Außer Tom war noch jemand hellwach: sein Kompaniechef Werner, der als Zeitverschwendung empfand, faul herumzuliegen, wenn man schon mal in Afrika war.
„Wollen wir einen Rundgang durch die Kaserne machen?" schlug er vor- „Ich könnte etwas frische Luft gebrauchen. Ganz schön stickig hier."
Tom nickte:
„Gute Idee. Komische Kaserne ist das hier, irgendwie. Ich habe, wenn's hoch kommt, fünf Soldaten gesehen, auch kaum Fahrzeuge, und keine Geräusche gehört außer dem Gekreische der Vögel."
„Ist mir auch aufgefallen. Wie bei uns zuhause am Sonntag, nur wärmer."
Sie umrundeten das Militärareal entlang eines Drahtzauns, der viele Lücken aufwies. Es gab nur eine Einfahrt, die von zwei Soldaten bewacht wurde. Während das gesamte Gelände innerhalb des Zauns einen staubigen, rötlich-braunen Lehmboden hatte, war die Einfahrt nicht nur asphaltiert, sondern verfügte wie die Hauptstraße, von der sie abzweigte, sogar über rot-weiße Bordsteine. Da die Wachen im Moment die einzigen sichtbaren Menschen weit und breit waren, sprach Tom sie an.
„Bonjour, messieurs. Ich bin Major Tom aus Libyen, das ist Hauptmann Werner aus Deutschland. Sprechen Sie Französisch?"
„Ja, monsieur. Ich bin Feldwebel Jean, das ist Unteroffizier Abdou. Sie gehören sicher zu dem Flugzeug aus Libyen. Willkommen in Mali."
„Danke, Jean. Wie geht es Deiner Familie?"
Zehn Minuten diskutierten sie Gesundheit und Glück der Verwandtschaft, dann fragte Tom:
„Wohin führt diese Straße?"
„Zum Flughafen und über den Pont des Martyrs in die Stadt. In der anderen Richtung nach Senou, das ist das Dorf da hinten, und dann zur Elfenbeinküste. Das ist die wichtigste Straße in Mali, Herr Major, deswegen hat sie vier Spuren, wie die Autobahnen in Frankreich."
„Eine schöne Straße," antwortete Tom. „Sag mal, Jean, ich sehe gar keine Soldaten."
„Die sind alle bei dem Staatsempfang für die deutsch-libysche Delegation. Warum sind Sie da eigentlich nicht?"
„Die Delegation, das sind Politiker und Diplomaten. Wir sind nur Soldaten. Das kennen Sie doch sicher auch: die Politiker speisen im Saal, wir in der Kantine."
„Ja, es ist überall dasselbe."
„Wie viele Soldaten sind denn normalerweise in dieser Kaserne?"
Jean musste überlegen und mit Abdou diskutieren. Als sie zu einem Ergebnis gelangt waren, sagte er:
„Fünfhundert. Das ist ja eine kleine Kaserne. Die anderen sind viel größer. Hier sind nur Luftwaffensoldaten, Piloten und Techniker."
„Wenn hier 500 Soldaten untergebracht sind, hat meine Kompanie mindestens 1000," sagte Werner auf Deutsch.
„Was hat er gesagt?" fragte Jean.
„Er meinte, ich soll meine Frage präzisieren. Wie viele sind gleichzeitig in dieser Kaserne? Also ohne die Reservisten und die, die gerade Urlaub haben."
„Ach so, das meinten Sie. Dann sind's nur 400."
„Jean, weißt Du, wo die Hilfsgüter eingelagert werden, die wir nicht gleich in andere Städte fliegen?"
„Ja. In der großen Fahrzeughalle. Wir parken die Fahrzeuge draußen, deswegen ist die Halle leer."
„Das ist gut. Dann wird die sicher gut bewacht."
„Hier kommt nicht mal eine Hyäne rein, ohne dass wir das merken."
„Gibt es hier Hyänen?" fragte Tom.
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...