Tom atmete erleichtert auf. Der erste Teil war geschafft. Nun ging es darum, näher an den Arzt heranzukommen.
„Danke. Das ist wirklich nett von Ihnen. Wenn Sie schon kein Geld wollen, kann ich irgendwas anderes für Sie tun?"
„Danke, das ist auch nett, aber nicht nötig," erwiderte Dr. Rasch freundlich. „Ich schlage vor, wir treffen uns heute Abend, wenn ich hier Schluss habe. Sie könnten mir was über Ihren spannenden Job erzählen. Sie finden ihn langweilig, aber Sie sind bestimmt viel mehr rumgekommen als ich. In der Zwischenzeit überlege ich mir, was ich in Ihr Attest schreibe."
Tom gab vor, angestrengt nachdenken zu müssen. Dann sagte er:
„Also, rumgekommen bin ich schon, aber man sieht doch immer dasselbe: Pipelines, Terminals, Bohrtürme, Depots, Unterkünfte. Und vom Land an sich: Sand. Und wenn man mal wieder was mit den Behörden zu regeln hat, warten, warten, warten. Was Spannendes habe ich wirklich nicht zu erzählen."
Jetzt war er genau an dem Punkt, an dem sich entscheiden würde, ob sie Zugang zu dem Spion erhielten oder nicht. Dr. Rasch meinte:
„Aus Ihrer Sicht vielleicht. Aber wissen Sie, die Ölindustrie ist so ein Hobby von mir. Ich habe in Houston studiert, und seitdem bin ich fasziniert von allem, das mit Ölförderung zu tun hat."
Zum zweiten Mal an diesem Tag jubelte Tom innerlich. Er gab sich größte Mühe, es zu verbergen. Der Fisch hatte angebissen.
„Na, ja, wenn's Ihnen Spaß macht. Kennen Sie die italienische Eisdiele gegenüber der Roten Festung?"
„Nein, aber die finde ich sicher. Ich kann um 7 da sein."
„Gut, das bin ich dann auch. Und schon mal danke."
„Bitte. Sie sind entlassen. Und kein Wort zu Schwester Ulrike."
Tom und Nikos schlenderten hinunter zur Medina, wo sie ein kleines Café fanden, das sich offensichtlich auf Loukoumades spezialisiert hatte. Sie bestellten einen Mokka und eine Portion der Bällchen mit Honig, die hier Luqmat hießen und aus Hirse hergestellt waren. Lecker waren sie trotzdem.
„Willst Du Dich heute Abend allein mit dem treffen oder soll ich mitkommen?" fragte Nikos nach Toms ausführlichem Bericht.
„Es wäre mir lieber, wenn Du mitkommst. Ich werde aus dem Mann nicht ganz schlau."
„Denkst Du, der spioniert für die Amerikaner?"
„Das Studium in Houston geht in die Richtung. Wenn das stimmt. Weißt Du, deswegen bin ich so unsicher. Ich hatte die ganze Zeit das Gefühl, er lügt nicht. Aber ich halte ihn für ziemlich intelligent. So ein Medizinstudium in den USA kriegst Du nicht ohne richtig gute Noten. Ich meine, es gehörte sicher nicht viel dazu, mich als Simulant zu entlarven, aber wie er mir mit den Spritzen in den Knorpel Angst eingejagt hat, das war clever. Andererseits glaube ich, dass er mir meine Geschichte komplett abgenommen hat. Ein echter Spion wäre misstrauisch geworden, oder nicht? Und wenn er so intelligent ist, wie ich glaube, wieso spioniert er hier derart plump in der Gegend herum? Das passt doch nicht zusammen."
„Hmm. Arzt und Amateurspion," meinte Nikos nachdenklich. „Du hast recht, das ist schon irgendwie komisch. Okay, wir müssen zusehen, dass er uns mehr erzählt als wir ihm. Sowas können wir doch, Gangster."
„Aber wir müssen das ganz vorsichtig angehen. Vielleicht ist er noch cleverer, als wir denken."
Der Rückweg zur Wohnung dauerte fast zwei Stunden, weil sie kreuz und quer durch die Stadt liefen, die sich von Besuch zu Besuch immer wieder veränderte. Im Büro tippte Torsten den Bericht, während Klaus mit einem Haufen Zettel neben ihm saß und diktierte. Phil, Hamit und Martin hockten auf Kissen auf dem Balkon, ein kleines Tischchen mit Teegläsern zwischen sich.
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...