Am Sonntagmorgen, pünktlich um zehn, waren alle im Besprechungsraum des Stabes für besondere Aufgaben auf der Hardthöhe versammelt: Tom, Nikos, Martin, Phil, Hamit, Klaus, der MAD-Chef und Herr Krüger vom Bundesnachrichtendienst. Überraschend erschien auch der einflussreiche SPD-Politiker Przybilski, der sich aber zunächst nicht aktiv beteiligte.
Herr Krüger erläuterte noch einmal die Ziele ihrer Syrien-Mission: Sie sollten herausfinden, welche Kriegsziele Syrien in einem nicht mehr allzu fernen erneuten Waffengang verfolgte, und ob es in der syrischen Armee unterschiedliche Auffassungen dazu gäbe. Darüber hinaus sollten sie versuchen, Informationen über die innere Stabilität des Landes zu erlangen, das weitgehend von der alawitischen Minderheit beherrscht wurde.
„Ihre dritte Aufgabe betrifft die Kurden," beschloss Herr Krüger seinen Vortrag. „Wie ich schon einmal sagte, gibt es Gerüchte, die Kurden in der Türkei könnten einen Krieg gegen Griechenland nutzen, um einen Aufstand zu inszenieren und einen eigenen Staat auszurufen. Es wäre wichtig, zu erfahren, ob die Kurden in Syrien, Irak und Iran sich beteiligen würden. Im Idealfall bringen Sie uns Informationen darüber, was die Kurden an Waffen haben und woher sie die bekommen. Wir haben zwar wenig Hoffnung, dass Sie mehr herauskriegen als all die Spione, die sich in der Gegend herumtreiben, aber einen Versuch ist es wert. Herr Przybilski hält ja große Stücke auf Sie."
Der SPD-Politiker hatte zwei Punkte auf seinem Zettel:
„Ich möchte den ersten Auftrag, den Herr Krüger Euch gegeben hat, noch etwas präzisieren. Wir wissen, dass König Hussein von Jordanien insgeheim mit Israel verhandelt. Der ist ja ein Fuchs. Rein rechtlich stehen ihm natürlich das Westjordanland und Ost-Jerusalem zu, aber er weiß ganz genau, dass sich die Machtverhältnisse in Jordanien drastisch verschieben würden, wenn sie wieder zu seinem Königreich gehörten. Dann hätten nämlich die Palästinenser eine erdrückende Mehrheit, und seine Leute, die Haschemiten, würden sich nicht an der Macht halten können.
Also ist er bereit, auf die Gebiete zu verzichten und sie den Palästinensern für ihren eigenen Staat zur Verfügung zu stellen, womit es dann keinen Grund mehr gäbe, gegen Israel Krieg zu führen. Und Hussein weiß ganz genau, dass es sein Land die Existenz kosten könnte, wenn sich Jordanien an einem weiteren Krieg gegen Israel beteiligte. Die Frage ist nun, ob es in Syrien hinter vorgehaltener Hand vielleicht ähnliche Ideen gibt, sich auf die Dauer mit Israel zu arrangieren."
„Die Aufrüstung der Syrer spricht nicht dafür," widersprach Tom. „Herr Krüger hat uns ja die Zahlen gezeigt."
„Wir gehen auch davon aus, dass sich Syrien an einem Krieg gegen Israel beteiligen wird," meinte Bilski. „Die Frage ist aber, wollen sie nur den Golan zurück, oder meinen sie es ernst, wenn sie drohen, Israel zu vernichten, anders ausgedrückt, geht es um eine eher begrenzte Aktion oder den totalen Krieg."
„Ich glaube nicht, dass Syrien Israel vernichten will," sagte Nikos. „Jedenfalls meinte General Al-Hamidi, Israel hätte eine Existenzberechtigung, und angeblich sieht das Assad genauso. Es kommt eben nur nicht so gut an, wenn man das in Arabien laut sagt."
„Hört Euch einfach um," forderte sie Przybilski auf. „Ich habe noch einen Punkt, das ist aber mehr ein Hobby von mir. Es gibt eine ganze Reihe deutsche Firmen, die in Syrien aktiv sind, zum Teil als Joint Ventures mit dem Militär, einige sogar als eigenständige Niederlassung. Sie klagen alle über Bürokratie und Korruption. Streut doch mal die Idee einer deutsch-syrischen Handelskammer."
„Machst Du jetzt den Högelmann?" grinste Tom.
„Der Högelmann macht mehr den Bilski, würde ich sagen," korrigierte ihn Przybilski. „Ich versuche immer, in den Ländern, die ich besuche, etwas für die deutsche Wirtschaft zu tun. Und gerade die arabischen Staaten, die kein oder wenig Öl haben, würden von einer besseren Zusammenarbeit mit deutschen Firmen profitieren, gerade auch Syrien. Politisch kommt hinzu: es wäre ganz gut, wenn Assad nicht komplett ins sowjetische Lager wechselte."
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...