Björn war auf dem Weg zum Mittagessen in der Kantine, als der UvD ihn aufhielt und zum Kompaniechef schickte.
„Mach die Tür zu und setz Dich," sagte der Hauptmann mit ernster Miene. „Es gibt Neuigkeiten."
Er wartete, bis Björn saß, der verunsichert war. Er war sich zwar keiner Schuld bewusst, aber es war nie ein gutes Zeichen, wenn man zum Chef zitiert wurde, nicht einmal zu diesem.
„Erstens, Dein Urlaub im Juli ist gestrichen," sagte er Hauptmann sichtlich zerknirscht. „Tut mir leid."
„Wieso das denn?" empörte sich Björn. „Das könnt Ihr nicht machen. Ich wollte doch nach Griechenland. Die brauchen mich da, wenn Tom und Nikos in Mali sind. Außerdem hat die ganze Kompanie im Juli Urlaub."
„Tja, da musst Du wohl umplanen," gab sich der Kompaniechef unerbittlich. „Zweitens, Du meldest Dich morgen früh um neun im Bundeswehrkrankenhaus in Hamm."
„Was soll ich denn da? Ich bin doch nicht krank."
„Nicht? Hmm. Ich weiß auch nicht, was die von Dir wollen. Marschbefehl bekommst Du gleich. Sei pünktlich," ermahnte ihn der Hauptmann, dessen Miene sich plötzlich entspannte, als er anfügte: „Drittens, hier ist Deine Abordnungsverfügung für die Zeit vom 13. Juli bis zum 5. August."
Das verstand Björn nun überhaupt nicht mehr:
„Ist der Unteroffizierslehrgang vorgezogen worden? Der ist dann aber ganz schön kurz."
„Nein, kein Lehrgang. Hier steht „Stab für besondere Aufgaben, Hardthöhe, Bonn", sieh mal."
Björn starrte auf das Blatt, das sein Vorgesetzter ihm hinhielt, und da stand wirklich „Stab für besondere Aufgaben." Einen Moment lang herrschte Leere in seinem Kopf, und dann fiel es ihm wie Schuppen von den Augen: Bundeswehrkrankenhaus hieß Impfungen, weil Stab für besondere Aufgaben Mali bedeutete. Mali! Aber er verstand immer noch nicht, was das alles zu bedeuten hatte.
„Weißt Du, was die mit mir vorhaben?" fragte er seinen Chef, der zugab:
„Nicht so ganz genau. Der Adjutant des MAD-Chefs meinte, Du sollst mit nach Mali. Da findet eine Operation unter der Leitung eines gewissen Major Tom statt. Es geht wohl um den Schutz von Hilfslieferungen."
Björn war sprachlos. Er hatte sich in den letzten Wochen immer wieder ausgemalt, wie es wohl sein würde, in Griechenland als Kurier des sozialistischen Untergrunds unterwegs zu sein, und er hatte sich auf die Aufgabe gefreut. Afrika war noch mal ein ganz anderes Kaliber, und „Operation" hörte sich definitiv spannender und gefährlicher an als „Kurierfahrten". Die Angst vor dem Unbekannten, die sich ganz kurz einmal meldete, hatte keine Chance gegen seine Lust auf Abenteuer.
Der Hauptmann sah ihm wortlos beim Grübeln zu und fragte sich, was „Schutz von Hilfslieferungen" wohl genau bedeuten mochte? Er wusste, dass Tom und die anderen schon einmal mit einer Militärmaschine voller Reis von Libyen aus nach Mali geflogen waren, aber eigentlich stand nach seinem Kenntnisstand bei dem Sommerbesuch von Tom und seinen Freunden südlich der Sahara ganz etwas anderes auf dem Plan, nämlich eine Art Urlaub nebst einem Hilfsgütertransport sowie einigen Aufträgen des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Wenn die Aktion drei Wochen dauerte, musste das auch mehr sein als ein Hilfsflug.
„Weißt Du wirklich nicht mehr?" fragte Björn den Hauptmann.
„Nein. Aber übermorgen kommt Tom wieder, der wird's Dir dann schon erzählen. Ich weiß nur eins: ich beneide Dich. Schade, dass ich noch nicht in diesem Stab bin."
„Wann sollst Du denn dahin wechseln?"
„Ich weiß es noch nicht. Der MAD-Chef möchte mich im Herbst holen, sodass ich die beiden nötigen Lehrgänge praktisch nebenbei mache, wenn ich schon im Stab bin. Das ist nicht der normale Weg. Der Divisionskommandeur, General Radermacher, möchte lieber, dass ich hier Chef bleibe und von hier aus die Lehrgänge besuche, und erst danach nach Bonn gehe. Keine Ahnung, wer sich am Ende durchsetzt."

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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Fiksi Sejarah„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...