"Hast du alles Schätzchen?", meine Mum wuselte seit bestimmt einer Stunde in meinem Zimmer herum und versuchte alles was mir gehörte zu erwischen. Sinnloser Weise fragte sie mich bei verschiedenen Dingen ob die denn mir gehören, wie bei zwei roten Shorts. Woher soll ich das denn wissen? Nun musste ich nur noch aus diesem schrecklichen Krankenhauskittel entschlüpfen und ich konnte endlich nachhause- endlich!
Und ich wusste auch schon was ich die nächsten Tage machen wollte, oder auch den Rest meines Lebens: Im Bett liegen und an die Decke starren. Musik hören und warten bin ich wieder aufwache.
"Schätzchen, ziehst du dich dann jetzt an?", fragte sie und sprach diesmal mir zugewandt. Sie sah mich also an. Vermutlich guckte sie auch noch in dieser Mischung aus Mitleid und Besorgnis. Ich sah es bildlich vor mir und hasste es. Hasste es, weil ich es nie wieder sehen würde. Und der Hass war die einzige Möglichkeit bei diesem Gedanken nicht in Tränen auszubrechen.
"Nein", fuhr ich sie an und schwang meine Beine über die linke Seite des Bettes. Die Schläuche und den ganzen Mist hatte man mir vorhin abgenommen. Auf diese Weise konnte ich ungehindert, nach meinem zweiwöchigen Krankenhausaufenthalt heimkehren.
Ich hörte förmlich wie sie herbei stürzte um mir zu helfen. Doch ich hielt sie mit einem leisen Knurren davon ab mich auch noch zu stützen. Ich wollte keine Hilfe. Also entfernte sie sich wieder ein paar Schritte. Komisch, früher hatte ich sowas gar nicht wahrgenommen, aber jetzt schien es so offensichtlich. Jeder Gedanke der sich in einer noch so kleinen Bewegung manifestiert wurde von meinem geschundenen Körper registriert und weitergeleitet, ausgewertet.
"Wo ist das Bad?", diese Frage zu stellen fand ich peinlich- und zwar hochgradig! Nicht zu wissen wo das Bad war, obwohl es doch vor Augen war, so nah- ich fand es unvorstellbar, aber ich musste, denn man hatte mir zwar angekündigt das ich eine kleine Ausrüstung bekommen würde um "den Alltag zu meistern", aber davon war noch nichts angekommen. Auch kein Blindenstock. Ha, na den würde ich ja ohnehin nicht benutzen. Ich brauchte sowas doch nicht! Die Ironie war mir keineswegs entgangen.
"Drei Schritte geradeaus dann einen nach links", meinte sie leise. Offensichtlich war das alles für sie doch nicht so einfach wie es schien. Natürlich wusste ich wie geschockt sie war von der Diagnose und selbstverständlich bereitete es mir kein Vergnügen sie damit zu verletzen, aber das war das einzige, das ich jetzt noch konnte um meinen eigenem Schmerz zu entgehen- andere Verletzen.
Ich folgte ihren Anweisungen und taumelte langsam vorwärts. Bis ein scharfer Schmerz durch mein Bein schoss. Die Koordination von 100 auf 0. Im Kindergarten, bevor ich mit dem Fußball angefangen hatte hatte ich ein ganz ähnliches Gleichgewichtsproblem gehabt, aber schnell hatte ich gelernt mich zu koordinieren und jede Hürde mit Spaß genommen. Nie wieder Fußball. Mein Schluchzen ging in einem hysterischen Lachen unter. Dunkel, rau, trocken, nicht im geringsten amüsiert.
Mir viel ein dämlicher Flachwitz ein: Mein Schienbein hilft mir im Dunkel die Möbel zu finden.
Ich biss die Zähne zusammen, so ein scheiß Spruch!
"Alles OK?", fragte Mum vorsichtig, sowas müssen Mütter fragen und gab sich sichtliche Mühe mich nicht zusätzlich zu provozieren, was ihr in dem Fall allerdings nicht gelang.
"NEIN!", schrie ich wutentbrannt, "NATÜRLICH NICHT! NICHTS IST OK! ICH BIN BLIND!" Natürlich wusste ich, dass sie das nicht so gemeint hatte, dass sie das nicht aus Boshaftigkeit gesagt hatte, aber es kam eben meist nicht darauf an wie es gemeint wurde, sondern wie es gesagt wurde. Sie schwieg. Ich war wohl vor eine Wand bzw. eine Ecke gelaufen. Mit zitternden Fingern tastete ich die Wand nach der Tür ab und fand sie auch. Ich fühlte eine Hitze in mir aufsteigen, als mir klar wurde, dass ich gar nicht wusste wo meine Sachen denn eigentlich waren.
"Ähm...Mum, meine Sachen-" Sofort kam sie zu mir und drückt mir einen Stapel Kleidung vor die Brust.
"Deine graue Jeans und den grauen Pullover", erläuterte sie und ich sagte leise, fast unmerklich, "Danke."
Die Lüftung ging an noch bevor ich mich einschließen konnte, ob auch das Licht automatisch angegangen war? Es war wie diese philosophische Frage mit dem Licht im Kühlschrank. Automatisch will ich nach dem Lichtschalter greifen, bis mir klar wird, dass mir das nicht viel bringen wird. Also gebe ich die Suche nach einem auf und setze mich auf den Boden, dann streife ich diesen lächerlichen Kittel oder was das ist ab und widme mich meinen Sachen. Ich nehme alles einzeln in die Hand, bis ich plötzlich nicht mehr weiß wo meine Hose war.
Es war so erbärmlich, dass es schon fast auf eine krankhafte weise lustig war.
Verdammt!
Ach komm, das musste doch so kommen, die hassen dich doch alle.
Wie, du auch?!
Jaa, ich ganz besonders.
Was lachst du denn so doof? Rate wessen Schuld es ist, dass wir hier auf dem Krankenhausfußboden einem WC nach einer Hose suchen dürfen?!
Na deine- du Spast!
Ha! Weißt du was, du kannst mich mal!
Das seltsame Gespräch meiner diversen Persönlichkeiten verstummte, als ich den groben Stoff meiner Jeans zwischen den Fingerkuppen fühlte.
"Schaaatz, brauchst du Hilfee?", wollte meine Mutter wissen.
Ja, psychische.
Ja, vielleicht werde ich dich dann endlich los!
Ach, stirb doch!
Nur mit dir.
"Nein!", erwiderte ich gereizt. Das mit den Stimmen war fast schon eine Art Tick geworden, aus der Langeweile heraus. Ich hatte sie aus Spaß Messi und Ronaldo getauft.
Mum klopfte. „Alles okay da drin?"
Einen Moment später trat ich aus der Tür. Fertig angezogen- hoffte ich.
"Ähm, du Schatz, du trägst deinen Pullover verkehrtrum-" Mit diesen Worten half sie mir aus ihm heraus und drehte ihn richtig herum.
Wie im Kindergarten....
Ich seufzte unwillig auf, dann hackte sie sich bei mir unter und wir verließen das Krankenhaus.
Doch zuhause wartete eine unschöne Überraschung auf mich...
Also,
wie versprochen, das zweite Kapitel!!! Oh Gott, ihr seid der WAHNSINN!!!
Noch mal danke ihr Flauschis!
Fühlt euch ganz fest gedruückt!!!!
xo LilaAngel xo
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Wie man lernt zu leben WIRD AKTUALISIERT
Ficción GeneralIch werde ihn retten, in dem ich ihm zeige wie schön das Leben sein kann, auch wenn ich gerade im Leid versinke. Auch wenn der Blinde mich mitreißt in den Strudel der Verzweiflung, denn ich habe ihm mein Wort gegeben ihm bis Weihnachten zu zeigen da...