Tom spähte aus dem Fenster und konnte schemenhaft drei Gestalten erkennen, die am Boden lagen und von Nikos, Muhammad und Werner mit der Pistole in Schach gehalten wurden. Björn, Khaled, Campmann und der Pilot waren mittlerweile auch wach. Tom knipste das Lämpchen über seiner Sitzreihe an.
„Ihr bleibt hier," sagte er zu Campmann und dem Piloten und öffnete die Tür. Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, dass das Podest der Gangway ein Stück unterhalb der Türschwelle war.
„Vorsicht, Stufe," rief er nach hinten und sprang hinunter.
Muhammad gab sich alle Mühe, die drei mit halblangen Hosen und bunten Hemden bekleideten, höchstens achtzehnjährigen Männer zu verhören - eine recht einseitige Veranstaltung, denn sie schwiegen. Sie lagen auf dem Rücken und hatten die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
„Und jetzt?" flüsterte Nikos Tom zu. „Die sagen nichts."
„Vielleicht sprechen sie kein Arabisch und kein Englisch," vermutete Tom. „Ich versuch's mal mit Französisch. Messieurs, ich bin Major Tom. Darf ich fragen, was Sie hier wollen? Setzen Sie sich auf."
Tatsächlich gehorchten sie. Einer sah zum anderen, bis sich schließlich der Älteste der drei zu einer Antwort durchrang:
„Herr Major, wir wohnen in Senou. Wir haben erfahren, dass hier dieses schöne Flugzeug steht. Das wollten wir uns mal ansehen."
„Ach, stehlen wollten Sie nichts?" fragte Tom misstrauisch.
„Natürlich nicht. Wir interessieren uns nur für Flugzeuge, und eine solche Maschine haben wir noch nie gesehen."
Das Französisch des jungen Maliers war gut, und er schien nicht besonders ängstlich zu sein. Aber waren die drei wirklich nur flugzeugbegeistert? Oder hatte sie jemand geschickt, um die Lage zu peilen?
„Meinen Sie nicht, Sie können das schöne Flugzeug viel besser sehen, wenn es hell ist?" schlug Tom vor.
„Das schon," räumte der junge Mann ein, „aber dann lässt man uns bestimmt nicht her."
Damit hatte er zwar recht, aber Tom war nicht überzeugt, dass es sich nicht um die Kundschafter einer Diebesbande handelte:
„Ich glaube ja eher, Sie sollten auskundschaften, ob es hier Wachen gibt."
„Nein, wirklich nicht."
Tom beriet sich mit Nikos, Björn und Werner, die das Verhör verstanden hatten. Sie waren nicht sicher, ob der Mann log. Tom hatte eine Idee, wie man das herauskriegen konnte:
„Ist doch gut, dass Campmann da ist. Er soll denen das Cockpit zeigen. Er wird merken, ob sie wirklich nur an dem Flugzeug interessiert sind, denn dann werden sie ein bisschen Ahnung haben. Wenn ja, lassen wir sie laufen. Wenn nicht, halten wir sie fest und übergeben sie morgen früh den Maliern. Werner, holst Du mal Campmann?"
Der Hauptmann ging in die Kabine und erklärte dem Lufthansa-Chef, was sie vorhatten. Nikos meinte nach einigem Überlegen, sie könnten die jungen Männer zur Abschreckung benutzen, auch wenn sie wirklich nur Flugzeugfans waren:
„Ich finde, wir sollten sie nicht einfach so gehen lassen. Auch wenn sie harmlos sind, kann es nicht schaden, wenn wir ihnen klarmachen, dass wir es ernst meinen. Du weißt doch, wie sich sowas rumspricht."
„Auch wieder wahr," stimmte ihm Tom zu. „Ich versuche mal, ein bisschen mehr rauszukriegen." Er wandte sich an den Wortführer der drei: „ Monsieur, Ihr Französisch ist gut. Wo haben Sie das gelernt?"
Der Angesprochene entspannte sich sichtlich.
„Wir waren auf dem Lycée Dollarais in Bamako. Im Herbst wollen wir studieren."
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Die richtigen Leute Band 11: Dürre im Sahel
Historical Fiction„Dürre im Sahel" ist der 11. Band meiner Buchreihe „Die richtigen Leute", und bevor Tom und seine Freunde sich an einer Hilfsmission für die Opfer der entsetzlichen Dürre beteiligen, die in den frühen 1970er Jahren die Staaten südlich der Sahara tra...