Wir spielten noch eine ganze Weile dieses Spiel.
Für Tyler und Lena hatte es eine Menge Spaß gemacht. Für mich eher weniger. Ich durfte insgesamt vier Mal sehen, wie sie sich gegenseitig küssten. Zum Glück nur auf der Wange. Mehr hätte ich auch nicht sehen wollen. Erst hatte ich gedacht, Lena steht jetzt auf Liam und nicht mehr auf Tyler, aber da irrte ich mich wohl.
Als Tyler kurz auf Toilette ging, setzte Lena sich zu mir auf das Bett. ,,Du versprichst mir doch, dass du die Finger von ihm hälst, oder?", fragte sie mich ein wenig ängstlich. Ich nickte stumm.
,,Danke, Charlie. Du bist echt eine gute Freundin."
Sie umarmte mich kurz. Irgendwann kam Tyler dann auch wieder und wir unterhielten uns noch ein wenig. Gegen 18:30 Uhr machten Tyler und ich uns auf den Weg nach Hause. An der Haustür von Lena verabschiedeten wir uns und dann gingen wir auch schon los. Es fing an, dunkel zu werden und überraschenderweise war das Licht der Straßenlaternen schon an, was echt ein Wunder war.
,,Lena ist ganz nett", fing Tyler eine Unterhaltung an. Ich nickte nur. ,,Und hübsch..."
Ich nickte.
,,Und schlau..."
,,Ja und?"
,,Und sie ist immer cool drauf", meinte er.
,,Du kennst sie gar nicht richtig", konterte ich. Schließlich war Lena nicht immer gut drauf. Meistens war sie traurig, weil sich ihre Eltern getrennt hatten. Doch davon wusste er nichts.
,,Stimmt. Trotzdem ist sie hübsch..."
,,Schön."
,,Küssen kann sie bestimmt auch gut."
Ich warf ihm einen Blick zu. Er schaute nur fragend zu mir herunter. Keine Ahnung, ob er es ernst meinte.
,,Also ich kenne ja viele, die gut küssen können. Aber es hängt meistens auch von mir ab. Das heißt, ich muss schon ein ziemlich guter Küsser sein. Jede Frau küsst zwar anders, aber wenn die Harmonie stimmt, dann - "
,,Schön für dich", unterbrach ich ihn.
,,Ja."
Wir betraten den harten Sandweg und jetzt wurde es ganz schön dunkel. Die Laternen standen einige Meter entfernt und die Bäume verdunkelten das Licht.
,,Hast du Angst?", fragte er auf einmal.
,,Warum?"
,,Weil du dich so ängstlich umschaust..."
,,Mache ich gar nicht", meinte ich. Man durfte sich ja wohl umschauen!
,,Wie fandest du das Spiel von eben?", wollte er nun wissen. Ich kam mir vor wie bei einer Umfrage.
,,Okay."
,,Okay? Ich fand es cool."
,,Du hattest ja auch deinen Spaß..."
,,Du etwa nicht?", hakte er neugierig nach.
Ich zuckte mit den Schultern.
,,Achso!", sagte er jetzt ein wenig laut. Gleichzeitig schaute er mich an. ,,Du willst auch einen Kuss."
Er alberte ein wenig herum und machte irgendwelche merkwürdigen Anstalten.
,,Macht es dir eigentlich Spaß, alle zu küssen?", fragte ich ein wenig genervt.
,,Alle?"
Jetzt wurde er wieder ernst und ging normal neben mir her.
,,Abby, Lena und sogar mich!"
,,Dir hat es doch gefallen!", meinte er breit grinsend und legte seinen Arm um mich.
,,Abby habe ich außerdem noch nie geküsst", fuhr er fort.
,,Glaube ich dir nicht. Wahrscheinlich hattest du auch schon was mit Romina, Kelly und all den anderen Barbiepuppen aus der Schule."
,,Eifersüchtig?"
Langsam wurde ich ein wenig sauer.
,,Du antwortest gar nicht, Lotte", bemerkte er.
,,Kann dir doch egal sein."
,,Stimmt", murmelte er total ernst. Schweigend gingen wir durch den kleinen Wald.
,,Sag mal...", fing er wieder an, als wir die Straße, kurz vor unseren Häusern, betraten, ,,wer ist eigentlicher der Typ, der gestern in unsere Klasse kam?"
,,Das ist Piet. Der ist manchmal krank."
,,Manchmal?"
,,Manchmal."
,,Okay. Dein Freund?"
,,Kann dir - "
,,Doch egal sein", vollendete er den Satz in einer piepsigen Stimme.
Kurz vor meinem Haus blieben wir stehen. Ich musste zuerst rechts abbiegen.
,,Tschüss", meinte ich leise. Gleichzeitig legte Tyler seine rechte Hand auf meine Schulter und durchbohrte mich mit seinem Blick.
,,Bis morgen", murmelte er und streichelte nochmal über meine Haare. Anschließend ging er weg. Ein wenig verwirrt trat ich nach wenigen Minuten in mein Zimmer ein. Ob ich eifersüchtig war? Wieso hatte er mir die Frage gestellt? Natürlich war ich eifersüchtig! Ich ging zum Fenster und beobachtete Tyler gegenüber von mir. Er saß auf seinem Bett und tippte an seinem Handy herum, während Cassie, die kleine Schwester von ihm, wild auf dem Bett herum sprang.
Plötzlich vibrierte mein Handy kurz. Sofort entsperrte ich es.
,,Gute Nacht", las ich. Das hatte Tyler mir geschrieben. Er war immer noch online. Wahrscheinlich schrieb er jetzt irgendwelche anderen Mädchen. ,,Gute Nacht", schrieb ich schnell zurück und ging offline. Anschließend lief ich nach unten und aß noch eine Kleinigkeit. Da es noch ziemlich früh war, setzte ich mich zu meinen Eltern vor den Fernseher. Gegen 21:30 Uhr machte ich mich fertig für das Bett und ging wieder an mein Handy.
Diesmal hatte Lena mir geschrieben. ,,Hast du gesehen, wie er mich geküsst hat? Er hat total weiche Lippen!"
,,Cool", schrieb ich zurück. Sie war eindeutig noch verknallt in ihn.
,,Du kannst so froh sein, dass er gegenüber von dir wohnt! Er ist so toll!"
Ich ging offline. Schließlich wusste ich selbst, wie ,,toll" Tyler war. Sofort legte ich mich ins Bett und machte mein Handy auf lautlos. Anschließend schlief ich ein.