20 Drei Tage Dünnpfiff

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Gegen sechs Uhr kam dann Herr Navidis mit General Lehmann und seinen Leuten zurück. Alle versammelten sich in einem größeren Besprechungsraum, wo ein Buffet mit vielen kleinen Häppchen aufgebaut war, darunter eine silberne Platte mit Loukoumades, die allerdings nur noch lauwarm waren. Als gerade alle mit einem Teller voller Köstlichkeiten an einem großen Tisch Platz genommen hatten, traten zwei Soldaten der Nationalgarde ein und postierten sich links und rechts der Tür. Ihnen folgte Erzbischof Makarios.

Lächelnd bat er Nikos:

„Stellen Sie mir bitte die Herren vor."

Nikos fiel ein, dass er etwas Wichtiges vergessen hatte:

„Herr Erzbischof, bitte entschuldigen Sie, ich habe ganz vergessen, Sie von der libyschen Sonderbotschafterin, Miss Al-Gaddafi, zu grüßen. Sie wäre gerne mitgekommen."

„Ich danke Ihnen. Ich hätte sie gerne wieder getroffen. Eine außergewöhnliche junge Frau. Aber angesichts der Ereignisse ist es sicher besser, dass sie in Tripolis geblieben ist."

Der Präsident ging, angefangen bei Al-Hamidi, von Mann zu Mann und schüttelte jedem die Hand, und sagte dann:

„Bitte setzen Sie sich. Ich möchte Ihnen danken, dass Sie Ihre wichtigen Gespräche auf Zypern abhalten. Als Anhänger der Blockfreien Bewegung befürworten wir den Dialog zwischen Parteien, die sich eigentlich feindlich gegenüberstehen."

Eine halbe Stunde ging es dann um die Situation auf Zypern, die der Präsident schließlich sehr realistisch zusammenfasste:

„Die Wahrscheinlichkeit, dass es Zypern in seiner jetzigen Form in einem Jahr noch gibt, ist minimal. Wir verhandeln pausenlos, aber wir haben so viel mehr Feinde als Freunde. Und diese Feinde verfolgen ganz unterschiedliche Ziele. Nur in einem sind sie einig: der Staat Zypern soll sterben. Meine Herren, ich wünsche Ihnen eine gute Heimreise und Gottes Segen."

Er schüttelte wieder allen die Hand, bis er zu Nikos kam:

„Ich möchte mit Ihnen noch einmal sprechen, mit all denen, die zum zweiten Mal hier sind."

Tom, Nikos, Martin und Klaus folgten ihm ins Nebenzimmer, wo er Nikos auf Griechisch ansprach:

„Ich habe mir inzwischen die Einzelheiten Ihrer Entführung berichten lassen. Sie sind alle sehr mutig, und Sie verstehen offenbar Ihr Handwerk. Ich stelle Ihnen eine direkte Frage: Könnten Sie sich vorstellen, ich meine damit Sie alle, als meine persönliche Wache nach Zypern zu kommen?"

Nikos' Übersetzung verschlug ihnen erst einmal die Sprache. Tom schwirrten äußerst verstörende Gedanken durch den Kopf. Der Erzbischof, den er fast so sehr verehrte wie den Alten Mann in Athen, musste mehr als verzweifelt sein, wenn er sie um Hilfe bat. Dürfte man eine solche Bitte abschlagen? Andererseits sah er sich als alles mögliche, aber ganz bestimmt nicht als Bodyguard. Und was würde dann aus all den Aufgaben, die die Gruppe hatte? Dürfte er überhaupt darüber nachdenken, sie im Stich zu lassen? Abgesehen davon, dass er aus der Bundeswehr desertieren müsste. Trotzdem: konnte man Makarios seine Bitte abschlagen? Man musste es, aber es fühlte sich wie Verrat an.

Die anderen plagten sich mit ähnlichen Gedanken herum. Nikos antwortete absichtlich auf Englisch, damit ihn alle verstanden:

„Herr Erzbischof, wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen. Aber Sie wissen ja, dass es unsere Aufgabe ist, den Widerstand gegen die Athener Junta mitzufinanzieren. Wir haben uns versprochen, das so lange zu tun, bis das Regime fällt. Gerade jetzt ist das besonders wichtig, weil der Widerstand in Griechenland wächst und es erstmals seit Langem eine realistische Chance auf eine Rückkehr zur Demokratie gibt.

Unsere Freunde werden im Herbst groß angelegte Aktionen starten. Die Junta ist nicht mehr sehr einig. Teile des Militärs haben sich gegen sie gestellt. Je eher das Regime fällt, umso größer die Chance, dass Zypern nicht annektiert wird. Wir arbeiten also für dasselbe Ziel wie Sie. Ich bitte Sie um Verständnis, dass wir nicht nach Zypern kommen werden, obwohl es jedem von uns eine große Ehre wäre, für Sie zu arbeiten. Wir alle bewundern Sie."

Die richtigen Leute Band 11: Dürre im SahelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt