38. Wie ein Mädchen einen Arsch vergisst

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*David*

Heute Nachmittag schneite es nicht. Ich freute mich über Amys Gesellschaft, denn ich war nicht gern allein. Nicht nach der Sache auf der Brücke. Manchmal fragte ich mich wo all die Pläne für mein Leben geblieben waren, all jenes was zwischen dem Unfall und dem 2. Doppeldate geschehen war. Die Träume und Schwärmereien. Das Gute. Tja, das hatte der scharfe Wind wohl fortgetragen, denn gerade hatte ich absolut keinen Plan von meinem Leben mehr. Und ich himmelte diesen kleinen Vorstadtarbeiter an, die jeden Tag in ein und dasselbe Büro fuhren, 20 Minuten mit der Bahn, dann schlechten Filterkaffee trunken und sich über einen Stapel voll unerledigter Papiere mit ihren Kollegen unterhielten, abends ein Bier in der Bar tranken oder Sex mit ihrer normalen Frau aus der Vorstadt hatten in ihrer gemütlichen günstigen Wohnung, direkt am Stadrand. Ich himmelte sie an, weil es bei ihnen alles so normal und einfach war- und, weil sie einen Plan hatten. Nur war ich einfach aufgewacht und hatte plötzlich keinen Plan mehr. Darum beneidete ich sie.

Doch Amy klingelte just in dem Moment und sie hatte einen Plan, das hatte ich heute Vormittag deutlich raus gehört.

"Komm ruhig rein, es ist offen!", rief ich und schnappte mir einen Keks vom Schreibtisch. Mom stellte mir die Snacks nun hin, immer an die äußerste Kante des Schreibtisches. Und das nur damit ich mich nicht so lange in der Küche aufhielt. Sie behandelte mich inzwischen wie ein kleines Kind. Ich sollte mich fern halten von Arbeitsplatten, Schere, Messer und Strom. Amys hüpfende Schritte wurden lauter als sie die Treppe hochhüpfte. Mein Zimmer war jetzt doch wieder oben. Wenigstens dazu hatte mein Dickkopf gereicht. Unten zu wohnen hatte mich fühlen lassen wie ein schwer behinderter und nicht wie ein Jugendlicher. Es dauerte bei der nächsten Stufe eine Sekunde länger, sie übersprang die knarzende Stufe.

"Hi", tief atment betrat sie das Zimmer.

"Selber Hi", brummte ich gelangweilt, "also, schieß los, was hast du vor?"

"Naja, ich habe hier einen Plan", sie räusperte sich und Papier knisterte.

"Also, zuerst einmal verbringen wir die nächsten 13 Tage zusammen."

"Haha, tun wir das nicht eh schon?"

"Es reicht nicht. Ich hab "es" schleifen lassen und dich damit gefährdet. Den Deal gefährdet."

"Okay, weiter?"

"Du tust genau was ich dir sage, ab jetzt!", kündigte sie an und ich meinte ihren strengen Blick auf mir zu spüren.

"Hm...brauchst du etwa einen Date für den Weihnachtsball oder was soll das Arrangement?"

"Ha! Als ob." Wieder ein Rascheln.

"Mal sehen, heute ich der 7. ich habe für jeden Tag bis zum 20 was geplant. Was dann ist sehen wir später. Ich bin überzeugt es wird sich alles ändern."

"Davon bin ich überzeugt", flüsterte ich rau und wippte auf meinem Schreibtischstuhl zurück.

"Ahm...okay, du erfährst jeden Tag per WhatsApp was wir am Nachmittag machen. Die Pausen sind auch gestrichen, deine Freunde sind Ärsche, wer glücklich sein will braucht die nicht."

"Mein bester Freund ist auch ein Arsch", knurrte ich halb amüsiert, halb gereitzt. Erwartete fast, dass sie widersprach.

"Genau. Und deshalb halten wir uns auch von ihm fern."

"Wir?"

"Klar. Es gibt kein ich und du mehr. Nur ein wir." Irgendwas in mir atmete auf und fühlte sich warm an.

War ihr dankbar.

"Ich hab dir versprochen du würdest lernen zu leben. Der Deal läuft mit April. Nur denke ich-"

Wie man lernt zu leben WIRD AKTUALISIERTWo Geschichten leben. Entdecke jetzt