre Diskussion unterbrachen, als er hereinkam.
„Habt Ihr was dagegen, wenn wir ein bisschen reiten?"
„Macht das," sagte Fred. „Hier dauert's wohl noch eine Weile. Ach, Tom, schick mir doch bitte Torsten. Ich glaube, den brauchen wir hier."
„Mach ich. Mansour, sehen wir uns noch, wenn wir wiederkommen? Wir sind sicher vor 4, 5 Uhr nicht zurück. Wir wollten uns in einem Dorf eine von den neuen Farmen ansehen."
„Ich muss spätestens um ein Uhr zurück," antwortete Mansour. „Tom, lasst Euch Pistolen geben, Nikos und Du."
„Wieso das? Ist das gefährlich hier?"
„Nein, die Leute gehören zu einem Stamm, der die Revolution unterstützt. Aber libysche Soldaten tragen nun mal Waffen. Sonst nehmen Euch die Leute nicht ernst. Wir sehen uns übermorgen."
Torsten begab sich etwas missmutig ins Besprechungszelt. Tom und Nikos bekamen Pistolen, und dann ritten sie, angeführt von einem der Campsoldaten, Richtung Südost. Auf einer steinigen Hochfläche konnten sie galoppieren, aber dann mussten sie vorsichtig in ein Tal absteigen, an dessen Ausgang Grün zu sehen war. Es gehörte, wie sich herausstellte, zu einem winzigen Dorf an der Straße nach Misrata, die hier in einem breiten Tal mit einem armseligen Rinnsal in der Mitte verlief. Ihr Führer erklärte, dass sich der Bach nach jedem Regenguss in einen richtigen Fluss verwandelte.
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...