Irgendwann konnten wir Lena doch noch überreden, die Texte ordentlich zusammenzufassen. Sie klebten jetzt alle auf unserem blauen Plakat. Es handelte sich um das Thema Satzzeichen, das meiner Meinung nach etwas für die Grundschule war. Doch über die Hälfte unserer Klasse konnte keine Punkte, geschweige denn Kommas setzen. Vielleicht lag es einfach an der geistigen Zurückgebliebenheit von den Jungs aus unserer Klasse. Sie dachten alle nur an ihre Freizeit, die nur aus Spaß auf Partys bestand.
Damit ich auch die Geschichte der Satzzeichen, die eigentlich sehr uninteressant war, an meine Mitschüler und meiner Lehrerin Frau Meyer weitergeben konnte, musste ich nur noch schnell einen einzigen Text aus dem Internet ab- bzw. umschreiben, obwohl sich wohl kaum jemand dafür interessierte. Aber die Hauptsache war, dass meine Freundinnen und ich eine Note bekamen, die sich sehen lassen konnte, denn die brauchten wir wirklich. Vor allem jetzt, nach unseren Gesprächen, die mitten im Unterricht stattfanden, weswegen wir oft ermahnt wurden.,,Habt ihr alles geschafft?", fragte meine Mutter, während sie mit meiner Hilfe den Esstisch abräumte. Hier hatten wir vorhin mit Finja und Lena gegessen. Später würde auch mein Vater kommen und hier sein Essen verzehren, nachdem er gearbeitet hatte.
,,Ja", antwortete ich sofort und putzte noch schnell den Tisch ab. Anschließend warf ich meiner Mutter, die übrigens Maria hieß, einen dankenden Blick zu und verschwand wieder in meinem Zimmer. Dort angekommen, schloss ich leise hinter mir die Zimmertür und knipste das Licht an. Automatisch ruhte mein Blick auf dem Fenster gegenüber, hinter dem ich den Jungen wahrnehmen konnte. Inzwischen trug er ein T-Shirt und ich glaubte, dass seine Haare nass waren. Aber so genau konnte ich das nicht erkennen.
Plötzlich sah er hoch und entdeckte mich. Ich fühlte mich ein wenig ertappt. Vielleicht wurde ich sogar rot, was mich aber nicht daran hinderte, ihn weiter anzuschauen. Doch ohne den Blick von ihm abzuwenden, machte ich das Licht wieder aus und somit konnte er mich nicht mehr sehen. Schließlich war es draußen dunkel geworden.
Auch der Junge bewegte sich jetzt und schlenderte zu seinem Fenster. Er lächelte nicht und sah mich auch nicht wütend an, also hatte ich keine Ahnung, wie er gerade drauf war. Allerdings zog er jetzt dunkelblaue Gardinen vor die Fensterscheibe, was wohl hieß, dass er nicht sehr gut gelaunt war.
Ahnungslos schaltete ich das Licht wieder ein und nahm auf meinem Schreibtischstuhl Platz, um den letzten Text auf ein noch leeres Blatt Papier zu übertragen. Lange blieb es aber nicht bei der Ruhe, denn auf einmal ertönte die Stimme meiner Mutter, die plötzlich im Türrahmen stand: ,,Charlie, ich glaube, langsam bist du alt genug. Mit 16 habe ich schon gearbeitet."
Nach den Worten wurde mir schon klar, was ich zutun hatte.
,,Also mach bitte den Käfig deiner Kaninchen sauber. Meine sind es nämlich nicht", fuhr sie fort. Sofort nickte ich und machte mich auf den Weg nach draußen, nachdem ich eine Tüte und eine kleine Schaufel geholt hatte.Beim Käfig angekommen, überkam mich plötzlich das Gefühl, beobachtet zu werden. Doch ich blendete es aus. Jedenfalls versuchte ich es, denn jetzt nahm ich meine Kaninchen Max und Moritz auf meinen Arm und setzte sie im Freilaufgehege ab. Zum Glück erhellten die Straßenlaternen unseren Garten, denn sonst hätte ich sicher noch eine Taschenlampe mitnehmen müssen. In der Zeit, in der ich mit dem Säubern des Käfigs beschäftigt war, konnten meine Haustiere am Rasen knabbern und das waren zwei sinnvolle Tätigkeiten auf einmal.