Kapitel ~ 4

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Nach dem Gespräch verließ der junge Mann den Raum. Er hatte nur noch ein Ziel. Herauszufinden wer diese Frau Dr. Selena Gomez war. Sie war noch sehr jung und schien daher noch sehr unerfahren zu sein. Ein leichtes Opfer für den Tätowierten. Konzentriert lief er den Gang entlang, am Büro der Pfleger vorbei. Schnell warf er einen flüchtigen Blick hinein. Dort stand sie und schaute ihn an. Einen kurzen Augenblick blieb er stehen und lief dann weiter. Zurück in die Lobby, wo er sich gerade hinsetzen wollte, als ihn plötzlich jemand ansprach.

"Hey Blondie ", hörte er eine Männerstimme sagen. Er drehte sich um und sah Tom. Wortlos starrte er ihn an. "Bist hier wohl der Boss auf der Station, was? Ich sag dir was, Kumpel. Ich lasse mich von niemandem herum kommandieren, ist das klar?"

Justin blieb still und starrte ihn nur an. Nick, der das Geschehen aus sicherer Entfernung beobachtete, hoffte, dass der Blonde ihm einen Stoß geben oder ihm ins Gesicht spucken würde, denn dann wäre er beruhigt. Das würde bedeuten, dass man noch einmal mit einer Warnung davon gekommen war. Wenn Justin jedoch nichts sagte und einen nur ansah, wusste man, dass man ein riesiges Problem hatte. Den tätowierten Justin als Feind zu haben, hatte für manche schon das Ende bedeutet. Ausgestochene Augen, aufgehängt Körper, aufgeschnitten Pulsadern und verbrannte Körperteile, waren nur ein Teil von dem, was manchen bereits geblüht hatte, nachdem sie dem Blonden einmal zu viel in die Quere gekommen waren. Das Personal ging stets von Unfällen aus, denn nie konnten nachweisen, dass diese Unfälle durch Fremdverschulden passiert waren. Auf den Kameras, die überall hingen, außer in den Therapiezimmern und privaten Zimmern der Patienten, war nie etwas zu sehen. Niemand ahnte, dass der scheinbar in sich gekehrte und Stille junge Mann noch eine andere Seite in sich trug. Der Einzige, dem dies langsam bewusst wurde, war Nick Jonas. Er bemühte sich darum, so gut es ging den Frieden auf der Station zu bewahren, doch wenn es hart auf hart kommen würde, dann würde auch er sich nicht in den Weg des unberechenbaren Mannes stellen. Zu groß war die Angst vor dem, was passieren könnte. Immernoch stand der gut gebaute Justin schweigend vor dem Neuen und schaute ihn an.

"Was ist los, du Lappen? Hat es dir die Sprache verschlagen?", provozierte Tom.

Plötzlich tauchte die Leiterin der Einrichtung auf. "Tom, lassen Sie Justin in Ruhe. So ein Benehmen gehört sich hier nicht. Wenn Sie keinen Besuch bekommen, dann gehen Sie bitte jetzt auf ihr Zimmer", sagte sie und wandte sich dann Justin zu. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen? Lassen Sie sich bitte nicht von so einem Verhalten beirren"

"Schon in Ordnung", sagte er kurz und verließ dann die Lobby. Als er in sein Zimmer lief, wusste er, dass er wieder einmal dafür gesorgt hatte, den Schein zu wahren. Immernoch dachten die Ärzte, er wäre harmlos. Sie hielten ihn für traumatisiert und versuchten ihn vor allem Bösen zu schützen, so gut es ging. Plötzlich stieß er gegen eine Person.

"Oh nein", sagte eine Frauenstimme. Justin schaute sie an und sah, dass es die neue Ärztin war, der durch den Zusammenstoß ihre Akten herunter gefallen waren, die nun auf dem Boden lagen.

"Warten Sie ", sagte der tätowierte Patient."Ich helfen Ihnen ". Er bückte sich und hob die Akten auf.

Der neuen Ärztin war dieser Vorfall sichtlich unangenehm. Dankend nahm sie ihre Unterlagen entgegen. "Entschuldigen Sie bitte. Ich habe Sie nicht gesehen. Das ist alles noch sehr neu für mich und ich bin mit meinen Gedanken an mehreren Orten gleichzeitig", erklärte sie sich.

Mit einem charmanten Lächeln schaute er sie an. "Ist schon in Ordnung. Machen Sie sich deswegen keine Gedanken. Es ist ja nichts passiert"

Als sie ihren gegenüber genauer ansah, fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. "Sie müssen Justin sein, nicht wahr? Ich habe bereits von Ihnen gehört"

"Hoffentlich nur Gutes", lächelte er.

"Mehr oder weniger". Mit bedauerndem Blick sah sie ihn an. "Das mit Ihren Eltern tut mir furchtbar Leid, Justin. Ich hoffe, dass Sie hier die Möglichkeit haben, zu lernen mit diesem schlimmen Vorfall umzugehen"

Auch sie sah das Opfer in ihm. Den früheren Teenager, der neben den Leichen seiner Eltern gefunden wurde. Verstört und voller Blut hatten ihn damals die Polizisten in der Villa vorgefunden. Seine Eltern waren erfolgreiche Unternehmer gewesen, die in ihrem Leben bereits so viel erreicht hatten. Sie hatten alles, was sie sich immer gewünscht hatten. Gesundheit, Wohlstand und einen Sohn, in den sie ihre ganzen Hoffnungen gesteckt hatten. Das alles wurde ausgelöscht in einer einzigen Nacht und nur der blonde Mann konnte lebend aufgefunden werden. Der oder die Täter wurden nie gefunden. Nun verbrachte Justin seit fünf Jahren sein Leben in der psychiatrischen Einrichtung. Die Ärzte und Pfleger gaben ihr Bestes, um ihm zurück ins Leben zu helfen.

"Danke. Die Ärzte hier geben jeden Tag ihr Bestes, um mir zu helfen und ich bin sicher, dass sie auch eine sehr gute Ärztin abgeben werden". Noch einmal lächelte er sie an und ging dann weiter den Gang entlang.

Dr. Gomez fand den jungen Mann sofort sympathisch und sie empfand großes Mitleid mit ihm. Er hatte schlimme Dinge erleben müssen und war noch so jung. Sie hoffte, dass sie ihn in den nächsten Wochen und Monaten besser kennenlernen würde. Sie, als junge engagierte Ärztin, wollte alles daran setzen, dem traumatisierten Mann zu helfen.

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