16 Man sollte öfters Autos klauen

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Martin, Klaus und Torsten fühlten sich unbehaglich, und das nicht in erster Linie, weil die Fahrt im Laderaum des Bedford nicht wirklich bequem war. Vielmehr machte ihnen zu schaffen, dass keine vernünftige Kommunikation mit den beiden Männern in der Fahrerkabine möglich war. Nikos hatte sie zwar sowohl an der Tankstelle als auch beim Stopp vor dem Haus von Sokrates Christides kurz informiert, aber nun wussten sie noch nicht einmal, wohin genau sie fuhren.

***

Herr Navidis telefonierte mit dem Flughafen, und als er gerade aufgelegt hatte, erhielt er einen Anruf der Außenstelle des Geheimdienstes im Hafen Famagusta:

„Es gab einen anonymen Anruf, zwei Schwerverletzte lägen im Hof einer Firma etwa 5 km von Famagusta entfernt. Messerstecherei. Der Krankenwagen hat gleich die Polizei mitgenommen, aber die haben nur sehr viel Blut gefunden. Das Lagerhaus ist leer, die Firma ist wohl in Konkurs."

„Irgendein Hinweis, was passiert ist?" fragte Navidis nach.

„Nein. Das heißt, vielleicht doch. Wir wissen, von wo der Notruf kam, eine Tankstelle. Der Mann, der die Verletzten gemeldet hat, war ein Grieche vom Festland, sagt der Kassierer. Er fuhr einen braunen Bedford-Van ohne Fenster. Wir wissen also nicht, ob in dem Wagen weitere Personen waren. Ach so, der Melder trug einen Anzug mit deutlichen Blutspritzern."

Herr Navidis versuchte, sich einen Reim auf die Geschehnisse zu machen. Es hatte offenbar einen Kampf gegeben, aber von wem stammte das Blut? Von den Entführern oder von den Entführten? Ein Grieche vom Festland: Nikos oder ein EOKA-B-Mann? Was bedeutete es, dass beim Eintreffen der Ambulanz niemand mehr vor Ort war? Dass die Entführer ihre Opfer nach einem Kampf überwältigt und an einen anderen Ort gebracht hatten? Aber warum hätten sie dann den Notruf absetzen sollen? Weil sie panisch waren?

Hatten sie sich, nachdem sie den Krankenwagen gerufen hatten, umentschieden, nämlich die Verletzten selbst abzutranportieren? Was Sinn machte, wenn es Leute von den Entführern waren. Die würden die Krankenhäuser meiden. Oder hatte die deutsch-griechische Gruppe die Entführer überwältigt und war nun auf der Flucht? Aber wo waren dann die Entführer? Die würden die Deutschen wohl kaum mitnehmen. Oder etwa doch?

Er hatte nur einen Anhaltspunkt: das Auto. Ein brauner Bedford-Van ohne Fenster: die Nationalgarde hatte diese Fahrzeuge, die Briten sowieso, die UNO auch, und nicht zuletzt viele kleine Betriebe auf der Insel. Er gab eine Fahndung nach einem solchen Wagen heraus. Auffällige Beobachtungen sollten ihm gemeldet werden, man sollte aber das Auto nicht anhalten.

Kurz überlegte er, ob er Straßensperren anordnen sollte, verwarf den Gedanken aber. Wenn die Geiseln noch in der Hand ihrer Entführer waren, wäre das zu gefährlich. Wenn nicht, wäre es überflüssig. Ohne große Hoffnung auf einen Erfolg wies er einen Mitarbeiter an, die Krankenhäuser durchzutelefonieren. Eine halbe Stunde später wusste er, dass niemand mit einer Stichverletzung eingeliefert worden war.

***

Gegen Abend beendeten General Al-Hamidi und Major Al-Shukri ihren Rundgang durch Famagusta. Die Hafenstadt war voller Menschen: Touristen besuchten die antiken Stätten, britische Soldaten von der nahegelegenen Basis Dekelia waren auf dem Weg in die Bars, Einheimische beim Einkaufen. An jeder Kreuzung patroullierten Polizisten, und die Syrer folgerten nicht ganz zu Unrecht, dass die deutsche Delegation der Grund dafür war.

General Al-Hamidi diskutierte mit Amir Al-Shukri, ob die jungen Männer wohl ihren Entführern entkommen würden.

„Sie haben sich anscheinend in bestimmten Kreisen ziemlich unbeliebt gemacht," meinte der Major. „Sagt jedenfalls der hiesige Geheimdienst. Trotzdem. Sie kennen ja die Berichte aus Libyen. Ich glaube, wir werden morgen oder übermorgen mit denen an einem Tisch sitzen. Inch Allah."

Die richtigen Leute Band 11: Dürre im SahelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt